Wir sind eine Gesellschaft von Konsumenten, also Menschen die genaue Vorstellungen von dem haben was sie wollen. Da wir uns zudem gerne reden hören, ist es kein Wunder dass inmitten der vielen Verkupplungs-Geschäftsideen auch das Speed-Dating entstehen musste, welches beide Bereiche zentriert auf den Punkt bringt. Verletzlich darf man nicht sein, wenn man sich einer solchen Sache stellt. Unterschiedlichste Mentalitäten treffen aufeinander um nur für kurze Zeit miteinander zu kommunizieren. Der Mensch bietet sich als Produkt an, in einem Mix aus Verzweiflung und Hoffnung. Doch wie will man den emotionalen Partner kennen lernen, wenn emotionale Härte bereits zum Grundprogramm dazu gehört?
So moralisch bzw. kritisch wie ich meinen Text einleite geht „Shoppen“ trotz seines sehr kritischen Titels gar nicht mit der Methode des Speed Datings um. Hier wird nichts verschönt, keine Frage, aber der Autor und Regisseur Ralf Westhoff schaut eher distanziert auf die bunte Schar Charaktere. Und er hat die Menschen in den Großstädten gut beobachtet, so individuell wie ein Jeder wirkt und positive wie negative Eigenschaften zu solch einem Treffen mitbringt, auch wenn man nur sein Bestes nach außen preisgeben möchte.
Wir erleben schöne und weniger schöne Momente. Wir erleben Ehrlichkeit und Lüge, Selbstreflexion und Selbstlüge, Sicherheit und Unsicherheit, ein Wechselbad der Gefühle, Nichtigkeit und Wichtigkeit. Quasi all das was der Mensch in seiner Gesamtheit und Unterschiedlichkeit ist, spiegelt „Shoppen“ wieder und fühlt sich dabei so echt an, dass man glaubt hier würde jeder sich selber spielen.
Man beginnt die Menschen hinter ihrer Fassade kennen zu lernen. Man genießt die Unterschiede, versteht andere Mentalitäten, beginnt zu mögen wen man sonst nicht mag, lernt die Ängste und Schwächen des anderen kennen, lernt Vorurteilen zu widerrufen. Man beginnt die Figuren in „Shoppen“ derart zu mögen, dass der Gedanke daran dass der Film irgendwann endet traurig stimmt. Ewig hätte ich ihnen zuhören können. Nicht wie Anfangs darauf bedacht rein intelektuell guckend wer wie mit wem kommunizieren kann. Sondern einfach Teil haben dürfen an der Gedankenwelt eines jeden einzelnen.
Während man bei „Big Brother“ gedankenlosen Selbstdarstellern in ihrer Leere zuhören darf, werden in „Shoppen“ scheinbare Selbstdarsteller zu interessanten Wesen, denen man Empathie entgegen bringt. Da werden Selbstgerechtigkeit, Unflexibilität und übertriebene Vorstellungen ebenso verkörpert wie Einfältigkeit, Naivität und Natürlichkeit. „Shoppen“ schenkt uns das Ganze Spektrum der Gesellschaft in komprimierter Form, freilich nur auf Singles bezogen, die in einer Welt aufgewachsen sind, in denen ihnen die Leere des Alleinseins wie ein bleierndes Gewicht eingeredet wird.
Etwa 2/3 des Films handeln vom Speed-Dating selbst, danach spielen wir Mäuschen bei den einzelnen Dates zu denen es kommt. Erfolge gibt es ebenso wie Misserfolge, selbst Romantik darf ab und an in der Luft liegen. Es ist erstaunlich wie Westhoff es geschafft hat einen objektiven Blick und Emotionen in einem Werk so lebensecht zu kombinieren. Ihm ist damit ein großer Film gelungen, voll von Alltagskomik und Alltagstragik, von Wünschen und Träumereien und von der knallharten Realität, ein Film der einem mal wieder bewusst macht was es eigentlich heißt Mensch zu sein und wie ähnlich wir uns doch eigentlich sind, selbst wenn wir sehr unterschiedlich sind. So realistisch wie „Shoppen“ ausgefallen ist, steht selbstverständlich auch der kritische Blick des Speed-Datings im Raum. Aber dieser Aspekt ist erfreulicher Weise nicht Zentrum des Streifens, sondern nur Teilaspekt des Gesamten, nur ein Mosaikstein in der komprimierten Darstellung der Wertewelt der Großstadt-Singlegesellschaft. OFDb
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