17.10.2023

BIS DAS BLUT GEFRIERT (1963)

Die gruseligsten Filme, die ich kenne, und die selbst mir als eingefleischten Horrorfreund noch immer Angst bereiten, sind "The Blair Witch Project", "Paranormal Activity", die erste Ami-Version von "The Grudge - Der Fluch" und "Bis das Blut gefriert". Dass Letztgenannter diese Fähigkeit besitzt, noch immer, fast 60 Jahre nach seiner Entstehung, ist faszinierend, liegt aber auch an der Raffinesse der Methodik, die im Gegensatz zum Komplettfilm, zeitlos zu nennen ist. Was damals erschreckte, erzeugt heute noch Gänsehaut, auch nach der x-ten Wiedersichtung. Erstmals sah ich "The Haunting" (Originaltitel) in einer Gewitternacht, ohne dass ich mich vorher über ihn informierte. Ich dachte das Wetter zur sehr späten Uhrzeit, wäre ideal zur Sichtung eines kleinen, naiven Schwarz/Weiß-Gruslers. Von wegen naiv, der Film ängstigte mich allein zu Hause, wie danach nie wieder so extrem. Das lag aber auch daran, dass ich ihn in all den Jahren stets jemandem zeigte, also weder nachts allein bei Gewitter zu Hause war, noch dem Film einzig nur meinen Gedanken ausgeliefert war. Gruselig ist er auch beim gemeinsamen Gucken, ängstigen tut er mich in geringerer Form noch immer. Und dies obwohl ich weiß was kommt, wohin alles verläuft und warum mich der Film immer wieder eiskalt erwischt.

Mag er bei manch weniger Zartbesaiteten dieses Gefühl von Grusel auch eventuell nicht erfüllen, so sei dennoch ein Blick zu riskieren, genießt "Das Schreckenshaus" (Alternativtitel) doch nicht nur im ängstigenden Bereich einen hohen Ruf, sondern auch von seiner Filmkunst her. Die erste Verfilmung von insgesamt drei (Nummer 3 ist eine Streaming-Serie) ist derart hervorragend fotografiert, dass selbst Mario Bava neidisch würde. Der Film ist ein Augenschmaus, gerade auch dadurch, dass er in Schwarz/Weiß gehalten ist. Auf der einen Seite bietet er einen hohen Kunstaspekt, rein von der Ästhetik her, auf der anderen Seite ist die Optik Teil des psychologischen Plans. Wir verirren uns in diesem undurchsichtigen Haus ebenso, wie die Figuren zu Beginn. Es ist weder mental, noch von den Räumlichkeiten her, ein nachvollziehbarer Ort. Man fühlt sich, nicht nur durch den bestätigenden Off-Kommentar Eleanors, in einer Falle gefangen. Was Optik und Theorie an Orientierungslosigkeit erreichen, erfüllt umgekehrt das klare Festnageln der Anwesenheit des Bösen, in Form von Klang, durch anderweitige Tricks. Die Kameraführung, der wandernde Blick der Protagonisten, sie alle verhelfen uns dabei immer lokalisieren zu können, auf welcher Höhe sich der Spuk in Form von dumpfem Trommeln gerade befindet. Man spürt es bereits als sich vor der Tür eines Zimmers befindend, noch bevor es sein Dasein mit Psychoterror offenbart. Spezialeffekte benötigt Robert Wise dafür nicht. Klang, Kamera, schockierte Figuren reichen aus, einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen, so wie es der deutsche Titel verspricht.

Zwar darf sich auch mal ein Türknauf von selbst bewegen und eine Tür sich unheimlich nach innen dehnen, aber das sind im Gegensatz zur CGI-Überflutung der Neuverfilmung "Das Geisterschloss" von 1999, auch die einzigen Spezialeffekte, dies und der plötzlich sichtbare Atem an einem kalten Fleck im Haus, ganz ohne Schnitt, wenn die Figuren zuvor unsichtbar fern des Flecks atmen. Es sind derartige Gedankenspiele, wie besagter nicht erklärbarer Fleck, der viel am Schrecken zusätzlich zur stimmigen Musik- und Soundkulisse, der wirksamen Einrichtung und der packenden Bilder ausmachen. Der Gedanke über Gegenstände, die sich nur im Augenwinkel bewegen, bis man hin guckt und man von da an keine Bewegung mehr wahr nimmt, das Unterteilen des Unbegreiflichen in Form noch nicht vorhandenem Wissens und der immer rätselhaft bleibenden Spukwelt, die Hintergrundgeschichte des Hauses, die als schauerlich verschmitzte Einleitung seinesgleichen in der Filmwelt sucht, die Gedankenwelt der Protagonisten, die vielen lediglich angedeuteten Elemente in Sachen Spuk, Psychologie, Charakterzeichnung, die nie wirklich erkennbare Grenze aus Wahn und Spuk, während deutlich wird dass beides parallel nebeneinander Einfluss nimmt (wohl ein Grund dafür warum Sam Raimi in "Tanz der Teufel" nicht nur das Spiel des Übernatürlichen mit dem Verfall in den Wahnsinn übernahm, sondern auch ähnlich optische Spielereien wie hier zu erleben serviert), und nicht zuletzt das verstörende Einfangen einer eiskalten Haushälterin, welche die immergleichen Sätze spricht, "Vor Schrecken gebannt" (Alternativtitel) lebt von solch vielen Einflüssen und Elementen, die alle in handwerklicher und geistiger Perfektion angegangen wurden und perfekt wie ein Zahnrad ineinander greifen. 

Hier ist niemand anwesend, der kein Profi seines Fachs wäre, vor wie hinter der Kamera. Deswegen vernachlässigt Robert Wise, der sich nie in ein Genre stecken ließ und in jedem Filmbereich Sehenswertes ablieferte ("West Side Story", "Star Trek - Der Film", "Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All", "Der Tag, an dem die Erde stillstand"), auch nicht den Bereich der Dramatik, den er u.a. ungewöhnlich einfängt, wahrscheinlich an der Buchvorlage orientiert, durch Eleanore stets hörbare Gedanken per Off-Kommentar. Was als gewöhnungsbedürftige Stil-Methode beginnt, wird zu einem der genialen Kniffe eines Streifens, den ich zu den besten Horrorfilmen überhaupt zählen würde. Ob gekonnte Beobachtungen des verlogenen Spießertums in der Wohnung von Eleanors Schwester, das heimliche Bangen ums Geliebtwerden, samt Enttäuschung beim Erfahren einer ehelichen Bindung des Angebeteten, die kaum greifbare lesbische Natur von Theodora, die Einwirkungen all dieser Elemente zum Spielball des Bösen, die Parallele von Eleanors vergangener Sorgenwelt, die sie noch immer verfolgt, in Bezug auf die Historie von Hill House, bezüglich des Bummerns an der Wand beim Versorgen einer hilfsbedürftigen Person, der Ursprung des Spukinteresses des leitenden Wissenschaftlers, alles ist durchdacht, besitzt Hand und Fuss und Einfluss auf das Komplettgeschehen. Nichts wird dem Zufall überlassen, während gleichzeitig nie das Gefühl von Formelkino aufkommt - nicht einmal in der Figurenzeichnung, die manchen Stereotyp geradezu provozierend streift.  Wiki

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