24.02.2020

EIN RICHTER SIEHT ROT (1983)

Das Rechtssystem um angeblich falsch herbei geführte Beweismittel und Festnahmemethoden beschäftigte einige Köpfe in den USA ungemein, machte das System doch oftmals den Eindruck eher Verbrechern zu helfen, anstatt ihren Opfern. "Dirty Harry" reagierte darauf mit Verachtung und seinem Recht auf Gewalttaten, Richter Hardin in "Ein Richter sieht rot" reagiert auf passive Art, spricht Todesurteile aus, die wer anders vollzieht. Im Gegensatz zu seinem von Clint Eastwood verkörperten Film-Leidensgenossen kommt Michael Douglas' verkörperte Figur jedoch hinter seinen Irrtum, gibt es Gesetze doch, damit man sich nicht als Betroffener von Gefühlen bewegt der Genugtuung wegen rächen kann. Zwar ist er vom System nach wie vor nicht wirklich überzeugt, aber er entdeckt seinen eigenen Wertekompass zurück, selbst wenn dieser nur einen von zehn Fällen rechtfertigen sollte. Diesen Werdegang des Wiederentdeckens des Gewissens, welches kurzfristig von Gefühlen getäuscht wurde, wird relativ kurz aber überzeugend abgehandelt. Denn viel Zeit bleibt Hardin nicht, tritt er doch erst im letzten Drittel des Streifens dem Geheimbund verschworener Richter bei, so dass der Aufhänger, mit dem Peter Hyams Genre-Beitrag üblicher Weise beworben wird, lediglich Teilbereich des kompletten Thriller-Dramas ist.

Dank einer überzeugenden Erzählung, die einen nahe an die Thematik herantreten lässt (spätestens durch den hoch sensiblen Fall um einen Kinderporno-Ring), und einen somit die Gefühlswelt des Richters empathisch mitempfinden lässt, ist es auch gar nicht weiter wild, dass der Aufhänger erst so spät bedacht wird. Immerhin schaut sich "The Star Chamber" (Originaltitel) erfrischend angenehm, ist er doch weit weniger reißerisch ausgefallen, als die Geschichte zunächst vermuten lässt. Anstatt lauter Töne geht Hyams seinen Film in ruhigem Tempo an, nie zu sehr auf die Bremse tretend, aber immer darauf achtend, dass kein Szenario zu gehetzt wirkt und jeder Aspekt und Charakter genügend Raum beschert bekommt. Frei von Klischees ist ein Film, der sich im klassischen Muster der Kriminalgeschichten von Kino und TV seiner Zeit bewegt, freilich nicht ausgefallen, aber "Ein Richter sieht rot" erhebt auch keinen Anspruch auf authentische Realitätsnähe. Der Film soll auf Thriller-Basis unterhalten, berichtet zwar von einem gesellschaftskritischen Dilemma, in welchem sich das Rechtsempfinden des Volkes befindet, verarbeitet dies aber zum Zwecke seines Genres, weniger um ein tatsächliches politisches Statement abzuliefern.

Für eine solch kleine Produktion guckt sich der Streifen angenehm professionell abgedreht. Trotz seiner Kostengünstigkeit weiß die Umsetzung in manchen Momenten regelrecht zu beeindrucken. Meiner Meinung nach erkennt man dies am deutlichsten im längeren Finalszenario, welches fotografische Besonderheiten hervorbringt, die das stimmige Treiben umso interessanter gestalten. Freilich ist auch Michael Douglas Anwesenheit, dessen Kinokarriere zum Zeitpunkt der Entstehung noch bevorstehen sollte, ein klarer Pluspunkt für den Film, zumal es gut tut, dass er noch nicht auf den Stereotyp festgesetzt wurde, der ihm mit Werken wie "Eine verhängnisvolle Affäre", "Basic Instinct" und "Enthüllung" beschert wurde. Abgesehen vom stimmigen Finale, bewegt sich der Streifen vom Spannungsgehalt her im Mittelfeld, was nicht weiter schlimm ist, da er von seiner interessanten Geschichte und einem gelungenen Drehbuch lebt, welches selbst nichtig scheinende Phasen in den Händen Hyams zu einer packenden Erzählung werden lässt. Jede Menge bekannter Gesichter bereichern dieses angenehme Ergebnis. Eine gelungene Schlusseinstellung, die geradezu nach einer Fortsetzung ruft (schade dass niemand diese erzählenswerte Geschichte angegangen ist), entlässt zum richtigen Zeitpunkt beendet aus einem sympathischen Film, der irgendwo in der dritten Reihe parkend darauf wartet von interessierten Cineasten entdeckt zu werden.  OFDb

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