19.07.2014

THE ROOST - ANGRIFF DER FLEDERMÄUSE (2005)

Eigentlich wollte ich damals nur ein kleines Trashfilmchen zur kleinen Unterhaltung zwischendurch schauen. Der Name Ti West war noch nicht bekannt, und der Film lief auf arte in der Trash-Reihe, ein Format das uns schon unterirdichste Schrottperlen wie "Invasion der Bienenmädchen" bescherte, allerdings auch ein Forum, welches unter der Bezeichnung Trash Filme wie "Die Nacht der lebenden Toten", "Zombie 2" und "Suspiria" zeigte, Werke weit weg vom Gedanken an Cine-Müll. Und zu dieser letztgenannten Kategorie zählt auch diese kleine Perle, die sicherlich nicht für das große Massen-Publikum gedreht wurde und zugegeben mit Trash-Elementen spielt. Stilistisch zeigt sich jedoch Können.

Zunächst einmal kann man „The Roost“ ganz klar als Kunst bezeichnen. Es ist unglaublich faszinierend wie West mit einzelnen Elementen des Filmschaffens umgeht. Da sind Spielereien mit Licht und Schatten vorhanden, ein Kunstbereich der seit des Stummfilms nichts an seinem Reiz verloren hat, und auch sonst wird hier sehr ordentlich auf andere optische Art mit der Kamera gearbeitet. Meist hält sie ruhig drauf, auch oft bei scheinbar simplen Einstellungen, wie einem Haus im Dunkeln, manchmal gibt es alternativ aber auch sehr langsame Schwenks.

Als Anlehnung an Tobe Hoopers berühmten Elektrowerkzeug-Horror bekommen wir in kurzen Schnappschüssen ein totes Tier gezeigt. Das ist dann auch schon das einzig hektische des Hauptfilms. Ansonsten wird wie erwähnt sehr ruhig gefilmt, negativ fallen dabei nur einige ganz wenige Schwarz/Weiß-Szenen auf, und das auch nur weil sie unnötig und etwas zu gewollt wirken. An sich ist der ganze Film sehr auf Dunkel gehalten in einem etwas dreckigen Farbton. Die Helligkeit des Filmes kommt nur durch echte vor Ort enthaltende Lichtquellen zu stande: durch die Außenbeleuchtung eines Hauses, eine Taschenlampe und Autoscheinwerfer.

Ganz selten sieht man Aufnahmen wie durch einen Camcorder gefilmt. Auch diese Szenen sind in Schwarz/Weiß gehalten, sollen vielleicht etwas an "The Blair Witch Project" erinnern (was nicht der einzige Verweis auf diesen Hexenfilm wäre), aber sie wirken so unnötig wie besagte andere Szenen mit völligem Farbverzicht. Glücklicher Weise sind solche Momente so selten enthalten, dass sie den künstlerischen Wert dieses besonderen Filmes damit nicht kaputt machen.

Diesen Wert erhält „The Roost“ zudem mit dem Spiel der Sehgewohnheiten des Zuschauers, die ständig bewusst provozierend ignoriert werden. Die Reihenfolge wann etwas im Bild zu sehen ist, ist oft umgekehrt der Reihenfolge eines gewöhnlichen Filmes. Oft wird urplötzlich die Einstellung geändert, nicht selten ertappt man sich als Zuschauer dabei sich neu orientieren zu müssen. Auch Räumlichkeiten müssen vom Zuschauer manchmal erst erkannt werden, um sich dann wieder orientieren und auf den Film einlassen zu können. Hin und wieder erzielt West besagte Verwirrung auch mit Ton-Spielereien.

Manchmal werden Geschehnisse eingeleitet, dann abrupt abgebrochen und erst viel später wieder eingebracht. Bestes Beispiel hierfür ist das ältere Ehepaar zu Beginn der Geschichte, eine Geschichte deren Handlung sich recht schrottig liest: Menschen werden von Fledermäusen gebissen und verwandeln sich dadurch in Zombies. Was klang das lustig, als ich es in der TV-Zeitschrift las und meine Vorfreude auf Trash damit aktiviert wurde. Der Clou an „The Roost" ist jedoch, dass er nicht nur wegen seines Kunstgehaltes keinesfalls ernsthaft trashig wirkt, die so bekloppt klingende Story wird ziemlich ernst präsentiert, indem man den Anteil an Fledermaus- und Zombieattacken gering hält.

