23.05.2019

SPLIT (2016)

Wenn er will, dann kann er es noch. M. Night Shyamalan, der mit "The Sixth Sense" und "Unbreakable" solch wundervolle Filme kreiert hat und danach fast nur noch schwache Werke a la "Signs" drehte, zeigt mit "Split", dass er seinen fesselnden Erzählstil von einst noch immer beherrscht. Orientiert an dem unaufgeregten Einfangen sachlicher wie ereignisreicher Szenarien, wie in den beiden gelungenen Vorzeigewerken, offenbart er uns einen Blick in ein alternatives Universum (eines was mit einem seiner Vorgänger-Filme identisch ist, was für "Split" jedoch noch nicht wichtig zu wissen ist), in welchem das was wir über gespaltene Persönlichkeiten wissen verworfen wird, um die Störung absichtlich ad absurdum zu führen. Hier soll kein realistisches Bild dieser psychischen Erkrankung geschaffen werden, gleichzeitig wird hier aber auch nicht einfach basierend auf dieser sinnlos herumgesponnen. Shyamalan entwickelt ein doppelbödiges Ideenkonstrukt, auf einer "was wäre wenn"-Theorie fußend, die so originell ausgefallen ist, dass sie sich tatsächlich zu erzählen lohnt.

Zunächst fällt "Split" wie ein gut erzählter, aber doch gewöhnlich orientierter Horrorfilm aus. Er scheint der x-te seiner Art zu sein, in welchem Teenager Opfer eines Wahnsinnigen werden. Der ruhige Erzählstil, die interessant abgelichteten Aufnahmen und das hervorragende Spiel der Mimen machen bereits vor dem Erkennen einer interessanten Geschichte deutlich ein gehobenes Produkt seiner Art präsentiert zu bekommen. Hier stimmt die Chemie, ebenso wie die filmeigene Logik, hier stimmt die Dynamik der Unterhaltung ebenso wie der Mut zur Ruhe, und hier stimmt vor allen Dingen der analytische Aspekt. Shyamal entwickelt in einem absurden Szenario eine Glaubwürdigkeit, die auch dann erhalten bleibt, wenn erst der wahre Wahnsinn hervor bricht: miteinander in Kontakt stehende Persönlichkeiten, physische Veränderungen durch Gedankenkontrolle, sich gegenseitig austricksende und nachahmende Identitäten, bis hin zu einer übermenschlichen Kreatur, an die selbst diejenige nicht zu glauben wagt, die all die Fähigkeiten hinter der hier erfundenen, bzw. phantastisch erweiterten Krankheit entdeckt hat.

Mag man auch an der Außenseiterin, die u.a. entführt wurde, gebunden sein, mit ihr mitfiebern, mit ihr mitleiden (weit mehr aufgrund ihrer Vergangenheit als aufgrund dessen was ihr beim Sichten aktuell passiert), nach einiger Zeit ist die klassische Orientierung auf diese Art Horrorfilm-Grundlage hinter sich gelassen. Man sieht den multiplen Mann nicht als Psychopath, man wird in sein eigenes Universum hineingezogen, in welcher jede einzelne Persönlichkeit Wahrheit ist, ebenso wie die Gesetzmäßigkeiten denen sie unterliegen. Die Gedankenspiele Shyamalan lassen anderes auch gar nicht zu, so sehr wie die 23 Persönlichkeiten nur Grundlage dessen sind, was diese auslösen, beherrschen und in der Lage sind zu tun. Hier soll nicht der Irrsinn entlarvt werden. Hier soll nicht der Zuschauer verführt werden an etwas zu glauben, das so nicht stimmt. Ganz im Gegenteil soll man sich darauf einlassen, dass diese Menschen in dem einen Körper tatsächlich existieren. Nicht aufgrund einer übernatürlichen Besessenheit, schon psychisch gestört herbei geschaffen. Dabei aber weit mehr werdend als eine imaginäre geistige Flucht vor realen Ängsten.

Der Trick dieses comicartige Alternativuniversum so verführerisch reizvoll werden zu lassen, findet sich meiner Meinung nach auch in der starken Orientierung psychologischer Zusammenhänge, die wiederum der Wahrnehmung unserer gelebten Realität entsprechen. Hier werden keine fixen Ideen aus dem Nichts gestampft. Ursache und Auswirkung spielen stets mit, gefußt auf sich realistisch anfühlenden Gründen. Dementsprechend kann vieles von dem was wir hier erleben trotzdem nur ein Hirngespinst sein, was den Film zu einem kurzen Blick in die Irrwelt eines Psychopathen deuten lässt. Shyamalan lässt genügend Freiraum das so oder so sehen zu können. Aber für den kurzen Moment der Laufzeit muss man den Wahnsinn als realen Fakt annehmen, um die Vielseitigkeit dessen was uns hier erzählt wird fassen und genießen zu können. Und manche Geschehnisse offenbaren uns, dass wir nicht zu unrecht glauben, was uns die Krankheit des Mannes weiß machen möchte, eben weil unglaubliche Geschehnisse aus der Sicht geistig gesunder Figuren in Form ihrer Beobachtungen eingefangen werden.

Dass eine solche Erzählung so gut zu funktionieren weiß, um tatsächlich mehr zu sein als der x-te Psychopathen-Horror, liegt nicht einzig am konsequenten Drehbuch, welches seine Grundidee vielschichtig begreift, hinterfragt und analysiert. Ein solch geglücktes Ergebnis wäre nicht möglich gewesen, ohne solch einen vielseitigen Schauspieler, wie es James McAvoy ist, auf den ich persönlich erst in diesem Werk gestoßen bin. Meine einzige weitere Begegnung mit ihm war im Horrorfilm "Swimming Pool - Der Tod feiert mit", und wer die Hauptschwäche dieses Streifens kennt, der wird wissen warum mir ein Darsteller aus diesem nicht in Erinnerung geblieben sein kann. Mögen Maske und Spezialeffekte manches Mal auch unterstützend eingebracht sein, die unterschiedliche Wirkung seiner Rolle(n) entsteht tatsächlich durch sein schauspielerisches Talent, welches endgültig jene Illusion erschafft, die das Drehbuch uns so verführerisch anzubieten weiß. Mag das Ergebnis auch nicht ganz so gut ausgefallen sein, wie die eingangs erwähnten Vergleichsfilme, so ist "Split" doch trotzdem noch überdurchschnittliche Unterhaltungskost, allein schon aufgrund der unaufgeregten Erzählweise, welche den Großproduktionen Hollywoods schon seit langer Zeit fremd geworden ist. Fortgesetzt wurde der Streifen 3 Jahre darauf mit "Glass".  OFDb

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