03.04.2020

DER FREMDE IM ZUG (1951)

Durch die Figur des schelmischen Bruno weht stets ein leicht amüsanter Ton über einen eigentlich ernst umgesetzten Thriller. Letztendlich ist es seiner Figur zu verdanken, dass "Der Fremde im Zug" überhaupt zu funktionieren weiß, schließlich ist die Ausführung des ersten Mordes, ohne jedwede Absprache, ebenso wenig Bestandteil einer perfekten Ausführung, wie die darauf folgende ständige Kontaktierung in der Öffentlichkeit, welche den Grundgedanken der völlig getrennten Leben beider Täter komplett widerspricht. Was im Zug trotz irrem Geschwätz noch einleuchtend klingt, erweist sich in jedweder Handlung Brunos als völlig konfus. Das würde manch anderen Film zum Wanken bringen. Hier haben wir es jedoch mit einem wirren Geist zu tun. Und nicht nur dass Guy nie in die verrückte Idee einwilligte, sie bringt ihm auch nichts, selbst wenn er sich früher oder später darauf eingelassen hätte.

Den Irrsinn Brunos bereits in der Basis der Erzählung zu offenbaren, ist ein gewitzter Schachzug Hitchcocks, der es Richtung Finale zudem nicht lassen kann, auch den Bösewicht unter Zeitdruck zum Schwitzen zu bringen, wenn dieser verzweifelt am Kanaldeckel nach einem goldenen Feuerzeug fischt - ein Gegenstand der für seine finsteren Pläne von bedeutender Wichtigkeit ist. Kurzum: Hitchcock geht sehr verspielt mit der kompletten Chose um, baut durch die Mutter Brunos sogar eine offensichtlich witzige Komponente mit ein, lässt den Restfilm jedoch nur bis zu jenem Grade augenzwinkernd erscheinen, in welchem er nicht der spürbaren Bedrohlichkeit schadet, die auf Guy herein bricht. Der ist vielleicht ein wenig zu naiv gezeichnet, letztendlich wird er dennoch zur Identifikationsfigur, zumal seine Zweifel die Polizei zu kontaktieren relativ nachvollziehbar sind.

Hitchcock inszeniert "Verschwörung im Nordexpress" (Alternativtitel) trotz seiner beschwingten Art in den straffen Momenten intensiv genug, um einen brauchbaren Spannungsbogen zu ermöglichen, zwischendurch und gerade gegen Ende jedoch auch zu abschweifend, um von einem rundum gelungenen Ergebnis sprechen zu können. Reizvolle Ideen am Rande entschädigen diese Inkonsequenz ein wenig, so z.B. der empathische Umgang mit einer Randfigur, der während einer Gesellschaft bewusst wird, dass sie im Blickkontakt mit dem Mörder gewürgt wird, während dieser als Partygag wen anders unter Trance würgt. Es erstaunt wie empathisch Hitchcock mit dieser Randfigur in diesem Zusammenhang umgeht, während der Streifen an sich, und mit ihm dementsprechend seine Hauptfiguren, ansonsten doch eher Kino bleibt, ohne dass man sich ernsthaft, da authentisch aufgegriffen, um ihre Psyche sorgt. So oder so beweist Hitchcock, dass er sich nicht nur auf einer Idee ausruht und die grundlegende anders thematisiert als man erwarten würde, mit dieser Flexibilität aber auch das ein oder andere mal dafür sorgt, dass das Ergebnis gelegentlich ein wenig zerfahren wirkt.  OFDb

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