Mit dieser Zurückhaltung wird eine enorm dichte Atmosphäre kreiert, und dass aufgrund dieses Minimalismus auch Erklärungen und Hintergrundinformationen fehlen, ist in diesem Film überhaupt nicht schlimm. Was zählt ist was im Hier und Jetzt passiert, und ähnlich wie ein „Cloverfield"-Szenario bekommt man nun einmal nicht jederzeit überall jeglichen Zusammenhang beisammen. Die Teens sind mitten in der Einöde, es geht um Leben und Tod. Sie sind weder Forscher, noch befinden sie sich an einem Ort, an dem das Grauen einst los ging. Ein Zuschauer, der üblicher Weise alles erklärt kriegen muss, muss sich damit abfinden, dass er in „The Roost" allein gelassen wird.

Die von Ti West eigenhändig komponierte Musikuntermalung besitzt eine leichte Ähnlichkeit zu der von "Psycho", jedoch mit wesentlich schrägeren Tönen versehen. Streckenweise ist es richtige Terrormusik die auf den Zuschauer herab regnet, immer passend zur Atmosphäre im Film. Dass diese Terrormusik ertönt, wenn der Protagonist Unbehagen fühlt, und nicht erst wenn äußerlicher Terror stattfindet, ist eine der vielen kleinen Raffinessen die Ti Wests ersten Langfilm die besondere Note bescheren. Ich wünschte ich könnte über die Musik im Abspann ähnlich positives verkünden, aber die wirkt in ihrer Art so unnötig, wie seinerzeit das Abschluss-Lied des ersten Kinofilms der "Addams Family".

Die Darsteller spielen ihre Rollen ordentlich, man erfährt aber auch nie all zu viel über die Personen, so dass es den Darstellern auch nicht zu leicht passieren konnte ihre Figur falsch oder widersprüchlich darzustellen. Sie sind zu versimpelt, nur auf das nötigste für die zu durchlebende Situation reduziert. Zumindest wirken die Charaktere wie eine glaubwürdige Zusammenkunft von Freunden, das macht viel aus, und dass dankenswerter Weise auf eine Liebesgeschichte innerhalb der eigentlichen Story verzichtet wurde, ist ebenfalls als sehr positiv zu bewerten.

Dass das von West selbst verfasste Drehbuch trotz dünner Charakterzeichnung und fehlender Hintergründe gelungen ist und nicht erst durch eine geglückte Inszenierung gerettet wurde, erkennt man anhand der Dialoge und der Zeitpunkte wann welche der Figuren schlichten oder weniger schlichten Tätigkeit nachgeht und welche davon Konsequenzen haben oder nicht. Wenn jemand unlogisch handelt, geschieht dies nicht aufgrund von Drehbuch-Lücken, sondern einfach weil Menschen oftmals unlogisch handeln. Wie im echten Leben reagieren die einzelnen Figuren unterschiedlich auf die gleiche Situation. Auch Unstimmigkeiten innerhalb der Gruppe werden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, da jeder einen eigenen Standpunkt vertritt.

Aufgrund dessen und der realistisch gehaltenen Dialoge gelingt es West, der erst mit „The House Of The Devil“ unter Cineasten Aufmerksamkeit erlangte, die an sich so irre klingende Geschichte so authentisch wirksam zu verpacken. Dass in einer so aufwühlenden und hoffnungslosen Situation wie im Film gelebt die Dialoge rar gesetzt sind und oftmals Schweigen herrscht, ist nicht nur eine wichtige Erkenntnis Wests das eigene Szenario auch wirklich verstanden zu haben, es unterstützt auch auf andere Art die realistische Wirkung des Streifens: wo wenig geredet wird, da gibt es weniger Chancen auf Widersprüche im Charakter, da läuft man nicht Gefahr pseudo-philosophisch oder verkrampft tiefgründig zu werden und die dichte Atmosphäre, die stetig aufrecht erhalten wird, wird nicht zerstört, sondern ganz im Gegenteil unterstützt.

Über die Spezialeffekte kann man sicherlich streiten. Ob die Fledermäuse nun glaubwürdig animiert wurden ist schwer zu beurteilen, sind sie doch immer nur sehr kurz zu sichten und wenn doch mal länger dann von weitem gefilmt. Sicherlich sind die Gründe dafür ebenso wie in vielen anderen Punkten der Versimplung im geringen Budget zu finden, aber das ändert nichts an der Wirkung, zumal viele Filme beim ständigen Draufhalten auf die Kreatur scheitern, gerade in der Zeit der Computeranimationen. Was die Fledermäuse in „The Roost“ betrifft, so sind diese zumindest in ihren Bewegungen und ihrem Handeln glaubwürdig. Das ist im Tierhorror-Bereich keine Selbstverständlichkeit.

