Interessant ist u.a. der häufige Perspektivwechsel. Menschen offenbaren sich als anders als zuvor ausgelebt und dargestellt, Parteien formieren sich neu, verschiedene Themen und Argumente schweißen jeweils andere Personen aneinander. Die Selbstrefelexion läuft nie so gekonnt wie die Schuldzuweisung, die Moral und das Recht auf Egoismus werden eingefordert, das Missionieren anderer wird angeprangert und der Ignoranz gegenüber gestellt, intellektuelles Denken gerät mit emotionalem Denken aneinander. Persönliche Blickwinkel legen sich Eigenschaften und Erkenntnisse so zurecht, dass sie dem eigenen Weltbild und der Selbstwahrnehmung nicht widersprechen, so dass aus ihnen Rechtfertigungen, Ausreden, Beschimpfungen und Selbstmitleid werden. Kultiviertes Verhalten wird als Lebensstrategie entlarvt und damit als purer Egoismus dargestellt, kurzum erleben wir in diesem Kammerspiel allerhand menschliche Wahrheiten aus subjektiven Sichtweisen vorgetragen, in welchen sich Reife und Unreife, Treffsicheres und Unpassendes, sowie Grenzsetzung und freies Aussprechen stets abwechseln und vermischen.
Dass man sich zum extremen Ausufern der Situation den Alkohol zunutze macht, kommt "Carnage" (Originaltitel) in seiner Glaubwürdigkeit gelegen. Denn so sehr er auch das zivilisierte Verhalten gekonnt aushebelt und die Gesellschaft psychologisch gekonnt reflektiert, nicht immer kommt der Streifen im natürlichen Fluss wirkend, unverkrampft daher. Zudem beinhaltet er, auch aufgrund dieser manchmal verkrampft wirkenden, sicher auch dem Theater-Ursprung des Skripts geschulten, Herangehensweise, kleine Unglaubwürdigkeiten. Dass eine der vier Personen sich, nachdem sie meist der vermittelnde Part war, als vollkommen asozial im tiefsten Herzen herausstellt, wirkt psychologisch nicht gekonnt herausgearbeitet, zumal die Offenbarung sehr plötzlich, ohne passenden Auslöser, vonstatten geht. Auch das Fehlen eines Hinarbeiten zu einer gezielten Pointensetzung fehlt dem Mix aus Drama und Komödie, an welchem der Autor der Bühnenvorlage zusammen mit Regisseur Roman Polanski am Drehbuch arbeitete. Das Szenario endet willkürlich, arg plötzlich, und dass ich dies nicht als positives Stilmittel empfinde, obwohl ein Schnitt mittendrin mehr Sinn macht als ein Pseudo-Schluss, wie z.B. eine Aussprache, liegt sicher auch daran, dass ein Hamster als Pointenersatz herhalten muss.
Mit diesem möchte sich der Film weit augenzwinkernder, distanzierter, verspielter und verschmitzter geben, auch unterstützt durch die Leichtigkeit, welche die Hintergrundmusik versucht einzufangen, als er in seinem tiefsten Herzen mit seiner alles durchschauenden, intellektuellen Vorbildposition aus allen Poren eigentlich atmet, sich subtiler wahrnehmend, als er oftmals mit dem Holzhammer hantierend stattdessen arbeitet. Somit ist auch dieses aus Menschenhand geschaffene Produkt nicht frei von den im Film angesprochenen menschlichen Schwächen. Deswegen macht diese Eigenschaft den fertigen Film auch nicht unsympathisch, zumal er auch weiß wovon er berichtet und frei von Moral und Parteiergreifung ausgefallen ist. Das Ziel der Satire verfehlt er nicht, und hervorragende Schauspieler sorgen für den Rest. OFDb
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