Hicks ist zwar der Sohn des Wikingerhäuptlings, aber als schmaler,
tollpatschiger Querdenker so gar nicht dessen Stolz. Hicks will allen
zeigen was er kann, und schießt während einer nächtlichen Drachenattacke
einen Nachtschatten ab, eine Drachengattung, die bislang noch niemand
erlegt hat. Als Hicks seine Beute am nächsten Tag verletzt auffindet,
findet er heraus, dass das Tier nicht so böse ist, wie von den
Erwachsenen immer propagiert wird. Gegen jede Tradition entsteht
zwischen Kind und Drache eine Freundschaft...
Vom Ungeziefer zum Haustier...
Dreamworks war der erste Konkurrent der Pixarstudios im Bereich der computeranimierten Zeichentrickfilme. Während Disney, für die das Studio Pixar arbeitet, ihre Werke im eher klassischem Zeichentrick-Erzählstil umsetzte, fand man bei Dreamworks schnell zum Stil des frechen Trickfilms, mit einer Humorrichtung mit flotten Sprüchen, Parodien diverser Vorlagen und anderweitiger Medien und jugendorientiertem Humor (im Prinzip das Rezept der „Simpsons“). Mit diesem Rezept erzielte man so große Erfolge („Shrek“, „Madagascar“,...), dass viele andere Firmen auf diesen Stil auch mit aufsprangen („Ice Age“, „Himmel und Huhn“,...).
Die Pixar-Studios versuchten sich jedoch stets in anderen Bereichen, experimentierten mit teilweise recht ruhigen Stoffen, und ihr Mut sollte belohnt werden. Werke wie „Findet Nemo“, „Oben“ und „Wall-E“ wurden finanzielle Erfolge, so dass nun auch Dreamworks neue Wege suchte. Die Filme mit Jugendhumor wurden Massenware, bei denen sich kaum noch ein Film vom anderen zu unterscheiden wusste. Während Pixar, wie oben erwähnt, eher ruhigere Themen anschlug, versuchte man sich bei Dreamworks mit dem actionreichen Abenteuer- und Fantasybereich und herausgekommen ist „Drachenzähmen leicht gemacht“, ein Film der lauten Humor fast komplett umgeht und hauptsächlich mit seiner optischen Wucht zu überzeugen weiß.
Das mag unoriginell klingen, aber was man uns hier zeichnerisch bietet, lässt sich wirklich nicht anders ausdrücken. Direkt zu Beginn wird man in eine große Schlacht hineingeschuppst, in welcher Wikingerhorden in ihrem Dorf angreifende Drachen bekämpfen. Ein Off-Kommentar, die Stimme von Hicks, dem Sohn des Wickingerhäuptlings, erzählt uns, dass dies das Ungeziefer dieser Gegend ist. Man sichtet allerhand Action, Feuermeere, einfallsreiche Drachenkreaturen, ein detailfreudiges Wikingerdorf und wilde Kämpfer, wie man sie sich klassischer nicht vorstellen könnte.
Die Haaranimation macht immer mehr Fortschritte, und so fallen die Wikinger sehr durch ihre wuchtigen Bärte auf. Behaarte Arme werden dank realitätsorientierter Haut zum Hingucker, lediglich die Gesichter werden so gehalten, wie es im Animationsfilm Amerikas üblich ist.
Neben einer detailfreudigen Animation und tollen Kamerafahrten fallen in erster Linie die Figurenzeichnungen positiv auf, und da spreche ich nicht nur von den Menschen, sondern auch von den Drachen. Man verlässt sich nicht schlicht auf eine Gattung, mehrere Arten mit verschiedenen Tücken werden uns einfallsreich vorgestellt, und die Wissenslücken des Zuschauers werden im Drehbuch gekonnt platziert gefüllt, ohne dass man zur Nachhilfe die eigentliche Geschichte pausieren müsste.
