Zudem wird die mutmaßliche Erkrankung trotz ihrer zentralen Bedeutung nur ein Teilaspekt eines facettenreichen Teenagerlebens. Damit umschifft der Film den Fehler zum reinen Betroffenheits-Krankheits-Drama zu werden und kann sich somit um die komplette Figur und die Gesamtsituation kümmern, um uns Einblick in ihre Gefühlswelt zu geben. Sich sexy geben, ohne betroffene Hautregionen zu zeigen, nicht zu wissen ob man in der Gruppe nur akzeptiert wird, oder Freunde hat, denen man sich wirklich anvertrauen kann, der bizarre Wandel des Körpers isoliert Mia innerlich von allen anderen, während sie nach Außen ein typischer Teenager ist, der Teil an der Jugendszene hat, Desinteresse an Eltern und Unterricht zeigt, sowie zwischen mutigem Individuum und Mitläufer pendelt. Abgesehen vom übernatürlichen Element, kommt "Blue My Mind" unglaublich authentisch daher, das macht ihn zu solch einem intensiven Erlebnis. Von Beginn an macht Brühlmann mit Einstieg in den phantastischen Teil der Geschichte klar, dass sie nicht rein als Sinnbild dient, kein Nebeneffekt von Drogenkonsum oder Flucht in die eigene soziale Blase bedeutet.
Gerade der optimistische Schluss, in dem eine oberflächlich scheinende Freundin ebenso zu überraschen weiß, wie das Ende der Metamorphose (zumindest für Leute die ohne inhaltliche Kenntnis an den Film herangegangen sind), zeigt dass es stattdessen darum geht seine eigene Persönlichkeit zu entdecken, unabhängig von Eltern und Jugendgruppe, und dass man manches davon hinter sich zurück lassen muss, um diese Selbstbestimmung leben zu können. Dass diese Aussage zusätzlich darauf setzt, dass Freunde als Begleiter eines Teilweges und als Hilfestellung dennoch von Nöten sind und einem gut tun, rundet die Sache angenehm ab, eben weil es bei diesen Aussagen nie um Moral und Erziehung des Publikums geht, sondern all dies einem mündigen Zuschauer vorgesetzt wird. Das einzige Makel liegt meiner Meinung darin, dass man den Zauber der Geschichte als Ausrede dafür nutzt keinen körperlich sachlichen Grund für die Metamorphose finden zu müssen. Erblich bedingt scheint das Ganze nicht zu sein. Woher kommt es also? Hier setzt "Blue My Mind" auf genau jene Fantasykrankheit, die mich oft von diesem Genre distanziert und mich lieber der Science Fiction zuwenden lässt, die Erklärungen zu liefern hat. Eben weil der Film kein Werk aus dem Blickwinkel einer Träumerin ist und stattdessen stark in der Realität verankert erzählt ist, hätte es zumindest einen Wink am Rande geben müssen, etwas das zumindest den aufmerksamen Zuschauer subtil kurz auf die Ursache aufmerksam macht.
Dieser Aspekt ist jedoch das einzig geistlose an einem ansonsten hervorragenden Jugend-Drama mit Anspruch auf Reflexion, Psychologie und Empathie, unterstützt durch eine Truppe talentierter Teenager im Zentrum und einem Drehbuch, das seine Figuren in sämtlichen Umständen versteht, nicht nur die Protagonistin. Zu empfehlen sei der in der Schweiz entstandene Film im Originalton mit deutschen Untertiteln, das macht ihn noch authentischer. Wiki
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