Mit "Aus Mangel an Beweisen" hat Regisseur Alan J. Pakula, der auch "Die Unbestechlichen" und "Die Akte" inszenierte, einen hochgradig guten Mix aus Kriminalfilm und Gerichts-Drama mit einem Hauch Polit-Thriller geschaffen, der seinesgleichen sucht. Ein hervorragendes Drehbuch, welches seine interessante Geschichte mittels tief gehender Charaktere, psychologischen Raffinessen und dem gekonnten Zusammenspiel von Ursache und Wirkung qualitativ hoch präsentiert, stand ihm hierfür als Grundlage zur Verfügung. Die unglaublich gute Besetzung in so ziemlich jeder Rolle, und im Deutschen eine dazu perfekt passende Synchronisation, unterstützen ihn in seiner gekonnten Inszenierung. Der Film kommt trocken erzählt und sachlich gehalten daher und entwickelt über diese Form seine Stärke zur Dramaturgie und zum Spannungsgehalt. Eine schlicht scheinende Geschichte kommt verästelt daher und offenbart uns über Aussagen, Entdeckungen und gekonnt gesetzte Rückblicke Informationen zum jeweils perfekt gesetzten Zeitpunkt, um den Zuschauer da zu haben, wo der Autor es möchte, um die Geschichte aus den verschiedensten Winkeln auszureizen, die ihr ein Maximum an qualitativem Unterhaltungswert bescheren.
Der Zuschauer weiß nie woran er ist. Wird Rusty reingelegt? Wenn ja, gibt es politische Gründe? Wenn nein, ist er schuldig? Und wird es heraus kommen, falls er dies ist? Der Kniff ist mitunter, dass die Wahrheit stets im Hintergrund mit schwimmt. Man könnte die Auflösung erkennen, jedoch werden die Hinweise psychologisch raffiniert in ein anderes Licht getaucht, dass man sie in der Regel erst in der Zweitsichtung als das erkennt, was sie tatsächlich offenbaren. Das gehört wohl zu den wirksamsten und lobenswertesten Kniffen eines Drehbuchs, das mich unglaublich beeindruckt hat. Ebenso wie der perfekt inszenierte Film, der nur gelegentlich die üblichen Erzählweisen typischem Hollywood-Kinos streift, z.B. beim Verwenden von Klischeefiguren, oder in der ins Lächerliche gezogenen Darstellung der Gegenanwälte. Man kann auch nicht gerade behaupten, dass diese kleinen Zugeständnisse an den üblichen naiveren Standard im US-amerikanischen Kino genutzt wurden, um sie weitreichender betrachtet qualitativ einzusetzen. Sie stören einfach nicht inmitten eines Filmes, der ansonsten so professionell daher kommt. Mancher Einfluss dieser Art dient lediglich dazu, es dem Zuschauer in seinem Empfinden einfacher zu machen - und schwerer, da verwirrter, zugleich, zweifelt er an der Aufrichtigkeit des Angeklagten doch ebenso, wie die meisten Figuren im Film.
Der sachliche Grundton und die ausgeklügelte Psychologie des Streifens überschatten die kleinen Zugeständnisse an den Mainstream enorm. Fünf Jahre später wäre ein solch durchdachter und trocken erzählt daher kommender Film als finanzstarkes Prominentenkino nicht mehr denkbar gewesen. Ein letztes Mal atmete eine Großproduktion eines erwachsenen Stoffes derart faktisch gehaltene und intelligent erzählte Luft, ohne dem Werk einen Mehrwert über aufgeregte Art zu bescheren. Eine Dekade ging zu Ende, und dieser traurige Umstand bestärkt den Mehrwert dieses unglaublich qualitativ erzählten Thriller-Dramas um so mehr. "Presumed Innocent" (Originaltitel) ist ein spätes Meisterwerk seiner Genres, für sein hochgradig gelungenes Ergebnis viel zu unbekannt, zu seiner Zeit jedoch genug beachtet worden, so dass er heute noch genügend Cineasten ein Begriff ist. Es lohnt sich den Film wieder zu entdecken. Allein Harrison Fords facettenreiches Spiel ist das Reinschalten bereits wert. OFDb
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