Den Namen Mel Brooks verbindet man im allgemeinen mit Film-Parodien. Es gab stilvolle wie „Frankenstein Junior“, komplett durchgeknallte wie „Spaceballs“, schlechte wie „Robin Hood - Helden in Strumpfhosen“ und im Mainstream badende wie „Dracula - Tot aber glücklich“. Anfang der 90er Jahre wollte Brooks sich mal wieder an etwas anderem versuchen, eine Komödie mit Herz, eine Geschichte mit einem Anliegen. Und er drehte „Das Leben stinkt!“, der Kritik am Kapitalismus üben sollte und einen Blick auf die Ärmsten der Armen wirft, dies in den echten Slums gedreht und mit echten Obdachlosen als Statisten angegangen.
Mel Brooks widersteht der in amerikanischen Komödien so oft vorkommenden Unart sich moralisch anzubiedern. Er verzichtet nicht auf Witze unterhalb der Gürtellinie, setzt die im Film aufkommende Romanze lange Zeit nicht zu sehr in den Mittelpunkt und vermeidet Mitleid heuchelnden Kitsch. Brooks Anliegen fühlt sich echt an, auch wenn er es oft nicht schafft seine Geschichte diesbezüglich glaubwürdig zu erzählen. Letztendlich hat Bolt viel zu viel Glück. Und irgendwie bekommen die Obdachlosen in seinem Film immer alles geregelt. Dir fehlen Schuhe? Was ein Glück, da habe ich welche fast in Deiner Größe. Eine wirkliche Identifikation gelingt Brooks mit dem wahren Elend nicht.
Das wird besonders deutlich in der einzig kitschigen Szene des Films, die unpassend auf die amerikanische Tradition von Musikeinlagen setzt. Theoretisch ist es nett gemeint was Brooks mit dieser Szene anstellen möchte, sie reißt den Streifen jedoch endgültig aus der Glaubwürdigkeit seines Anliegens heraus. Nicht weil zwei Obdachlose gemeinsam einen wunderschönen Abend verbringen, sondern weil die Organisation der dafür erforderlichen Räumlichkeiten und die Beschaffung von Champagner und einem Radio plötzlich gar kein Problem mehr darstellen.
Von dieser unangenehmen Szene einmal abgesehen schaut sich „Life stinks“ (Originaltitel) jedoch erfrischend angenehm. Mag er auch ein unrealistisches Märchen mitten im Elend sein, das Herz und die Gags am rechten Fleck machen diese Komödie trotzdem zu einem gelungenen Stück Film, bei dem zwar alles eine Spur zu blauäugig abläuft, Brooks aber auch ernste Schicksale nicht ausblendet. Zudem darf man es als Überraschung betrachten, dass die 30 Tage der Wette wesentlich früher erreicht sind als man als Zuschauer erwartet, um die Geschichte im letzten Drittel in eine etwas andere Richtung zu schwenken. Spätestens hier fällt wieder einmal auf wie gut Brooks darin ist Nebenfiguren zu gestalten. Aber bei all den lustigen Charakteren sollte man dies eigentlich auch schon vorher bemerkt haben. Allein der Konkurrent mit dem Bolt die Wette abschließt ist herrlich skurril charakterisiert.
Brooks selbst weiß auch zu gefallen, selbst in einer Hauptrolle. Dachte ich in „Spaceballs“ noch, dass es sicherlich besser ist sich selbst nur schräge Nebenrollen zuzuschreiben, beweist der gute Mann dass „Das Leben stinkt!“ auch mit ihm als nicht perfekt spielendem Hauptdarsteller zu funktionieren weiß. Was er schauspielerisch nicht beherrscht macht er mit seinem sichtbaren Spaß an Albernheiten wieder wett. Höhepunkt diesbezüglich dürfte wohl eine Bettelszene sein, in welcher Bolt versucht den Tanz eines schwarzen Jungen zu kopieren, der mit seiner Performance gut Geld erbettelt hat, was bei einem kahlköpfigen Weißen ohne Charme und Talent freilich nicht zu ziehen weiß, weswegen Bolt in Sachen Gesang und Tanz immer verkrampfter und aggressiver wird. Diese Szene muss man einfach lieben.
Dass Brooks bei der Annäherung zur wahren Liebe etwas dick aufträgt, mag man ihm verzeihen. Wie gesagt ist der Streifen ohnehin nicht all zu realitätsnah orientiert, und man merkt dass der gute Mann, Problemhandlung hin oder her, bewusst Kino abliefern will. Und eben weil dies so deutlich zu erkennen ist, kann man sich als Zuschauer damit arrangieren, auch wenn etwas mehr Feingefühl für die wahre Dramatik dem Werk im Weg steht, um zu einem wirklich nennenswerten Film zu werden, den man gesehen haben sollte. Das Wegblenden von hygienischen Problematiken bei der gegenseitigen Annäherung zueinander und die wahren Tiefpunkte, die im fertigen Film immer nur nebenbei erwähnt werden (seit Tagen hungrig sein, die Nacht bei einem starken Unwetter bei geschlossener Mission überleben, etc), machen den fertigen Film dann doch zu sehr zu einem Produkt. Figuren bleiben Filmfiguren. Ein Hineinfühlen funktioniert, ein tiefes Einsinken in die Handlung, um für 90 Minuten darin aufzugehen als sei alles echt, funktioniert nicht.
Glücklicher Weise muss es das auch nicht, denn wäre Brooks zu nah dran, käme mancher Witz zu geschmacklos herüber. Mit dem Kompromiss „Das Leben stinkt“ offensichtlich zu Kino zu machen gelingt ihm die Harmonie zwischen beiden Extremen die hier aufeinander treffen. Vielleicht hat er auch deswegen die an ein Broadway-Stück erinnernde Tanzeinlage eingebaut und sich mit ihrer Extreme dabei verhoben. Vielleicht wollte Brooks mit ihr auf Nummer sicher gehen. Nötig hätte er das nicht gehabt. Wie bereits erwähnt: ganz im Gegenteil, die Szene nervt. Ein Glück dass sie die Ausnahme in einem sympathisch erzählten Stück Märchen für Erwachsene ist, welches man sich alle paar Jahre immer mal wieder anschauen kann. OFDb
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