Die Tage des Klamauks sind lange um. Während Tragikomödien in Pierre Richards prominentesten Zeiten mit „Eine Wolke zwischen den Zähnen“ zu den Ausnahmewerken zählten, zieht es ihn im Alter, ähnlich wie Dieter Hallervorden, zu den stilleren Komödien, was durchaus zu den geistreichen Hintergründen seiner damaligen Klamauk-orientierten Filme passt. Der Kopf hinter „Monsieur Pierre geht online“ ist jedoch Regisseur und Autor Stéphane Robelin, Pierre Richard weiß aber sich dessen Vorstellungen gekonnt zu stellen, ebenso wie der Rest der professionellen Besetzung, die keinerlei Wünsche offen lässt.
„#Flora63“ (Alternativtitel) ist eine Komödie der leisen Töne, läd also eher zum Schmunzeln als zum lauten Lachen ein und erntet seinen mitschwingenden Hauch Dramatik aus der romantischen Perspektive, ohne allzu große Wunden aufreißen zu müssen. Somit funktioniert das weniger ist mehr-Konzept in diesem wundervollen Werk auf vielschichtige Art. Lebensnah, ohne zwingend immer verbittert realitätsnah zu sein (gerade gegen Ende gönnt man sich eher ein Kino-orientiertes Entknoten aller Probleme), findet Robelin das richtige Gleichgewicht aus Fiktion und Leben, aus Kino und Realität, aus Humor und Ernst und verarbeitet recht vielschichtige Prozesse der aktuellen Gesellschaft, hauptsächlich jedoch den Generationenkonflikt mit seinen verschiedenen Ansichten zueinander, aufeinander und auf die Welt, ihre Regeln und dem was das Leben einfach geschehen lässt.
Pate stand überdeutlich der legendäre Cyrano de Bergerac. Kennt man sich ein wenig mit den Komödien Frankreichs aus entdeckt man aber auch Parallelen zum liebenswürdigen „Mein Vater, der Held“, am deutlichsten erkennbar in der Szene, in welcher Alex sich revangiert und dafür sorgt, dass nun auch Pierre die Angebetete belügen muss, indem er von abenteuerlichen Situation aus seiner angeblichen Vergangenheit berichten muss.
Trotz dieser Vergleiche ist „Mr. Stein Goes Online“ (Alternativtitel) ein eigenständiger Film, der den Freund stiller, stilsicherer und individueller Unterhaltung definitiv gefallen dürfte, zumal er frei irgendwelcher Längen ausgefallen ist. In jeder Filmphase gibt es etwas zu erzählen, oftmals bangt man als Zuschauer regelrecht mit, wenn sich eine neue Katastrophe anbahnt. Mal geht Robelin sanft mit den Figuren und somit mit dem Zuschauer um, manchmal lässt er sie ins blanke Messer laufen. Dass der damalige Stammkomponist der Pierre Richard-Filme, Vladimir Cosma, auch zu diesem Werk die Musik beisteuern durfte, rundet die angenehme Erfahrung liebevoll ab.
Somit steht nichts im Weg in diese schöne Geschichte eintauchen zu können, die einen verschiedenste Figuren und somit verschiedenste Blickwinkel auf die Welt so einfühlsam nahe bringt, wie es nur unverkrampftes, stilles Kino wahrlich zu meistern weiß. Von verkopftem Intellektkino ist „Un profil pour deux“ (Originaltitel) ebenso weit entfernt wie vom Gegenteil. Robelin zeigt eine eigene Handschrift auf und biedert sich somit keinem Zielpublikum an. Dies ist meiner Meinung nach der einzig wahre Weg an ein interessiertes und begeistertes Publikum zu geraten, wenn man Kino mit Köpfchen und Herz vereinen möchte. OFDb
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