26.06.2021

SCHRÄGER ALS FIKTION (2006)

Während ein Andy Kaufman die schräge Grundidee zu einem grotesken, analytischen Universum mit weiteren ungewöhnlichen Ideen ausgebaut hätte, konzentriert sich "Schräger als Fiktion" auf das Gefühlsleben seines Protagonisten und erzählt den Film eher verträumt Richtung "Die fabelhafte Welt der Amelie". Das Thema ist morbider als dieser, geradezu bitter ausgefallen, und doch wird eher ein lebensbejahender Streifen daraus, welcher die Ausgangslage und das was dahinter steckt nicht weiter hinterfragt, zwar als ungewöhnlich und bizarr erkennt, sich aber lieber auf die Auswirkungen dessen konzentriert, anstatt nach der wissenschaftlichen Ursache zu suchen. Marc Forsters Werk mag die Tragikomik-Variante von Carpenters "Die Mächte des Wahnsinns" sein, Harold ist jedoch real und nicht einzig Fiktion, so wie seine Autorin. Gekonnt mixt der Film schwarzen Humor, Drama und Romantik in einem intelligent weiter gedachten Szenario. Der Zuschauer ist emotional derart stark an Harold gebunden, dass man jegliche Gefühlslage mit ihm mitempfindet. Dementsprechend treffsicher fühlt sich die intellektuell unterkühlte Rolle von Dustin Hoffman an, die stets sachlich und ungeniert mit den neuen Erkenntnissen heraus rückt. 

"Stranger Than Fiction" (Originaltitel) entführt einen in seine eigene Wirklichkeit, bietet uns magisches Kino das sich gefühlsecht anfühlt und lässt einen etwas miterleben, das es so in anderen Filmen nicht zu erleben gibt. Er ist quasi das, wofür Kino geschaffen ist, spielt gekonnt mit seiner Idee und geht durchdacht die Konsequenzen dieser in Bezug auf die betroffenen Figuren an. Diese werden bis in die kleinste Rolle hervorragend verkörpert. Selbst die mir meist unangenehm auffallende Queen Latifah weiß in ihrem ungewohnt zurückhaltendem Spiel zu überzeugen. Will Ferrell zeigt was er schauspielerisch kann und beeindruckt damit ungemein, ebenso wie Emma Thompson, die ihre beste Leistung hier meiner Meinung nach in jener Szene vollbringt, in welcher Harold sie nach dem Lesen des Manuskripts auf der Straße anspricht. "Schräger als Fiktion" holt die Menschen dort ab, wo sie sich befinden, akzeptiert sie wie sie sind, und lässt dies unkommentiert auf den Zuschauer wirken. Der ordnet aufgrund seiner Erfahrung und Wahrnehmung für sich ein was er als eventuelle Gesellschaftskritik empfindet, was ein wirksamer Schachzug dieser fantastischen Tragikomödie ist, die frei von Moral daher kommt. Der Schluss der Geschichte ist durchdacht, konsequent und kompatibel mit der Stimmung, welche die Erzählung verursacht, was erst so richtig klar durch den Schlussdialog zwischen Autorin und Literaturprofessor wird.

Während sein 2018 erschienener, ebenfalls geglückter "Christopher Robin", der einen ähnlichen Genre-Mix präsentiert, an einigen zu dick aufgetragenen Kitsch-Momenten krankt, ist Forsters "Schräger als Fiktion" frei von solchem rundum geglückt, eben weil er sich nicht dem Mainstream-Publikum versucht anzubiedern. Oft scheint es so, bis die Geschichte derartige Einflüsse ebenfalls als durchdacht und konsequent offenbart, manches Mal gar nur subtil für jene, die es bemerken. Dieser wunderschöne Film ist das ideale Beispiel dafür, dass Gefühlskino durchaus intelligent ausfallen kann. Freilich benötigt man dafür einen Autor, der seine Kreation versteht, Ursache und Wirkung nachgeht und dem seine Figuren wichtig sind.  OFDb

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