13.05.2023

DRACULA (1992)

Das berühmte Buch über den mächtigsten Vampir der Welt ist so unglaublich oft verfilmt worden, doch ich stimme der allgemeinen Meinung im Internet zu, dass dies selten so hervorragend geschah, wie in Francis Ford Coppolas Version aus den 90er Jahren. Abgesehen von der Fehlbesetzung mit einem unter schauspielerischer Größen negativ auffallenden Keanu Reeves, überzeugt jede Rolle. Die Technik ist dank ordentlicher Finanzierung auf dem neuesten Stand und dank Visionären in den Händen von Leuten, die diese sowohl effektiv, wie auch künstlerisch wertvoll einzusetzen wussten. In einem Film, der sich für eine Großproduktion äußerst vielschichtig analysieren lässt, wissen die Bilder zu erstaunen, der bereits bekannte Plot in einem Mix aus klassischer Erzählung und Modernisierung (z.B. die herrliche Neuinterpretation des Van Helsing) erneut mitzureißen, Bauten und Drehorte in ihrer Entfremdung für das Surreale, sowie für die Vergangenheit zu beeindrucken und gelegentlich zu irritieren, und eine gut erkennbare Verspieltheit des Regisseurs weiß einen im einen Moment zum Schmunzeln zu animieren (Dracula scheint gar nicht vor Harker seine Übernatürlichkeit verheimlichen zu wollen/können), nur um uns kurz darauf wieder zu beunruhigen oder zu gruseln. Harmlos ist die gerne auf Effekte achtende Mainstream-Version nicht, diesbezüglich täuscht Coppola gern, ebenso wie es der Ruf des Niveaus von Mainstream von sich aus tut. 

Die herausragend besetzte, titelgebende Figur weiß vielschichtig zu wirken. Dracula besitzt nicht nur eine dämonische Präsenz, die regelrecht gruselig über Entfernungen hinweg allerorts mit unterschiedlichsten Methoden zu verstören und zu manipulieren weiß, sein Schicksal fußt zudem auf einem tragischen Fundament, welches in "Bram Stoker's Dracula" (Alternativtitel) zu Genüge gewürdigt und bedacht wird, ohne den Blutsauger dafür an gefährlicher Ausstrahlung einbüßen zu lassen. Er darf Verführer, Liebender, Monster, Verfluchter und Verstoßener in einem sein. Selten fühlte man sich der Figur so nah, so intensiv wie sie hier verstanden wird, und selten erlebte ich eine derartige Vorgehensweise in einem Film, der eine solche Figur dennoch zum Aggressor erklärt. Mögen Gut und Böse, ob bei Dracula oder den anderen Figuren, auch nie komplett voneinander getrennt sein und gerade auch die Schlussentscheidung noch einmal die bisherige Motivation des Mobs in Frage stellen, nichtsdestotrotz ist Dracula das gefährliche Übel, das über dem Wohl der Bevölkerung schwebt und mit ihm sadistisch und eigennützig spielt. 

Es ist schön zu sehen, dass nicht nur Dracula genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird. Alle Charaktere werden genügend beachtet, so dass sie zum Mehrwert der Geschichte werden und man ihnen nah genug kommt, um sie zu verstehen und die kommenden Schicksale mitfühlen zu können. Was den Leuten hier passiert, soll uns nicht kalt lassen und lediglich die Geschehnisse vorwärts treiben, wie sonst meist im Horrorfilm üblich. Die Figuren sollen emotional, wie körperlich leiden, und der Zuschauer soll dies mitempfinden können. Kurzum gehen hier Respekt vor Verlusten, den Figuren und dem Urstoff Hand in Hand mit einem imposanten, flotten und bildgewaltigen Stil, einer analytischen und künstlerisch wertvollen Umsetzung und einem hohen Unterhaltungswert, der in der Regel den oberflächlich interessierten Konsumenten ebenso mitzureißen weiß, wie den vielschichtig interessierten Cineasten.  Wiki

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