24.07.2023

STROMBERG - STAFFEL 1 (2004)

Wenn man einmal bedenkt welch blasse Blaupause die US-Version "The Office" im Vergleich zur britischen ist, ist es umso schöner zu sehen wie geglückt die deutsche Variante ausgefallen ist. Auch sie kommt nicht an die geniale Originalserie "The Office" heran, ist aber ebenfalls eine weit überdurchschnittliche Serie, die unterschiedlichste Humorrichtungen integriert und jede Menge feine, wie grobe Gesellschaftsbeobachtungen vorweist, um diese satirisch durch den Kakao zu ziehen. Mag es auch hier um die Zusammenlegung zweier Abteilungen eines Büros gehen, Stromberg verlegen die Krawatte streicheln, so wie es David Brent im Original tat, und zwei Kollegen, die nebeneinander sitzen, eine Fehde austragen, unterschiedlicher könnten die Serien trotzdem kaum ausfallen, so verankert wie die Mentalität des jeweiligen Landes in beiden Serien ist, und so anders wie die Figuren hier charakterisiert sind.

Ulf kommt als Mobber seines Sitznachbarn und als Flirtender mit der attraktivsten Bürokraft der Abteilung seinem britischen Original noch am nächsten, ist aber selbtbewusster als dieser charakterisiert und hat im Laufe des ersten Jahres bereits Erfolg mit der Annäherung an die Love Interest (wobei hier eher das instinktive Baggern, anstatt ein Verliebtsein, zur Motivation wird). Tanja, so ihr Name, ist im Gegensatz zu ihrer britischen Vorlage eher karrierebewusst und frisch Single. Berthold, der Außenseiter der Firma (was sich schon in der von ihm ungewollten Namensgebung Erni seiner Kollegen widerspiegelt),  ist im Gegensatz zur Version aus England ein kindisches, auf sich fixiertes, ewiges Mobbingopfer und dies schon lange vor seiner Arbeit im Büro. Zwar wird auch er mit Chefallüren ohne Chef zu sein charakterisiert, wie sein britisches Gegenbild, dies aber ohne Rückgrat versehen, optisch zum schwitzenden Dämlack gemacht und ohne den militärischen Hintergrund versehen, der für die Vorlage so wichtig war. 

Am deutlichsten wird der Unterschied zum Vorbild, welches man erst nach einer Klage von Ricky Gervais ab der zweiten Staffel im Abspann offiziell zugestand, in Bezug auf die Hauptrolle. Stromberg ist kein Entertainer wie David, er ist ein Überlebenskünstler. Er beherrscht nicht einmal die grundlegenden Anforderungen an seinen Beruf, geschweige denn jene seiner Untergebenen, hat sämtliche Entwicklungen seit seinem Aufstieg verschlafen, bislang eine ruhige Kugel geschoben, und nun, aufgrund besagter Zusammenlegung, rückt er plötzlich ins Visier der Vorgesetzten, wo er zwar nicht sein Können beweisen kann, aber strategisch über Leichen gehend versucht sich anderweitig über Wasser zu halten. In seinen Worten und seinem Tun spiegeln sich Dreistigkeit, Verzweiflung, Inkompetenz und Selbstüberschätzung weit mehr ab als gekonnte Strategie. Im Kampf um den Erhalt seiner Position wird keine Rücksicht auf wen anders genommen, während er dem Fernseh-Team, das ihn auf Schritt und Tritt begleitet ("Stromberg" ist ebenso wie "The Office" als Fake-Doku angelegt), weiß machen möchte, was für ein sozialer Team-Player er sei und welche Stärken und Fähigkeiten er im Gegensatz zu jedem Vorgesetzten und seinem direkten Konkurrenten besitzt. 

Gerade in den Monologen Richtung Kamera beweist Stromberg seine Fahne nach dem Wind, seinen ständigen Wechsel von Meinungen, Strategien, Mentalitäten und Charaktereigenschaften, Methoden die zum Leid seiner Mitarbeiter führen und zum Ärger seines Konkurrenten, der Vorgesetzten, ja sogar des Kochs der Kantine. Dass eine Person wie Stromberg ausgerechnet eine Frau zur Vorgesetzten hat, wird nicht ganz so ausgekostet, wie im Original, dies etwas subtiler und nebensächlicher eingebracht, als in der ansonsten weit feinfühligeren Vorlage "The Office", dafür aber die Linientreue der Position stärker hervorgehoben als dort, was die Chefin Strombergs zum noch unangenehmeren Charakter als die Hauptfigur selbst macht. Dies gibt den Autoren die Chance Stromberg auch berechtigte Momente des Ärgers und der Verzweiflung zu bescheren, denn trotz jeglicher absichtlich übertriebenen Comic-Komik bleibt er ebenso Mensch, wie die restliche Figurenschar, mit Ecken, Kanten, Graustufen, guten und schlechten Seiten, was wichtig ist für eine Serie, die das tatsächliche kaufmännische Berufsleben trotz satirischer Spitzen lebensecht per Fake-Doku aufs Korn nehmen möchte. 

Eher plump fällt im ersten Jahr die Figur der Erika aus, die kein Vorbild aus dem britischen Vorgänger besitzt, und eingebaut wurde, um die klassisch gesellige Bürokraft zur Unterstreichung der anvisierten Authentizität mit an Bord zu haben. Abgesehen vom Running Gag zum letzten Drittel der acht Folgen lang laufenden Staffel 1, dass ihr ständig gekündigt wird, darf sie als mollige Person stets für Witze rund ums Essen herhalten und zum Gegenstück der attraktiven Tanja werden. Aber nicht nur sie reift im Laufe der kommenden Staffeln, die komplette Serie findet sich lange Zeit von Staffel zu Staffel immer mehr selbst. Umso erstaunter darf man sein, wie grandios schon das erste Jahr ausgefallen ist. Einzig Berthold erlebt bereits hier und im Folgejahr seinen Höhepunkt, bevor Fehlentscheidungen seinen Part in der Serie immer mehr zum Störfaktor machen. Aber davon berichte ich ein andermal.  Wiki

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