20.04.2014

AUCH MARSMENSCHEN HABEN HUNGER (1999)

Darf man einer attraktiven Frau trauen, die einem gewöhnlichen Angler im Grünen mit sehr direkten Worten den Beischlaf anbietet? Natürlich nicht, in Horror- und Invasionsfilmchen endet dies immer tödlich, und so ergeht es auch dem Mann, der zunächst dachte seine Frau hätte ihm mit diesem Angebot einer Fremden eine Falle stellen wollen. Falle ja, Ehefrau nein!

Wenn die eigentliche Geschichte beginnt, bekommen wir einen Sendemast gezeigt, eine Huldigung an R.K.O., einer Filmfirma, die uns in der Vergangenheit so einige Horror- und Science Fiction-Filme beschert hat. Es gibt eine Überblende auf eine Kirchturmspitze, ein Verweis auf „Die Rocky Horror Picture Show“, jenem Film, der in den 70er Jahren Alienfilmchen auf seine ganz eigene Art parodierte und nebenbei in Wort, Bild und Musik R.K.O. gedachte.

Die Rocky Horror Picture Show“ war seinerzeit sehr modern, verfolgte einen solch eigenen Stil, dass er sich selbst heute noch unverstaubt schaut. Das sind alles Fakten, die nicht zum Stil von „Auch Marsmenschen haben Hunger“ passen. Also distanziert man sich vom bisher zitierten Streifen und orientiert sich stattdessen auf die Werke der 50er und 60er Jahre, der Zeit der naiven Autokino-Unterhaltung. Eine Zeit, in welcher das Kino andere Werte vermittelte bzw. allgemein für ein ganz anderes Weltbild stand als das US-Kino danach.

Wie stark man sich in der Invasoren-Parodie von Regisseur Paizs auf die Naivität, auf das Banale stützt, zeigt bereits die Bezeichnung der Aliens, die hier nostalgisch Mondmänner genannt werden. Und um nebenbei die politische Korrektheit heutiger Zeiten mit zu verarschen darf der Anhang „und Mondmädchen“ nicht fehlen, ein zweifacher Arschtritt. Männer und Mädchen, die erste Degradierung der Frau, und die lange Pause zwischen der Bezeichnung Mondmänner und dem weiblichen Anhang gibt diesem wunderbaren Running Gag das Sahnehäubchen.

Parodiert werden Filme aus dem phantastischen Bereich, jene Werke, die uns zwar bizarre Monster und naiven Grusel bescherten, aber gleichzeitig auch den Zuschauer zum braven Bürger erziehen sollten. Auf die Regierung war Verlass, die Wissenschaft arbeitet einzig zum Wohle der Menschheit und dies im Gleichgewicht mit dem rechten Glauben an Gott, dessen Krone der Schöpfung der Mensch ist. Dieser ist jederzeit Herr der Lage dank kühlem Kopf und kühnen Taten.

Dieses veraltete und manipulative Weltbild macht viele Filme von damals unfreiwillig komisch. Was liegt also näher um in einer Genreparodie genau in diesen Elementen zu baden, um freiwillige Komik zu ernten? Das ist eine gute Idee, die mit zu viel Klamauk schnell eine schlechte hätte werden können, wenn die Köpfe hinter diesem in Deutschland etwas falsch benannten Film nicht eine tolle weitere Idee gehabt hätten.

Sollte jemand „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ kennen, hätte man das passendste Beispiel. Nach dem ersten Drittel wird dort die Rolle Leslie Nielsens eingeführt, deren Witz es war jegliches Klischee dort parodierter Filme todernst zu verkörpern. Die Stimme war streng, die Körperhaltung steif, der Mann strahlte keinen Funken Humor aus. Und das war genau der Kniff. Damit wurde die Rolle Nielsens zu einer der lustigsten des Films überhaupt.

„Auch Marsmenschen haben Hunger“ bedient sich nun dieser Idee, baut sie jedoch nicht bei einer speziellen Figur ein, sondern macht dieses ernsthafte Verarschen von Klischees zum Konzept des kompletten Films. Wir erleben hier den umgedrehten Fall. Ausnahmefiguren, wie die Rolle des Tom Everett Scott, dürfen ab und an sichtlich albern spielen. Der Rest bleibt ernst und beherrscht, so als würde man sich noch immer in den vergangenen Kinotagen befinden, als solche Lichtspielmomente Alltag waren.

Ein wenig erinnert der Stil an den einige Jahre später erschienenden „Fido“, einer Zombie-Komödie, die auf ebenfalls recht nüchterne Art diese Zeit parodierte. Allerdings orientierte man sich dort mehr an den blinden Glauben der Regierung, die es sicherlich nur gut mit einem meint. „Auch Marsmenschen haben Hunger“ orientiert sich mehr am Invasionsfilm selbst, was ihm aber keinesfalls sein satirisches Potential raubt.

Wenn der pfeiferauchende Wissenschaftler, dessen Berufsbezeichnung Atomphysiker jedes mal in einem Atemzug mit seinem Namen genannt wird, seinen blinden Glauben an die Regierung betont, dann geht das Rezept auf. Nüchterne Sprüche wie „Dann hat sich die Regierung wohl mal ausnahmsweise geirrt“ aus dem Mund eines Gelehrten haben gleich doppelte Wirkung, zumal die Wissenschaft in alten Invasionsfilmchen immer erst nach der Regierung und dem Militär die dritte Geige spielte und nichts wirklich zu melden hatte.

„Top Of The Food Chain“, der passendere Originaltitel des hier besprochenen Films, ist in seiner Art so konsequent und wirkungsvoll zugleich, weil er immer wieder mit sehr grotesken und absurden Ideen arbeitet, die der steifen und bierernsten Art noch mehr Humorpotential gibt als ohnehin schon. Wenn eine homosexuelle Liebesszene angedeutet wird, ein Stadtgeheimnis gelüftet wird, Puppen-Doubel in der Wanne hocken, ein Zahnstocher zum Täter führt und Wäsche falten zum höchsten Liebesbeweis wird, dann macht der ganze Unsinn durch das Konzept der Komik doppelt Spaß.

Versteht man den Humor, was trotz der offensichtlichen Art nicht zwingend sein muss, verzeiht man dem Film auch mangelnde Schauwerte. Die Aliens darf man erst spät sichten, was jedoch auch geradezu typisch für die 50er und 60er Jahre-Filmchen war, die hier parodiert werden. Leider, und das ist der einzige Wermutstropfen dieses wundervollen Streifens, werden die Eindringlinge recht modern umgesetzt. Computereffekte durfte man zuvor nur auf schlichte Art sichten, im Finale darf man die fremde Spezies in ihrer komplett modernen Art bewundern. Hier wären Gummianzug und handgemachte Tricks eines überholten Monsters passender gewesen.

Doch dieses Manko erscheint erst spät, und bis dahin hat der Film entweder das Herz des Zuschauers erobert oder ihn vom Fernsehsessel vertrieben. Denn eins ist Paizs Film sicherlich nicht: ein Werk fürs breite Publikum. Hier werden nur wahre Cineasten glücklich, Freunde alter Invasionsfilmchen, Anhänger der Werke von David Lynch, Freunde grotesken und gleichzeitig albernen Humors, einfach Menschen, die genug von der Massenware aus dem Kino haben und gerne erleben zu wie viel mehr Kino fähig ist in seiner Erzählvielfalt. „Auch die Marsmenschen haben Hunger“ ist schlichtweg ein Liebhaberstück.  OFDb

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