10.03.2019

DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN (1968)

George A. Romeros Schwarz/Weiß-Film sollte den Bereich des Zombie-Horrors revolutionieren. Bislang wurden die Wesen als durch Voodoo beeinflusste Fremdgelenkte gedeutet, mal tot, mal totgeglaubt. Nun sind es Menschenfresser, fern jedem Zaubers, und jeder nicht beerdigte Verstorbene erwacht wenige Minuten nach seinem Dahinscheiden. Es ist schwer "Die Nacht der lebenden Toten" für sich allein zu besprechen, bei all den Nachahmern die folgten, bis hin zur heute noch immer beliebten TV-Serie "The Walking Dead". Es überrascht welche Elemente wichtiger, späterer Werke sich zu diesem Thema bereits hier vorfinden. Die fehlende Farbe und das Jahrzehnt 1960 mögen einen zunächst glauben lassen es mit Romeros erstem unabhängig produzierten Film mit einem naiven, nostalgischen Streifen zu tun zu haben, aber mag er auch nicht alle Brutalitäten vor unseren Augen geschehen lassen, er ist bereits Terror-Kino pur und alles andere als kurzweilige Unterhaltung zur Berieselung.

Die Bedrohung ist stets präsent und glaubwürdig, die Wissenslücken werden zu einem der laufenden Motoren des Films. "Night of the Living Dead" (Originaltitel) ist direkt, schonungslos und konsequent erzählt, und einzig die Filmmusik hält ihn in seiner Entstehungszeit fest. Was los ist erfahren wir erst mit der Zeit, und dies zudem über Medien. Bis dahin darf gerätselt werden was los ist. Geht es um Geisteskranke? Eine Seuche? Man würde gern mit dem ahnungslosem Zuschauer von einst tauschen, der noch nicht weiß dass es hier um Zombies geht. Und dem dürfte sich der Magen umgedreht haben bei all der schonungslosen Gewalt, die sich den Protagonisten offenbart. Kinder werden ebenso wenig verschont wie Erwachsene, Menschen müssen hier bereits damit leben verstorbene Familienmitglieder und Freunde als unmenschlich zu akzeptieren, Zombies fressen hier bereits die Innereien der Menschen, ein Happy End bleibt aus, auch wenn der Film im Gegensatz zu dem was ihm meist folgen sollte die Situation nicht als aussichtslos darstellt. Über welche Art Mensch der Sieg errungen werden kann, ist jedoch sehr wohl schon Thema, hauptsächlich eingefangen in den gnadenlosen Schnappschüssen, die uns im Abspann präsentiert werden.

Aber schon im Krieg sind es jene, die uns vor Gefahren beschützen, die nicht unsere Ethik vertreten, oder zumindest trotz dieser handeln können, wo das Handeln anderer versagt. "The Flesh Eaters" (Alternativtitel) ist voll von solchen gesellschaftspolitischen Aussagen. Die Zombies als der Aufstand einer Minderheit, die Seuche als das Ende der Wohlstandsgesellschaft, der Aufbruch von Anarchie, das Ende der Gesetzgebung und damit des Schutzes durch den Staat, hinein zu interpretieren gibt es viel. Wenn relativ sicher verbarrikadiert der Unmut zwischen den Überlebenden hoch lodert, thematisiert der Streifen zudem die Unmenschlichkeit unserer Spezies. Mordet der Zombie aus Instinkt und Hunger, so geht es dem Menschen um Macht und dem Glauben die eigene Meinung sei die einzig richtige.

Überrascht hat mich nach meiner ersten Sichtung seit vielen Jahren, dass der Theorie der Raumsonde, die von einem Venusflug zurückgekehrt ist, weit mehr Beachtung geschenkt wird, als ich es in Erinnerung hatte. Sie ist nicht nur eine von vielen Theorien, das wird erst in der Fortsetzung "Zombie" der Fall sein, sie wird von Wissenschaftlern im Fernsehen bestätigt und lediglich vom Militär als Humbug abgewiesen. Eine gute Portion Science Fiction und eine Erklärung warum die Epidemie zahlenmäßig zunimmt nimmt somit Einfluss auf das Geschehen und ist nicht einzig eine Nebensächlichkeit. Der Kniff diese Informationen stets gemeinsam mit den Protagonisten über die Medien zu erhalten ist nicht ohne und macht viel am Spannungsbogen des Streifens aus, der eben nicht nur durch den Zombieterror entfacht wird, sondern auch durch die Wissbegierde des Zuschauers. Nüchterne Spannung paart sich mit nervenkitzelnder, düsterer Momente. Und durch diese Sachlichkeit, die sich auch im Verstehen der Charaktere bei den Verantwortlichen des Filmes zu erkennen gibt, wird aus einem kostengünstig produzierten Reißer ein intelligenter Gedankenansatz wie der Mensch in Extremsituationen zu agieren weiß, wenn das Schulwissen nicht mehr greift.

Da nicht all zu sehr auf Stereotype gesetzt wird, verschwimmt das Gut und Böse recht gekonnt. Ben handelt oft ebenso fragwürdig wie Cooper, der als Aggressor dient. Frauen lassen sich von Männern beschützen, Wahrheiten will man sich nicht eingestehen, drohende Gefahren erkennt man nicht, unterschiedliche Meinungen werden in Frage gestellt anstatt ernsthaft ausdiskutiert. Viel Zeit zum Nachdenken hat man ohnehin nicht, "Die Nacht der lebenden Toten" handelt von einer uns überrollenden Situation, in der klares Denken zu einer Schwierigkeit wird. Romero setzt auf Ruhe anstatt auf dauerhafte Zombie-Action, der Beginn des Streifens schaut sich gar recht Stummfilm-orientiert. Auch diese Herangehensweise ist nicht nur stilistisch hervorragend zu nennen, sie täuscht zudem, da wir es im Nachhinein schließlich mit einem sehr modernen Film zu tun haben, der selbst heute 50 Jahre später noch kaum nostalgisch anmutet in seiner Endzeitstimmung, der Hoffnungslosigkeit und der Direktheit mit der man sich gegen die Bedrohung zu Wehr setzen muss. Mit "Monster Flick" (Alternativtitel) ist eigentlich schon alles zu dem Thema erzählt, zumindest das was die meisten Zombiefilme abzuliefern wissen. Danach folgten entweder nur drastischere Gewaltdarstellungen oder tiefer gehende Beleuchtungen dessen was "Die Nacht der lebenden Toten" teilweise nur streift. Ausnahmen gab es jedoch auch.  OFDb

2 Kommentare:

  1. Ja, das Erzählen von Teilen der Geschichte über die Medien fand ich gelungen. War ja zum damaligen Zeitpunkt auch keine so oft verwendete Form. Und die Verdichtung durch Reduktion auf einen begrenzten Raum, was ja später in vielen Vertretern des Genres immer wieder aufgegriffen wurde, wirkt ebenfalls positiv.

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    1. Ja, der Film war seiner Zeit voraus. Muss man als Cineast unbedingt gesehen haben.

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