Um das Verrohen der Jugend wurde sich schon mindestens seit der 50er Jahre im Medium Film Gedanken gemacht. Dass es ganze Schulen treffen kann, war 1982 aber noch ein recht neuer Gedanke und damit vorausschauend mit Blick auf die Ghettoschulen, die gerade in 90er Jahre-Filmen zu diesem Thema ins Visier geraten sollten. Mark L. Lester nutzt die Thematik für einen Reißer. Manch einer mag den Tiefgang vermissen, die glaubwürdige gesellschaftskritische Aussage, die analytische Frage nach dem Warum, die Sensibilität mit solch einem schwierigen Thema umzugehen. „Die Klasse von 1984“ ist ein Thriller, der sich einzig auf die Konfrontation Lehrer und Schüler konzentriert, auf das Eskalieren der Situation, auf die äußeren Schauwerte. Aber will man den Streifen fair beurteilen, muss man auch bedenken, dass der Film nichts anderes sein will. Im Gegensatz zu einem „Dangerous Minds“ ist er somit nicht heuchlerisch ausgefallen, und das erspart ihm im Vergleich zu diesem manche Peinlichkeiten.
Da die Zeit nicht unübersehbar an „Class of 1984“ (Originaltitel) vorbeigezogen ist und der Film schon zu seiner Zeit kein Werk mit Tiefgang war, haben sich trotzdem manche Lächerlichkeiten eingeschlichen. Die Beleidigungen der Teens wirken viel zu kindlisch, Subkulturen wie die Punk- und Gothicszene werden hier noch als Buhmann verkauft. Aber diese Schwachpunkte nagen kaum am Gesamtwerk, erst recht wenn man es sich im etwas weniger reißerisch ausgefallenen Originalton zu Gemüte führt. Trotz fehlendem Tiefgangs ist Lester immerhin ein unglaublich packender Film gelungen, der dank der sehr zugänglichen Figur des Mr. Norris den Zuschauer nicht außen vor lässt.
Auch Norris hat seine Schattenseiten, tut Dinge die sich für einen Pädagogen nicht gehören, aber in einem Film der brutalen Schauwerte kann man Norris Taten zumindest emotional mitempfinden. Man versteht warum sein inneres Gleichgewicht aus den Fugen gerät. Und das diesbezüglich oftmals zu übertrieben ausgefallene Finale ist derart düster mit hohem Spannungsbogen nah am Horrorfilm-Stil orientiert, dass man dort längst die Spielfilmmentalität akzeptiert hat und den Realismus längst nicht mehr vermisst. Das Finale ist Nervenkitzel pur, hervorragend inszeniert und der Leckerbissen eines Streifens, der sich ohnehin sehen lassen kann.
Wer Hauptdarsteller Perry King nur aus „Trio mit vier Fäusten“ kennt, wird sich wundern wie vielschichtig sein Spiel ausfällt und wie gut sein Talent tatsächlich geartet ist. Ihm zur Seite stehen die stets gern gesehenen Stars Roddy McDowall, der es auch hier nicht lassen kann manches mal mimisch überzuagieren (aber genau darum mag man ihn doch eigentlich) und der am Anfang seiner Karriere stehende Michael J. Fox, hier noch ohne J., der in seiner zu klein geratenen Rolle aber noch nicht beweisen darf zu was er fähig ist. Dass der Gegenpart der Jugendgang viel zu alt besetzt wurde, ist man aus amerikanischen Filmen gewohnt, besitzt in „Guerrilla High“ (Alternativtitel) aber den Vorteil körperlicher Überlegenheit gegenüber Mr. Norris, so dass seine aussichtslos scheinende Position hierdurch noch verstärkt wird.
Mark L. Lester dreht die Gewaltschraube mit fortschreitender Laufzeit immer höher, verliert darüber hinaus aber nicht den emotionalen Aspekt der Geschichte aus den Augen, der weit mehr Einfluß auf den Action und Thrill orientierten Film ausmacht, als die meisten Anhänger des Streifens wohl zugeben würden. Das verschenkte Talent Stegmans, die Attacke auf Arthur, der komplette Terry Corrigan-Charakter und nicht zuletzt das was Norris Frau vor dem Finale angetan wird sorgen für Empathie beim Zuschauer, wissen zu bedrücken und vereinfachen damit freilich fast schon manipulativ den Zugang zu Norris‘ Racheakt als eine Art emotionale Befreiung.
Intellektuell ist „Die Klasse von 1984“ zu keinem Zeitpunkt ausgefallen, und pseudo-intellektuelle Zuschauer werden ihm genau dies ankreiden. Dass die Stärken woanders zu suchen sind, übersehen solche Gestalten gerne und glauben ein Film wie dieser würde lediglich den Voyeurismus nach Gewalt und Nacktheit fröhnen. Hierbei wird gerne übersehen, dass zumindest das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung, von einigen Übertreibungen abgesehen, die aber zu solch einer Art Film dazugehören, glaubwürdig ausgefallen ist und großteils psychologisch stimmig angegangen wurde.
Winzige analytische Ansätze und das Verständnis für die einzelnen Figuren zeigen zudem, dass Lesters Werk keineswegs dümmlich ausgefallen ist. Man verweigert sich lediglich dem Tiefgang. Freilich muss man ein guter und vorurteilsfreier Beobachter sein um dies zu bemerken, aber sowohl den Fans als auch den Gegnern des Streifens ist dies eigentlich egal. Die lieben und hassen den Film meist aufgrund seiner ausgearteten Situationen, anstatt für die Treffsicherheit, mit der Lester jenseits wahren Bahnhofskino-Feelings ein solch bedrückendes Szenario fast einzig durch das Verwenden von Klischees kreiert. OFDb
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