Im Gegensatz zu den Fledermäusen kann man die Umsetzung der Zombies schon eher beurteilen. Diese sind zwar nicht die Creme de la Creme der Maskenkunst, sind aber okay zu nennen, zumal sie nur sehr selten durchs Bild schlurfen. Und da auch der Blutgehalt als sehr gering einzustufen ist, kann man wohl klar sagen: Dem klassischen Zombie-Fan wird das nicht gefallen, auch wenn die Geschichte anderes vermuten lassen könnte. Zuschauer für die der Film eigentlich gemacht ist, werden ihn bei eventuell vorhandenem Tunnelblick-Denken bereits aufgrund des eigentlichen Aufhängers der Geschichte nicht schauen. Durch den Erfolg von „The House Of The Devil“ und dem ebenfalls in Cineastenkreisen recht positiv aufgenommenen „The Innkeepers“ wird sich das aber hoffentlich geändert haben.

Alles was ich bislang zu „The Roost" geschrieben habe bezog sich auf den Hauptfilm. Eingebettet wird die Geschichte um Killer-Fledermäuse und Zombies jedoch im Rahmen einer fiktiven Horrorsendung im Stile jener titelgebenden aus dem 80er Jahre "Fright Night". Diese ist eine sympathische Parodie auf klassischen Grusel, also eigentlich sehr nett umgesetzt, nur leider harmoniert dieser Teil des Streifens nicht wirklich mit dem eigentlichen Film. Zwei getrennt voneinander gut umgesetzte Bereiche, die nicht zusammen passen, so könnte man das Komplettprodukt bezeichnen.

So richtig ärgerlich wird dies aber erst wenn die Hauptgeschichte einmal durch diese Rahmensequenz unterbrochen wird, was eher lästig als lustig wirkt. Die eigentliche Geschichte ist eher ernst umgesetzt, lediglich mit unterschwelligem Humor angereichert. Die nicht zu dieser dazugehörenden Rahmenhandlung setzt jedoch auf lauten Humor, an der Grenze zum albernen. Das zeigt sich auch in der trashig gewollten Pappkulisse

Glücklicher Weise ist der Hauptteil und somit die eigentliche Attraktion des Films derart gelungen, dass ich trotz dieses nicht zu unterschätzenden Kritikpunktes durchaus eine Empfehlung aussprechen kann, aber eben nicht an Fans von Horrorfilmen, sondern an Freunde gelungener und gehobener Kinounterhaltung. Dank einer geringen Laufzeit gerät der im Minimalismus badende Stil nicht ins Wanken. Es kommt zu keinem Stillstand in der Geschichte und West kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Und der Zuschauer kann es genießen innerhalb einer vollkommen dämlich klingenden Geschichte ernst genommen zu werden. Das gibt es selten.  OFDb

3 Kommentare:

  1. Klingt interessant. Ja, das Wort "Trash" wird mittlerweile fast zusammenhanglos auf alles angewandt, was einfach unter eine gewisse Thematik fällt oder nicht mit Hollywood-Geld gemacht ist. Es liegt wohl daran, daß "Trash" auch schon eine Verkaufsstrategie ist.

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    1. Ja, Trash ist eine gewollte Marke geworden, und dann wird gerne etwas absichtlich in die Richtung produziert, was sich meiner Meinung nach aber nicht so anfühlt. Fairer Weise muss man sagen, dass Trash auch ein sehr schwammiger Begriff ist, den jeder subjektiv anders deutet. Ich verstehe zumindest dass er in der OFDb mittlerweile als Genre abgeschafft wurde. Ich weiß noch was wir dort im Gemeinschaftsforum für Diskussionen darüber hatten, ob die reitenden Leichen Trash sind oder nicht. Und ich konnte es nicht fassen, wieviele User diesen in meinen Augen sympathisch gescheiterten Film in Schutz nahmen, dass der doch kein Trash wäre. So ein Scheiß wie "Chillerama" wird dann aber wieder als Trash gefeiert. Und kleine Perlen wie "Panman" werden gar nicht erst entdeckt. Ich glaube ich sollte mich auch mal von diesem Begriff lösen. Man sollte für sympathisch gescheiterte Filme ein neues Wort kreieren. Und für die andere Art Trash, der gelungene absichtliche Trashfilm, gibt es ja sogar schon eine Alternativbezeichnung. Aber ich komme leider gerade nicht auf den Begriff.

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  2. Also, die leitenden Reichen würde ich auch nicht unter "Trash" einsortieren :-D Allerdings ist die letzte Sichtung ungefähr 300 Jahre her.
    Ich versuche den Begriff auch schon seit geraumer Zeit zu vermeiden, zumal er auch gleich eine Wertung vorwegschickt - die dann verhindern können, daß man Qualitäten entdeckt, die einem sonst verborgen geblieben wären (wie du ja auch hier im Ti-West-Film einen interessanten Geheimtip entdeckt zu haben scheinst). Ja, ein neuer Begriff wäre schön - da grübeln wir mal nach :-)

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