Ende der 80er Jahre und Anfang der 90er Jahre war die Zeit schlechthin in welcher im Kino Normalbürger in Thrillern Opfer von Psychopathen wurden, die das Privatleben der Zielperson unerträglich machten. Sei es auf Distanz als penetranter, lärmender Mieter den man nicht los wird, so wie es in „Fremde Schatten“ der Fall war, oder auf privaterer Ebene wie eine ihr Vorbild kopierende WG-Bewohnerin in „Weiblich, ledig, jung sucht...“ oder ein nicht verschwinden wollender Seitensprung a la „Eine verhängnisvolle Affäre“, man wurde die Quälgeister einfach nicht los, die einem ordentlich Schaden zufügen wollten.
1996 war es also höchste Zeit mit diesem Genre komödiantisch aufzuräumen. Ben Stiller, den die meisten als Komiker aus Hauptrollen kennen, führte kurz vor seinem Durchbruch mit „Verrückt nach Mary“ die Regie und bekam für die Rolle des Psychopathen Jim Carrey engagiert, der sich gerade auf seinem ersten Aufwind befand, zwei Jahre durch Werke wie „Ace Ventura“ und „Die Maske“ berühmt war, und der seiner Karriere fast hätte Lebewohl sagen müssen, nachdem „Cable Guy“ beim Publikum so gravierend abstank.
War er eines dieser verkannten Meisterwerke, die erst im Nachhinein zum Kultstatus werden sollten, weil er seiner Zeit mit der Kritik des Amis liebsten Kindes, dem TV, für das Massenpublikum zu kritisch umging? Nein, das kann man leider nicht behaupten. „Cable Guy“ leidet lediglich daran ebenso penetrant zu sein wie die zentrale Nervensäge, wie der deutsche Beititel die Figur des Chip etwas ungünstig nennt. Das macht Ben Stillers zweite Langfilm-Regiearbeit nicht ungenießbar, ist er doch nicht viel schlechter als der mit Spezialeffekten überschwemmte „Die Maske“, aber er hätte das Potential zu mehr gehabt, gerade wegen der sehr passenden Besetzung in der Psychopathen-Rolle.
Stiller ruht sich jedoch viel zu sehr darauf aus zwei extrem unterschiedliche Charaktere aufeinander knallen zu lassen, und den unsensiblen Part derart zu überzeichnen, dass er von Anfang an als unangenehm auffällt, und der rein vom Mitleid seiner Mitmenschen lebt. Auch ich kenne solche Menschen, und man muss nicht erst so eine ehrliche Haut wie Steve sein, um sie rein aus Mitleid zu sehr in sein Leben zu lassen, von daher ist das Grundszenario sogar aus dem Leben gegriffen. Was suchen solche Menschen auf penetrante Art Freundschaft, nicht begreifend was sie psychologisch und auf sozialer Ebene falsch machen, so dass sie immer bei neuen Leuten bei Null anfangen müssen.
Im Extremfall „Cable Guy“ mischt sich Chip in das Leben Stevens ein, macht ihm übertriebendste Geschenke, hilft ihm beim Zurechtrücken der in Scherben liegenden Partnerschaft und schenkt ihm Selbstsicherheit mit Hilfe einer Prostituierten, die der ahnungslose Steve für eine an ihm interessierte Frau hielt. Spätestens diese Aktion sorgt dafür dass Steve die Notbremse zieht. Nun hat er seine in Trennung lebende Freundin mit einer Nutte betrogen. Wie soll er der guten Frau dies erklären? Die Freundschaft zu Chip muss beendet werden.
Was Chip von da an treibt, passt ins Zeichen der Zeit und bereitete uns darauf vor was mittels der Technik in Zukunft noch viel einfacher zu vollbringen werden würde. Chip besitzt genügend Informationen und auch genug Quellen um an diese zu geraten, um Freundschaftsverräter Steve in Schwierigkeiten zu bringen. Fotos, private Videoaufnahmen, Stalking, das sind alles Themen der Moderne, die in „Cable Guy“ früh erkannt wurden und in der Extreme der Möglichkeiten später selbst in ernstzunehmenden Dramen wie „Homevideo“ thematisiert wurden, eben weil der Eingriff in die Privatsphäre mittels Internet Jahre später zu Möglichkeiten führte, mit denen man schwache Existenzen regelrecht zerstören kann.
Scheitert „Cable Guy“ daran dass er sich übernimmt, in dem er dieser Thematik zusätzlich jene des übermäßigen Fernsehkonsums hinzufügt? Nein, der Aspekt dass Chip seit Kindheit an so viel TV guckt, dass er den Bezug zur Realität verloren hat, ist nicht zu viel Fülle für eine simple, kleine Komödie, ist theoretisch sogar ein recht interessanter Ansatz, wenn auch nicht wirklich nötig für das bereits vorhandene Potential.
„Cable Guy“ krankt letztendlich daran all diese Bereiche viel zu unsensibel einzusetzen. Die TV-Moral wird gegen Ende zu sehr aufs Auge gedrückt, spätestens dann fragwürdig werdend wenn das Medium Buch mal wieder als etwas wertvolleres dargestellt wird als die olle Flimmerkiste. Die unangenehmen Seite einer Freundschaft mit Chip wird völlig unnötig mit einer viel zu langen Szene ins Extreme hochgehievt, wenn Steve sich während eines Mittelalter-Kampfes gegen den realitätsfernen Gewalttäter zur Wehr setzen muss. Und es gibt der Beispiele noch sehr viele mehr zu nennen, in welcher „The Cable Guy“ einfach subtiler hätte umgesetzt werden müssen, um ihn ernster nehmen zu können, etwas das Ben Stiller trotz aller Komik und trotz ewiger Grimassenschneiderei Jim Carreys durchaus am Herzen lag.
Dieses in die Kacke hauen, wie man es definitiv nennen kann, nimmt „Cable Guy“ nicht nur seine Möglichkeiten zur Tiefe, er nimmt den Situationen auch die Möglichkeit zur Identifikation, womit nur Figuren in ihrem Stereotype-Kostüm innerhalb einer hanebüchenen, zur Groteske überschwemmten Geschichte bleiben, welcher der nötige treffsichere Satiregehalt fehlt um auch als Groteske zu wirken, anstatt zum Nonsens-Klamauk mit Thriller-Touch zu werden. „Cable Guy“ ist zu unsensibel, zu penetrant, und in dieser Art zwar noch immer überraschend guckbar, aber nicht wirklich kurzweilig unterhaltend. Ein Glück, dass dieser Film nicht der Karriere Jim Carreys schaden sollte, erwies der sich den blindesten der blinden Cineasten doch spätestens in „Der Mondmann“ sichtbar endgültig als großes Schauspiel-Talent, das zu mehr fähig ist als zur reinen Grimassenschneiderei. OFDb
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