Ein erwachsen gewordener, realitätsbezogener Workaholic wird mit seiner Kindheitsfantasie konfrontiert, die sich als real erweist und weckt in ihm die verloren gegangene Freude am Leben, an der Fantasie und am Abenteuer. Das erinnert stark an "Hook", einer unangenehmen Weiterführung von "Peter Pan", die in Kitsch, Moral und anderweitig unangenehmen Zutaten eines typischen US-amerikanischen Familienfilmes der 90er Jahre ertränkt wurde und somit alles andere als zu empfehlen ist. Da auch dieser Streifen aus den Disney-Studios stammt, darf man bei "Christopher Robin", der sich auf die damaligen "Abenteuer von Winnie Puuh" bezieht, sicherlich zurecht erst einmal misstrauisch sein. Um so mehr erfreut es festzustellen, dass Regisseur Marc Forster, der oft eher im härteren Kinobereich wie bei "Ein Quantum Trost" und "World War Z" unterwegs ist, ein bewegender Film geglückt ist, der auch Hartgesottenen das Herz erweichen lassen wird. Mit Ewan McGregor in der Hauptrolle hervorragend, da glaubwürdig und sensibel agierend, besetzt und eine angenehm unaufdringlich süßlichen Schar animierter Tiere präsentierend, ist die halbe Miete bereits erfüllt.
Sicherlich gewinnt die Geschichte keinen Innovations-Preis und an Klischees mangelt es ebenso wenig, aber sowohl dies als auch der durchaus vorhandene Kitsch werden entweder in angenehmer Dosis eingebracht, oder durch ehrliche Ambitionen überzeugend, anstatt aufgesetzt, umgesetzt. In der deutschen Synchronfassung überzeugt zudem die lieblich-traurige Stimme Winnie Puuhs, die einem erwachsenen Herz wahrlich ins Gewissen redet und jeden emotional für sich gewinnen müsste. Da die Traurigkeit des Stoffes stets mit einer angenehmen, eher stillen Komik einher geht, stimmt die Gewichtung dieser beiden Elemente. Wenn nun noch zudem ein liebevoller Respekt vor den Ur-Abenteuern Puuhs auch in kleinen Details wiederzufinden ist, haben zumindest Kenner der alten Geschichte nichts zu meckern (zumal die schrecklichen Eigenproduktionen der Disney-Studios um Puuh ignoriert werden). Ob man sich dadurch nun in seine Kindheit entführen lassen kann oder nicht, "Winnie the Pooh" (Alternativtitel) besitzt auch auf anderen Ebenen Retro-Charme, allein schon, weil er zu einer anderen Zeit spielt. Diese wird ebenso greifbar glaubwürdig wiederbelebt, wie die Bewohner des Hundertmorgenwaldes. Und der Übergang, bzw. die Methoden im Workaholic das Kind im Manne zu wecken, sind zudem nett anzusehen und somit nicht aufdringlich moralisch präsentiert. Allein die Dialoge zwischen Christopher und dem wahrlich nicht klugen und naiven Bär, sind dies beeinflussend ein hervorragendes Rezept und gehören auch unabhängig dieser charakterlichen Auswirkung zu den Highlights des Streifens.
An sich beweist das Drehbuch trotz Kitsch und Klischees den nötigen Spagat aus obligatorischen Disneyfilm-Zutaten und der angenehmen Art Emotionsfilm, die einen auf menschliche Art sensibel manipuliert, anstatt, wie durch das Entstehungsland eigentlich zu erwarten, mit Holzhammer-Propaganda. Einzig gegen Ende wird "Christopher Robin" diesbezüglich zu plump. Wenn Christopher sich seiner Tochter zuwendet, weil er seinen Irrtum nun einsieht, kommt die Reue konstruiert, psychologisch unglaubwürdig und realitätsfern daher, vergleichbar mit der Schluss-Sequenz aus "Der Spielgefährte", der damit bewies sein Original "Das Spielzeug" nicht verstanden zu haben. Da dies aber erst ganz am Schluss sauer aufstößt, und "Christopher Robin" zuvor bei einem nicht all zu strengen Publikum mit all seinen Vorzügen punkten kann, ist auch dieser unangenehme Tiefpunkt verziehen. Allerdings muss man sagen, dass der Schluss auch in den anderen Bereichen nicht wirklich Vorzeige-Kino ist. Die Versöhnung mit der Frau wird überstürzt durch Kennenlernen der Fantasie-Tiere ins wilde Finaltreiben integriert, und die Auflösung mit dem faulen Vorgesetzten hätte auch eine Spur sensibler und weniger überstürzt eingearbeitet werden können. Umso schöner ist es festzustellen, dass die wahrlich wichtigen Bereiche des Stoffes einen derart missachtenden Umgang nicht erhielten, sondern ganz im Gegenteil genügend Zeit bekommen sich zu entwickeln und innerhalb einer abenteuerlich tragikomischen Geschichte beim Zuschauer die richtigen Knöpfe drücken. OFDb
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