15.09.2019

WAR ES WIRKLICH MORD? (1965)

Nach Bette Davis' großen Erfolg "Was geschah wirklich mit Baby Jane?" und dem Folgefilm "Wiegenlied für eine Leiche" erschien ebenfalls im Thriller-Gewand, diesmal jedoch eindeutig im Horror-Genre zu Hause, "War es wirklich Mord?", produziert von den Hammer Studios. Diesmal musste Davis zurückhaltender spielen, ist ihre Rolle doch die eines Kindermädchens im England der Entstehungszeit des Filmes. Ihr Können dramatische Aspekte in Mimik und Stimme hervorragend hervorbrechen zu lassen, sind somit diesmal rar gesät, in den seltenen Momenten jedoch wieder brillant dargeboten, stets einhergehend mit einem tatsächlichen Verstehen des zu spielenden Charakters. Dass gerade ihr Trumpf der beiden Vorgänger-Werke etwas zu kurz kommt, mag theoretisch gesehen schade klingen, Davis gelingt es jedoch auch ihr Restspiel respektabel auszuleben, meist in subtil strengen Blicken, die durch die gutmütige Mimik durchscheinen, so dass man sich stets fragt, ob ihr ein Verbrechen zuzutrauen ist oder nicht. Hilfreich steht ihr hierbei ein wahrlich gekonntes Drehbuch zur Seite, welches es tatsächlich schafft den Zuschauer in seinem Glauben ins Wanken geraten zu lassen. Mag Davis in jüngster Zeit beim Erscheinen des Filmes auch immer bösartige Charaktere verkörpert haben und der Streifen im Original den Titel "The Nanny" tragen, die Möglichkeit, dass der Junge kein Opfer eines Irrtums ist, sondern tatsächlich der Mörder seiner Schwester sein kann, bleibt stets bestehen, so dass ein Hauptreiz des Filmes stets darin liegt zu rätseln wer von beiden denn nun die Tat begangen hat - und damit einhergehend: wer hat den anderen zu fürchten?

Dass diese Verwirrung so herausragend gelingt, liegt an der psychologischen Glaubwürdigkeit des Drehbuchs, welches in seinen Erklärungen um Ursache und Wirkung nicht mit billigen Tricks spielt, womit der Horrorfilm auch immer ein Stück Psycho-Studie bleibt, dramaturgische Aspekte der Handlung nicht zu kurz kommen lässt und auch in seiner Auflösung faktisch zu überzeugen weiß, so glaubwürdig wie hier das Krankheitsbild dargeboten und zwischen den Zeilen erklärt wird. Zudem schafft es der Autor der Chose noch vor der Auflösung eine unerwartete Information einfließen zu lassen, welche das komplette Geschehen in ein anderes Licht rückt und dennoch die Frage nach Täter und Opfer offen lässt. Selbst derartige Überraschungen werden nicht, wie heutzutage häufig zu sichten, unüberlegt des Karachoeffekts eingestreut, sondern unterliegen ebenfalls psychologisch glaubwürdigen Überlegungen und Erkenntnissen des Autors, so dass es wahrlich nichts an der Geschichte zu meckern gibt. Scheinbare Hauptsächlichkeiten können zu Nebensächlichkeiten werden und umgekehrt, so dass man sich auf nichts wirklich verlassen kann, was den zweifelnden Zustand des Publikums positiv zu unterstützen weiß. Mag man auch eventuell an einer von beiden Möglichkeiten festhalten, Zweifel bleiben trotzdem stets bestehen, bis eine gut überlegte Auflösung endlich die Antwort hervor bringt, um in einem Mix aus Thriller und Drama zum Schluss noch einmal richtig loszulegen. Erst die allerletzte Szene des Streifens, die, auf Kosten eines fröhlichen Überlebensmomentes, unüberlegt vieles vom zuvor Gezeigten emotional weg blendet, erscheint unglaubwürdig und zu dick aufgetragen.

Aber dieses winzige Manko verzeiht man "War es wirklich Mord?" gerne, so stimmig wie er umgesetzt ist und seinem Spannungsbogen nur gelegentlich kleine Pausen gönnt, z.B. dann wenn Joey seinen Kontakt zum Nachbarmädchen intensiviert, oder die Mutter wieder einmal nicht weiter weiß und in ihren Depressionen versinkt. In jeder Phase seiner Erzählung bleibt der Streifen interessant, die Regie sorgt für eine konsequent aufrecht bleibende Atmosphäre des Misstrauens, und die oftmals hübsch fotografierten Schwarz/Weiß-Bilder bieten ebenfalls Unterstützung beim Erschaffen eines wahrlich geglückten Filmerlebnisses, das sicherlich auch im eingeweihten Zustand bei einer zweiten Sichtung gefallen müsste. Für Regisseur Seth Holt, der auch für den überraschend guten "Ein Toter spielt Klavier" verantwortlich ist, sollte "The Nanny" die drittletzte Regie-Arbeit sein, starb er 1971, im Jahr seines "Das Grab der blutigen Mumie", doch im frühen Alter von 47 Jahren. Seinen hier besprochenen Film kann man anbei wunderbar kompatibel zusammen mit "Schloss des Schreckens" schauen, der manche Parallele zu "War es wirklich Mord?" aufzuweisen hat und trotzdem als Grusler eine völlig andere Art Horrorfilm geworden ist.  OFDb

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen