„Kick-Ass“ war eine kunterbunte und gleichzeitig bluttriefende Wundertüte am Kino-Himmel, genau jener Einfallsreichtum den ich in einem Blockbuster längst wieder sichten wollte, ein wirrer Genre-Mix, clever erzählt, mit echten Charakteren versehen und einem hohen Unterhaltungswert gesegnet. Dass ein solch vorbildliches Ergebnis so leicht nicht zu wiederholen ist, ist klar, und so brauchte man bei der Fortsetzung nicht ernsthaft mit einem vergleichbaren Ergebnis zu rechnen. Und mit diesen heruntergeschraubten Erwartungen an „Kick-Ass 2“ heranzugehen ist genau die richtige Einstellung, denn auch er bereitet genügend Freude einen über seine Lauflänge lang gut zu unterhalten.
Allein dass Hit-Girl ein normales Leben führen soll ist das Reinschalten schon wert. Zwar ist Kick-Ass mittlerweile ein halbwegs gleichwürdiger Partner als Superheld auf dem Bildschirm, aber die interessantesten Momente bekommt weiterhin Mindy beschert, die uns diesmal das Mädchen hinter der Hit-Girl-Maske präsentiert. Das ist auch die richtige Entscheidung, haben wir Dave doch in Teil 1 genauestens kennen gelernt, der kann sich nun seinem merkwürdigen Hobby widmen. Nun lernen wir die Gefühlswelt der Mindy kennen. Und war ich noch am Zweifeln ob Hit-Girl als Teen so gut wirken kann wie als kleines Mädchen, so verstreuten sich zumindest diese Befürchtungen Mindy betreffend. Die Hit-Girl-Szenen waren tatsächlich in Teil 1 besser, aber auch sie, diesmal weniger vorhanden, wissen aufgrund origineller und blutiger Einfälle zu gefallen. Aber die Hit-Girl-Persönlichkeit tritt diesmal ein wenig zurück, um der Mindy-Persönlichkeit mehr Raum zu geben. Da werden einige sicher drüber schimpfen, mir hat diese Entscheidung jedoch sehr gut gefallen.
Unverständlich ist mir dagegen das Verheizen von Jim Carrey an Bord, dessen Charakter nicht genügend Screentime beschert bekommt um mehr zu werden als ein Stichwortgeber. Das ist nicht wirklich schlimm für die Geschichte, zumal spätestens sein Hund für einige Lacher gut ist. Warum man sich für eine solch unwichtige Rolle jedoch einen der talentiertesten Männer Hollywoods aussucht, kann ich nicht verstehen. Er als Anführer der Superheldenvereinigung teilt damit jedoch das Schicksal jeder neuen Nebenfigur. Alle sind für den kurzen Gag aufgrund ihrer schrillen und kaputten Art für einen Schmunzler gut, lediglich herausstechen tut jedoch nur Hit-Girls End-Gegnerin aus Russland.
Schicksalsschläge wie in Teil 1 gibt es auch zu erleben, die sind zwar nicht ganz so dramatisch herausgearbeitet wie dort, finden gerechter Weise diesmal aber an der Seite Davids statt, womit die erzählerischen Momente zwischen ihm und Mindy endgültig im Vergleich zu Teil 1 vertauscht werden. Dass einem das ganze nicht trotzdem wie eine schlichte Wiederholung von Teil 1 vorkommt, liegt an der völlig anderen Orientierung der Geschichte, dürfen wir doch z.B. den ehemaligen Red-Mist beim Aufbau der ersten Superschurken-Bande beobachten, was schon einiges an inhaltlichem Raum einnimmt.
Als Motherfucker ist er leider zur vollkommenen Witzfigur heruntergekommen. Zwar sind die Lacher auf seiner Seite und Christopher Mintz-Plasse wie gehabt eine gute Besetzung, aber der Motherfucker wird nicht zum würdigen Endgegner, womit ein Ungleichgewicht im Finale entsteht, zumal Kick-Ass mittlerweile zum ernstzunehmenden Superhelden geworden ist, sofern man davon in der realen Welt sprechen kann. Ohnehin ist der Bezug zur realen Welt diesmal einer der Haupteckpfeiler der im Hintergrund ablaufenden Geschichte, fragt sich Kick-Ass bei der seinem Beispiel folgendem Bande und noch mehr bei dem Trupp Psycho-Gegner, die wie eine Horde verkleideter Hooligans herüberkommen, ob er mit seinem Gedanken Superheld zu werden tatsächlich die Welt verbessert oder doch nicht eher verschlechtert hat. Die Frage ist berechtigt, je tiefer man in das oberflächliche Geschehen hineintaucht.
Die meisten Zuschauer werden das nicht. Sie werden sich an der kurzweiligen Geschichte laben, die ihren Humoranteil ein wenig zurückgeschraubt hat und mehr Raum für die Action bietet, die mal wieder recht gewalttätig daherkommt, wenn auch nicht so extrem wie es in der Comicvorlage der Fall sein soll. Etwas schade finde ich es, dass die Geschichte sich diesmal nicht so professionell entfaltet wie in Teil 1 geschehen. Der Ablauf findet recht überraschungsfrei statt und verfolgt eigentlich nur eine schlichte Erzähllinie. So qualitativ wie der Vorgänger ist diese Herangehensweise nicht. Zumal es unverständlich ist, die Regie auszutauschen, nachdem Matthew Vaughn mit „Kick-Ass“ solch ein Meisterwerk ablieferte. Zumindest bleibt das hier Gesehene der Mentalität von Teil 1 treu, das heißt es geht politisch ordentlich unkorrekt zur Sache, es weht ein Hauch Anarchie und es geht wieder darum, dass das wichtigste in einer Gesellschaft die Individualität der einzelnen Menschen ist.
„Kick-Ass 2“ weiß zu gefallen, wird nie langweilig und erzählt die Geschichte der Charaktere aus Teil 1 würdig weiter. Zwar ist der Stil des Streifens etwas infantiler ausgefallen (wahrscheinlich wollte man das finanzstarke Jugend-Publikum endgültig an Bord holen), was seinen Tiefpunkt in einer Fäkalszene erfährt, die glücklicher Weise Ausnahme bleibt, aber Tiefgang und das richtige Gespür für Situationen und Personen ist durchaus vorhanden. Gerade das Beispiel Hit-Girl macht dies deutlich. Eroberte sie als Mädchen in Teil 1 das Herz der Comic-Freaks, so darf sie, da Persönlichkeit gewinnend und zur jungen Frau herangewachsen, diesmal die Herzen der männlichen Teenager erobern, was nicht nur dem niedlichen Aussehen von Darstellerin Chloe Grace Moretz zu verdanken ist. OFDb
Zwar ist die Geschichte des zweiten Teils längst nicht so verästelt und gekonnt miteinander verbunden wie die von Teil 1, etwas weniger linear als von mir anfänglich behauptet ist "Kick-Ass 2" aber durchaus. Der Niveau-Abstieg gegenüber Teil 1 ist also nicht ganz so extrem wie nach dem ersten Gucken wahrgenommen.
Treffende Rezension, die berechtigten Kritikpunkte sind erwähnt. Man kann den Film mehr oder weniger gut finden, je nachdem, wie schwer man die Kritikpunkte gewichtet. Ich hab' sie in meiner Rezension etwas stärker gewichtet, mich in der Pressevorführung des Films aber dennoch annehmbar unterhalten gefühlt.
AntwortenLöschenGruß,
Volker Schönenberger
Die Nacht der lebenden Texte