Wenn anstatt eines lang gesuchten Bankräubers gleich eine wohlorganisierte Verbrecherbande dingfest gemacht wird, dann erkennt man bereits die Übertreibung der Modernisierung eines Klassikers. "Emil und die Detektive" in der 1954er-Version ist die bereits dritte Verfilmung des berühmten Kinderbuches von Erich Kästner, aber die erste, die nicht mehr zeitnah zum Veröffentlichkeitszeitpunkt der Printvorlage entstand. 25 Jahre nach dessen Erscheinen und 23 Jahre nach der ersten Verfilmung von Gerhard Lamprecht, versucht sich Robert A. Stemmle an den mittlerweile klassischen Stoff, ein Mann der seit 1934 den Beruf des Filmregisseurs ausübte und noch bis 1973, ein Jahr vor seinem Tod, dieser Fachrichtung treu bleiben sollte. Im Laufe der Jahre drehte er mit Heinz Rühmann "Heinz im Mond", ohne Heinz Rühmann 1934 die vierte Verfilmung von "Charleys Tante", der 1955 von Heinz Quest mit Rühmann ein sechstes Mal verfilmt wurde, "Affäre Blum" in den 60er Jahren und vieles mehr.
Sein "Emil und die Detektive" braucht sich vor dem 1931er Original nicht zu verstecken. Eben genannter Drang zur Übertreibung der Modernisierung wegen findet hier noch auf sympathischen Wege statt, was vielleicht auch nur durch den mittlerweile erlangten Retrocharme so wirken mag, verhilft aber zumindest Kurt Meisel zu mehr Möglichkeiten seine Rolle als Dieb mit der Melone verspielt ausleben zu dürfen. Im Gegensatz zum grummelig wirkenden Fritz Rasp in der deutschen 30er Jahre-Version interpretiert dieser die Rolle höchst skurril, was ihn zum Hingucker dieser Verfilmung macht und Rasps Darbietung meiner Meinung nach gar zu übertreffen weiß. Grotesker Humor wie das Ausblenden des Überstreifens eines Nachtgewandes, ohne das Absetzen besagter Melone, unterstreichen den mimischen Touch des Absurden gekonnt und runden das Bild eines abseits der Gesellschaft lebenden Mannes auf ungewöhnlichem Weg ab. Freilich wirkt die Bedrohung auf diese Art verspielter als der düstere Umgang dieses Themas im erwähnten Vorgänger, was zum einen ein erstes Anzeichen dafür ist Kinderfilmen einen braveren Grundton als einst zu bescheren, gleichzeitig aber auch ein Vorbild dafür ist, wie man diesen unnötigen Weg auf treffsichere Art gehen kann, ohne Kinder dabei in ihren Möglichkeiten der Auffassung solcher Elemente zu unterschätzen.
Ebenso wie in der ersten Verfilmung, so sind auch die Kinder in der hier besprochenen zweiten deutschen Verfilmung des bislang fünf mal umgesetzten Stoffes glaubwürdig und authentisch besetzt. Auch die Geschichte selbst bleibt sich dem Realismus der Buchvorlage treu und wagt es sich nur gelegentlich, wie vorhin erwähntes Beispiel aufzeigte, in der Welt des skurrilen Diebes diverse Dinge etwas weltfremd erscheinen zu lassen. Das sondert Meisel, der auch in "Die rote Hand", "Dämonische Liebe" und in "Vater sein dagegen sehr" mitspielte, um so mehr vom bodenständigen Rest ab, womit er, gerade für das erwachsene Ausnahmepublikum dieses Stoffes, zum funktionierenden Motor des Ganzen wird. Wer glaubt sein wirrer Monolog im Zug wäre auch der grotesken Neuinterpretation des Gangsters geschuldet, der irrt jedoch, wird doch hier das Buch zitiert und durfte doch bereits die düstere Rasp-Variante gleiche Worte aussprechen. Dass sie aus dem Munde eines sonderlich wirkenden Mannes um so mehr Wirkung besitzen, beweist wie richtig man mit der wunderlichen Interpretation dieser Rolle lag.
Ansonsten sieht man dem Film seine Möglichkeiten aufgrund der längeren Laufzeit von 91 Minuten an, die sich Zeit und Ruhe für mehr Nebensächlichkeiten gönnen kann und nicht mehr so gestrafft wirkt wie die ebenfalls gelungene 30er Jahre-Vergleichsverfilmung. Stärken dieser übernahm man, wie z.B. die hohe Anzahl an Kinderstatisten für das wichtige Ereignis Richtung Finale, gönnte sich zusätzlich den Luxus meist sympathischer Erneuerungen, erzählt im Grunde aber trotzdem jene Geschichte, die auch im Sinne Kästners war. Solche Unnötigkeiten, wie das Neueinarbeiten eines kranken Vaters, wie in der 2001er-Version geschehen, erlaubt sich der hier besprochene "Emil und die Detektive" nicht, erneuert also nicht des reinen Selbstzwecks wegens, sondern in der Hoffnung Kästners Vision mit Modernisierungen gerecht zu werden. Ob das gelungen ist, mag jeder für sich selbst vermuten, eine Antwort darauf ist mir nicht bekannt, starb Kästner doch erst im Jahre 1974, so dass er wohl eine Meinung zu Stemmles selbst verfasster Drehbuchversion gehabt haben müsste. Wie auch immer: ebenso wie die 1931er-Verfilmung so weiß auch die aus den 50er Jahren zu überzeugen, mit lustigerem Grundton versehen, ohne dabei dem abenteuerlichen Gehalt, der Authentizität des Erzählten, sowie der Grundaussage um Mündigkeit und Freiheit zu schaden. OFDb
Ich kenne die 1931er und diese Version hier und irgendwie hab ich die ältere Variante mehr in Erinnerung. Das heißt nicht zwangsläufig, dass die besser ist, aber anscheinend doch prägender. Ich würde also eher zur Lamprecht-Version tendieren.
AntwortenLöschenInteressant! Denn ich habe bei mir so das Gefühl, dass sich gerade der skurrile Melonenmann der 50er Jahre-Verfilmung auf Dauer einbrennen wird. :D
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