30.10.2018

BELLADONNA (1973)

"Belladonna" ist der letzte Teil einer ungewöhnlichen Trilogie. Allerdings kann ich ihn nur losgelöst der anderen beiden von Eiichi Yamamoto inszenierten Filme besprechen, sind sie mir doch nicht bekannt. Erst mit der Vorbereitung zu meiner Besprechung erfuhr ich überhaupt, dass es diese Vorgänger gibt. Da sie inhaltlich jedoch losgelöst vom hier besprochenen Werk existieren (die Titel "A Thousand and One Nights" und "Cleopatra" sagen es bereits), dürfte das auch ziemlich egal sein. Obwohl mich die Frage sehr wohl reizen würde, ob diese beiden Werke so interessant und grenzwertig zugleich animiert sind, wie es "Belladonna der Trauer" (Alternativtitel) ist, kommt man aus dem Staunen doch nicht heraus wie hier unterschiedliche künstlerisch hochgradig wertvolle Zeichenstile durcheinander gewirbelt werden und dem Zuschauer Bilder zaubern, die wahrlich zu faszinieren wissen. Mag die Geschichte auch eher schlicht, traditionell und episodenhaft ausgefallen sein, letztendlich ist sie ohnehin fast egal, gibt man sich doch all zu gern dem Bilderrausch hin, der einen schnell in seinen Bann zieht.

Das schafft er selbst dann, wenn man manchen sexuellen Aspekt, von dem es in "Belladonna of Sadness" (Alternativtitzel) zu genüge gibt, als etwas arg pseudo-provokativ oder lächerlich empfindet, manchmal arg nah an Altherren-Gelüsten orientiert, revidiert sich im Laufe der Zeit doch dieser Eindruck und der sexuelle Aspekt bekommt tiefere Bedeutung, sowie er ohnehin stets auch ein tatsächlich wichtiger Aspekt für die Geschichte ist, vordergründig wie analytisch. Dabei schaffen es die Verantwortlichen der Animationen immer wieder sexuelle Praktiken überdeutlich symbolisch aufzuzeigen, ohne je tatsächliche pornografische Bilder abzuliefern. "Belladonna" ist nicht nur inhaltlich ein Fantasiefilm, auch seine Bilder scheinen einer bizarren, düsteren und lüsternen Traumwelt entsprungen, so dass Farben und Formen ebenso zu Symbolen werden wie Figuren und Gegenstände. Dies freilich nicht nur sexuelle Aspekte betreffend, denn mag der amouröse Touch auch wesentlicher Bestandteil der Geschichte sein (wenn zu einem guten Teil auch nicht erotisch gemeint), so steckt die Erzählung doch auch voll von Tragik und düsteren verschlungenen Fantasypfaden, die alle vom Bilderrausch zehren.

Der lässt die Kunstversuche eines "Fantasia" locker hinter sich, erinnert in seinem psychedelischen Spiel eher an "Yellow Submarine" und hinterlässt ähnlich wie dieser den Eindruck die Künstler hätten LSD benötigt, um zeigen zu können was sie hier bizarres zeigen. Allerdings verweist der Titel Belladonna bereits auf eine andere Droge, die schwarze Tollkirsche. Ob dies ein Beweis dafür ist, dass die Zeichner im berauschten Zustand gearbeitet haben, sei aber einmal dahingestellt, immerhin werden Künstler gerne unterschätzt auch im klaren Zustand beeindruckende Werke zu kreieren, und passt Belladonna in seinen Eigenschaften als gern auch zu Vergiftungen führende Droge doch hervorragend zur späten Charakterentwicklung der im Zentrum stehenden Jeanne. Sinnbild ist die Droge hier also ganz bewusst, was wiederum den gewagten Zeichenstil legitimiert, so dass inhaltlich, analytisch und künstlerisch alles durchdacht ineinander greift. Wer mit eingeschaltetem Kopf zusieht und sich nicht nur berauschen lässt, der wird bemerken wie wohlüberlegt gewählt besagte, oft surreal scheinende, Bilder sind. Hier wurde nicht wild drauf los gearbeitet, die Erschaffer des Filmes mussten das Konzept bei klarem Verstand verfassen, lediglich das Publikum darf sich einem Rausch hingeben.

Eigentlich habe ich den Film großteils nur theoretisch wahrgenommen. Ich konnte mich nicht wirklich in diesen Sog aus Gewalt, Sex und Sehnsucht hineinträumen, bzw. mich in diesen hineinreißen lassen, was nicht bedeutet, dass mich das Werk nicht beeindruckt hätte, das hat es von Beginn an sehr wohl. Aber erst gegen Ende, als die Gefühlswelt der mir sonst zu distanziert wirkenden Jeanne auch mich in ihren Bann riss, da konnte ich mitfühlen. Am besten gefiel mir gegen Ende diesbezüglich dass die brennende Jeanne (orientiert an Jeanne d'Arc, während der Großteil der Geschichte eher auf einem Originalkonzept von Osamu "Astro Boy" Tezuka beruht) nicht einfach nur niedergebrannt wird, ihre düstere Ader genießt diese Prozedur regelrecht, was sich u.a. in den sinnlich um ihren Körper schlingenden Rauchschwaden zeigt, ein wahrlich großartiger Moment in einem Film, der eigentlich ohnehin nur aus solchen besteht. Dies betrifft übrigens auch die sehr gut gewählte Filmmusik, die bis auf kleine Ausnahmen ebenfalls nur passend unterstützende Highlights präsentiert. Auch die Botschaft ganz zum Schluss weiß zu gefallen, die ich mir vereinfacht für meine Überschrift dieser Review zu eigen gemacht habe, um nicht noch mehr zu spoilern als ohnehin schon.

So bleibt ein rundum gelungener Film der völlig anderen Art, der wieder einmal zeigt wie vielschichtig Kino sein kann, wenn man es finanziell wie intellektuell nur einmal zulässt. Mag der Zeichenstil ihn auch in den Bereich des Experimentalfilms hinein zwängen, eigentlich folgt der Film mit seinen ablenkenden Bildern einer zu geradlinigen Geschichte, bzw. einer zu klar verlaufenden Charakterentwicklung, als dass er wirklich zu diesem Genre passen würde. Aber da die Ablenkung der dominierende Teil dieses Filmes ist, geht die Einordnung in diese Kategorie dennoch in Ordnung. Erwähnenswert wäre zum Schluss vielleicht noch, dass auch die japanische Synchronisation sich der hohen Qualität des Restfilmes anschließt. Der lediglich im Originalton mit deutschen Untertiteln versehene Film wäre von den Charaktereigenschaften seiner Figuren her selbst dann inhaltlich zu verstehen, wenn es keine Untertitel gäbe, so stark wissen die Stimmen den Charakter der Figuren und ihre Antriebe widerzuspiegeln. Spätestens zusammen mit den mal klaren und mal symbolischen Zeichnungen könnte man die Geschichte, wenn auch etwas zu grob, auch ohne ein Wort zu verstehen begreifen.  OFDb

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