Das Kinderbuch und der daraus entstandene, hier besprochene Film kamen zu einer Zeit heraus, in welcher die antiautoritäre Erziehung Beachtung geschenkt bekommen hat. Das schaut sich in Zeiten heutiger Erziehungsmoden erfrischend anders und unverkrampft, und zeigt uns eine ähnliche Welt wie jene der "Pippi Langstrumpf", jedoch aus der umgekehrten Perspektive präsentiert. Konrad ist ein braves Vorzeigekind, hat in der Fabrik, in welcher er hergestellt wurde, gelernt seinen Eltern mit vorbildlichem Betragen zu gefallen, und nun muss dies alles wegerzogen werden, damit die Fabrik, die auf Lebenszeit der Besitzer der entliehenen Instantkinder bleibt, ihr Produkt nicht zurück haben möchte. Dieser gewitzte Plot, mit Seitenhieben auf das industrielle Leben mit Instantsuppen, Paketlieferungen und erzieherischen Entrückungen vom natürlichen Leben, wird unverkrampft, kindgerecht und alternativ gedreht präsentiert, verwundert ein wenig mit manch sich ungewöhnlich anfühlenden nebensächlichen Szenen, weiß in diesem individuellen Gewand jedoch um so mehr zu gefallen.
"Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse" (Alternativtitel) ist nicht auf Teufel komm raus auf Karacho aus. Er ist bemüht darin den angelernten Tunnelblick zu durchbrechen, alternative Lebensweisen als gleichrangig zum Standard zu präsentieren und jeden leben zu lassen wie er das möchte. Er ist um mündige Existenzen bemüht, die sich nicht von Institutionen mit Macht das Leben diktieren lassen und fern strenger Regeln einen jeden selbst denken und empfinden lassen was falsch oder richtig ist. Sprich, der Film von Claudia Schröder hat das Herz am rechten Fleck, und da glücklicher Weise noch in den 80er Jahren entstanden, besitzt er nicht die Kinderfilmkrankheiten, die seit der 90er Jahre existieren, in welchen Produkte für Kinder plötzlich cool und hipp sein mussten. "Konrad aus der Konservenbüchse" trifft den richtigen Ton und weiß mit einigen gewagten und kreativen Ideen zu punkten.
Freilich beflügelt der Gedanke von Instantkindern die Fantasie des Zuschauers, betritt man doch damit auf Kinderebene den Pfad den die Science Fiction-Satire "Die Frauen von Stepford" einige Jahre zuvor lostrat. Und wenn man nun noch die blauen Herren (nicht zu verwechseln mit den grauen Herren aus "Momo") aus der Fabrik sichtet, die eher roboterhaft als wie wahre Menschen handeln (eben weil sie nur Befehlen folgen anstatt Freidenker zu sein), dann fragt man sich als Erwachsener, ob sie das Ergebnis dessen sind, was aus den Instantkindern erwachsen geworden wird, wenn sie der Fabrik zurückgebracht werden. Schließlich werden Instantkinder nur verliehen und gehören ein Leben lang der Fabrik. Wenn sich aus diesen Zutaten nicht eine herrliche Horrorfilm-Fortsetzung für Erwachsene anbietet, dann weiß ich es auch nicht.
In einem Kinderfilm werden diese Elemente freilich nicht weiter hinterfragt. Sie werden einfach als Fakt angenommen, damit die Geschichte funktioniert wie sie funktioniert, und damit man jene Dinge der Gesellschaft kritisieren kann, welche den Autoren und der Schriftstellerin der Buchvorlage wichtig sind. "Konrad aus der Konservenbüchse" macht seine Anliegen sehr deutlich, verzichtet gleichzeitig aber darauf zu penetrant auf seine Aussagen zu deuten. Subtil sieht anders aus, aber all zu moralisch oder besserwisserisch kommt der Streifen nicht daher, eben weil dies auch gar nicht der Natur des hier gelebten Erziehungsstiles entsprechen würde. Der Film ist nahe am Empfinden von Kindern orientiert und weiß dank seiner kurzweiligen Umsetzung auch Erwachsenen zu gefallen. Ich kannte ihn nicht von früher und habe ihn jetzt erstmals gesichtet. Mich hat er überzeugt, und es freut mich, dass er mittlerweile den Weg auf DVD gefunden hat. Das lässt hoffen, dass vielleicht auch eines Tages der mit Heiner Lauterbach so prominent besetzte "Bodo" eine Chance zur Veröffentlichung auf DVD erhält. Eine amerikanische Neuverfilmung namens "Konrad" aus dem Jahr 1985 gibt es von "Konrad aus der Konservenbüchse" anbei auch. OFDb
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