22.10.2017

NOSFERATU - EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922)

Als F.W. Murnau ohne die Rechte am Stoffe „Dracula“ zu besitzen sich Anfang der 20er Jahre heranmachte die erste Verfilmung des brühmten Vampirromans unter einem anderen Namen fertigzustellen, da interessierte er sich nicht für den Aspekt der Verführung und der Lust. Sein Dracula sollte nicht edel auftreten wie die Schauspieler, die in den vielen kommenden Verfilmungen des Stoffes den Part des Blutsaugers übernahmen. Sein in Graf Orlok umbenannter Obervampir konnte nach Außen das sein, was er auch im Inneren war: ein Monster. Und dementsprechend schauerlich ist das Aussehen, ja sogar das komplette Auftreten Max Schrecks in diesem Frühwerk ausgefallen. Orlok weiß zu gruseln, ihm möchte man wahrlich nicht gegenüber stehen.

Murnau nutzte den Stoff um etwas hervorzuheben, mit dem man sich zur Entstehungszeit, nicht nur aufgrund des ersten Weltkrieges, damals noch näher identifizieren konnte als in heutigen Zeiten: den Aspekt der Seuche, den Blick auf die Ausbreitung des Todes, den Vampir als Sinnbild des Verursachers einer Epidemie. So glaubt man in „Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens“ die Pest gehe um. Lediglich ein Professor ahnt die wahre Ursache, wird als Person erstaunlicher Weise jedoch nicht derart in den Fokus gerückt wie Hutter und Orlok. Weitere Figuren wirken fast nebensächlich und scheinen nur der jeweiligen Phase der Geschichte zu dienen. Orloks Taten und das Nachwirken dieser stehen im Vordergrund. Dem wird der Drang zur Rettung Hutters gegenüber gestellt. Dessen Verlobte wird die finale entscheidende Beute der Geschichte. Sie muss errettet werden und bleibt dementsprechend passiv in ihrem Verhalten und ihrer Wirkung zurück.

„Draculas Erbe“ (Alternativtitel) ist die meiner Meinung nach bislang gelungenste Verfilmung des berühmten Stoffes, weiß Murnau die Geschichte doch in schaurige und beeindruckende Bilder einzufangen, die einem noch lange nach der Sichtung in Erinnerung bleiben. „Graf Draculas Gruselkabinett“ (Alternativtitel) ist ein Kunstwerk, ein beeindruckendes Stück Filmgeschichte, welches heute noch so intensiv wie früher zu wirken weiß, in der neuen Komposition, wie sie bei einer Arte-Aufführung zu hören war, gar intensiver wirkend als mit der klassischen Hintergrundmelodie versehen.

„Nosferatu“ ist glücklicher Weise gleichzeitig aber auch kurzweilige Unterhaltung und nicht aufgrund des Kunstaspektes und seines hohen Niveaus wegen übertrieben verkopft ausgefallen oder gar anstrengend zu sichten. Die Zeit verfliegt geradezu, so dass sich Murnaus Vampirfilm perfekt als Einstieg in den Bereich des Stummfilmes eignet, für Cineasten die sich mit dieser Frühphase bislang schwer tun. Wer sich an diese „Dracula“-Verfilmung heranwagt, wird sich wundern wie effektiv sie zu wirken weiß und wie früh es wem Filmschaffenden gelang einen der besten Horrorfilme aller Zeiten zu kreieren. Verteidiger der sehr müde ausgefallenen 30er Jahre-Verfilmung mit Bela Lugosi verweisen gern auf die frühe Entstehungszeit um die Schwächen der Zweitverfilmung zu entschuldigen. Murnau bewies jedoch fast 10 Jahre zuvor, dass diese Ausrede nicht gilt.

Er zeigte wie eine Verfilmung des berühmten Romans von Bram Stoker auszusehen hat, in dessen Schatten nach wie vor alle weiteren Verfilmungen stehen, egal wie gut oder schlecht sie ausgefallen sind. Man kann von Glück reden, dass es der Witwe Stokers nicht gelang alle Kopien dieses Werkes zerstört zu bekommen, wie es aufgrund der Urheberrechtsverletzung zunächst angeordnet wurde. Wir wären sonst heute nicht mehr im Besitz dieses Vorzeigewerkes seiner Thematik und könnten nicht über dieses visuell und effektiv brillant ausgefallene Stück Gruselfilm staunen, welches Murnau glücklicher Weise nicht nur in Studiokulissen aufnahm - ein weiterer Aspekt warum sich der fertige Stoff so intensiv schaut.  OFDb

1 Kommentar:

  1. Habe im Zuge des #Horrorctober letztens mal wieder die Bela Lugosi Verfilmung gesehen und kann nur zustimmen. Die hat zwar auch ihren Charme, aber Max Schreck als Nosferatu ist tatsächlich echt schrecklich (sorry für das Wortspiel).

    AntwortenLöschen