Jugendromane und ihre Verfilmungen bedienen sich stets aufgrund des unerfahrenen Zielpublikums einer Naivität, die es einem Erwachsenen ein wenig erschwert in das Produkt eintauchen zu können. Und gerade im Dramenbereich merke ich dies immer wieder. Mag es auch Ausnahmen wie "Die Welle" und "Der Frühstücksclub" geben, gerade in den letzten Jahren häuften sich die filmischen Versionen solcher Stoffe, die mir zu blauäugig erschienen und ihre Grenzen diesbezüglich zu früh offenbarten. Bei "Die 5. Welle" ging das Ganze gerade noch einmal gut, und "Wenn ich bleibe" verpackte seinen Kitsch derart gekonnt, dass mir das Ergebnis sogar gefallen hat. Aber der auf ähnlichen Pfaden wandernde "Before I Fall" (Originaltitel), der den völlig unnötigen und inhaltlich unpassenden deutschen Titel "Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie" beschert bekommen hat, ist zu undurchdacht ausgefallen, als dass er mir tatsächlich gefallen könnte.
"Before I Fall" ist die jugendorientierte Dramenvariante von "Und täglich grüßt das Murmeltier". Ein Mädel aus reichem Hause hat typisch elitäre Jugendprobleme, mobbt auch gerne mal Mitschülerinnen und weiß, wie typisch für das Alter, all die Dinge die es ihr gut gehen lassen nicht zu schätzen. Verliebt ist sie in den falschen Boy, charakterlich sympathische Jungs ignoriert sie, alles dreht sich um Liebe und Spaß haben, der Ernst des Lebens existiert nicht. Als sie des Abends an einem Autounfall stirbt, erwacht sie morgens am selben Tag. Zuerst hält sie das Erlebte für ein Déjà-vu, beim erneuten Erwachen am selben Tag beschließt sie etwas zu verändern. Aus den Selbsterrettungsversuchen des Todes wird nach einem überlebten Tag die Erkenntnis, dass statt ihr eine gemobbte Mitschülerin stirbt. Nun weiß sie, dass sie auch in der Zeitschleife gefangen ist, wenn sie überlebt. Deswegen wird sie zunächst einmal zickig, bis sie begreift dass sie ihr Wesen ändern muss.
Das klingt soweit bekannt und war beim humoristisch geprägten Murmeltier-Film nicht viel anders, allerdings vermisst man bei dem ernst angegangenen "Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie" ein wirkliches Verstehen seiner Geschichte. Das Drehbuch konzentriert sich derart penetrant auf die Launen der Protagonistin, dass man sich irgendwann fragt ob sie überhaupt in der Lage ist zu denken. Immer wieder geht es thematisch um Gefühle. Aus Eigensucht wird Mitgefühl, aus Egoismus Empathie. Aber selbst nach Einsichten versteht man das Handeln der zentralen Figur nicht. Sie ist am Boden zerstört, wenn die Gemobbte Suizid begeht, unternimmt jedoch nichts um ihre Freundin zu werden. Nie geht sie mutige Schritte, obwohl die ständige Wiederholung des Tages ihr Schutz gewährt. Nie wird die Wiederholung zum Experimentieren genutzt, um an mehr Wissen zu gelangen. So als sei Wissen und Intelligenz der Feind des Sichwohlfühlens. Unreflektiertes Gefühl, und mag es einer sozialen Ader entsprechen, sollte in Jugendstoffen nicht als Vorbild vorgestellt werden. Dies passiert jedoch durch Stoffe wie diesem, auch wenn ich nicht weiß ob es schlicht nur die Konsequenz dessen ist, dass das Buch sich lediglich an der Gefühlswelt seines Zielpublikums orientieren will, anstatt missionieren zu wollen.
Wie auch immer, aufgrund des unreflektierten Handels bekommen auch gut gemeinte Sequenzen, gerade Richtung vorhersehbarem Schluss, einen bitteren Beigeschmack. In den zu sehenden Szenen zeigen die sich nur gering, aber wer es wagt Gesehenes zu hinterfragen, um nach Alternativen zu suchen oder sich zu fragen was danach geschieht, bekommt die Risse zu sehen, die das sich so vorbildlich anfühlende Verhalten der Hauptfigur hinterlässt. Was hat der Junge, der schon immer für sie schwärmte, an ihrem Todestag davon zu erfahren, dass auch sie ihn liebt? Wie geht eine Gerettete damit um, dass wer anders ihretwegen starb, erst recht wenn sie ohnehin schon suizidgefährdet ist? Wie intensiv wird eine fest eingefahrene Jugendclique auf ein Mitglied hören, welches offensichtlich einen emotionalen Tag hat, wenn es versucht dem Rest beizubringen jemand ständig Gemobbtes als Mensch wahrzunehmen? Was bringen also all die Versuche der Heldin in den einzelnen Phasen und ganz besonders in der letzten, mit welcher der Film schließt?
Gefühl und soziale Verantwortung übernehmen schön und gut, aber mit ausgeschaltetem Geist kann das auch ganz schön daneben gehen. Und dies beweist der Film ungewollt, ebenso wie die Tatsache, dass auch seine Geschichte nicht durchdacht ist, so schwer wie es dem Autor fällt sich in die Gedankenwelt jener einzufühlen, die besagten Tag erstmals erleben. Neben handwerklicher und schauspielerischer Stärken des Filmes und dem Gelingen sich zumindest oberflächlich in das was hier erzählt werden soll einfühlen zu können, trumpft der Streifen meiner Meinung nach am besten in jenem Moment, in welchem die Heldin erkennt, dass sie ihrer Gruppenanführerin nicht die Schuld geben darf, sondern stattdessen lernt das an ihr zu benennen, was sie zu ihrer Freundin hat werden lassen. Mehr solcher tatsächlich empathischer Momente, und der Film könnte trotz seiner naiven Haltung gut genug punkten, um Gefallen an ihm zu finden. Letztendlich wird man aber ständig intellektuell unterfordert und bedauert die Teens, denen beim Zuschauen des Streifens nicht mehr abverlangt wird. Was sich zugegebener Maßen nett anfühlt und manchmal auch emotional anzustecken weiß, erweist sich als zu undurchdacht, um zu einer guten Geschichte zu werden. Einfältigen Träumern hingegen könnte der Film gefallen. OFDb
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