Diese folgt den schlichten Pfaden typischer Jugendfilm-Erzählungen, nicht ohne Überraschungen oder ohne fesseln zu können (das tut „Drachenzähmen leicht gemacht“ wahrlich), aber doch die gängigen Weichen setzend, dass man ab einem gewissen Punkt im Film weiß, wie die Geschichte ungefähr weiter ablaufen wird. Dieser Punkt kommt nicht all zu früh, und ist er erreicht ist man so in der Geschichte drin und hat die Charaktere so ins Herz geschlossen, dass man eigentlich nicht von einem Schwachpunkt reden könnte. Dem Unterhaltungswert tut dieser Standart keinen Abbruch.
Was ein wenig überrascht, ist dass man sich bis auf optische Wikinger-Elemente so gar nicht an alten Mythen und Überlieferungen orientiert. Dass die Wikinger lediglich als Identifikationsfiguren für Amerikaner dienen, sieht man bereits daran, dass selbst Wikingermädchen emanzipiert gegen Drachen kämpfen dürfen. Mit wahrer Historie wird hier nicht gearbeitet, was aber nicht weiter stört, da man die Drachensituation vertieft, einen Fantasybereich, zu dem es kein wahres Wissen gibt. Hier können sich die Autoren und Animateure nun kräftig austoben, einfach auf ihre Art, und damit eigene kleine Wikingersituationen schaffen.
In der Geschichte werden die typischen Botschaften aus Kinderfilmen verarbeitet: Eltern sollten ein Ohr für die Probleme ihrer Kinder haben, es kommt nicht auf die Stärke an, gebt Querdenkern eine Chance, pass Dich nicht an um anderen zu gefallen, und gib Andersartigen auch eine Chance. Letzteres ist quasi eine Erweiterung der Querdenker-Lehre und wird in „How To Train Your Dragon“ (Originaltitel) ausführlich zelebriert, wenn sich Nachtschatten-Drache und Wikingerjunge näher kommen.
Der Drache bleibt ein Tier, ist nicht gleich intelligent wie ein Mensch, und der Figur des Hicks wird es nicht all zu leicht gemacht, eben weil er das Vertrauen des feuerspeienden Reptils auf realistische Art gewinnen muss, auf eine Art wie man es im realen Leben bei einem wirklich existierenden Tier auch müsste. Der Wandel vom furchteinflößenden, schwarzen Drachen zum sympathiegewinnenden Freund ist von den Animateuer gut eingefangen, erinnert an mancher Stelle mimisch jedoch an Stitch, dem Monster aus „Lilo und Stitch“. Das wundert jedoch wenig, sind doch beide Regisseure des hier besprochenen Filmes auch die vom besagten Disney-Werk.
Ohnezahn, wie Hicks den Nachtschatten nennt, ist ohnehin eine interessante Figur, spiegeln sich in ihr doch vielerlei Tiere wieder. Er hat viel von einer Katze, von einer Echse freilich auch, aber auch von einem Meerestier, wie dem Delphin. Andere Drachen weisen kleine Parallelen zu Schildkröten auf, und eine deutliche Übereinstimung ist auch zur Fledermaus zu erkennen, an deren Flug man sich ein wenig orientiert hat, wenn man Drachenmassen in und aus Höhlen fliegen lässt.
„Drachenzähmen leicht gemacht“, ein Animationsfilm den man sowohl in 2D als auch in 3D sichten kann, ist ein tolles Kinoerlebnis, dessen Wucht gerade auf der großen Leinwand zu wirken weiß, auch wenn man ein eher schmales Breitbild als Bildformat wählte. Der Film ist witzig, spannend, actionreich und fantasiereich. Er ist eine optische Wucht, und er ist von meiner Seite aus eine echte Empfehlung. Bleibt zu hoffen dass Dreamworks nach eher mauen Filmen wie „Madagascar“ seiner neu entdeckten Experimentierfreude treu bleibt. Denn Filme im Stile von „Shrek“ liefert die seit einigen Jahren hinzugekommenen Konkurrenz neben Pixar ohnehin schon zu genüge. Da tut Abwechslung sichtlich gut. OFDb
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