26.10.2023

DER EXORZIST (1973)

In jungen Jahren sah ich seinerzeit "Der Exorzist" und fand ihn mit völlig anderem Filmgeschmack als heute ziemlich mittelmäßig. Und obwohl ich wenig um meine Meinung aus dieser Zeit gebe, fällt es mir schwerer, in meiner Erinnerung negativ geprägte Filme ein zweites Mal anzugehen, anstatt ein mir komplett unbekanntes Werk zu sichten. Dementsprechend lang hat es gedauert, diesem berühmten Klassiker eine weitere Chance zu geben, wissentlich dass sich ohnehin alles wie eine erste Sichtung anfühlen wird. Einzig durch die etlichen Parodien war mir einiges im Vorfeld geläufig. Und nun, nachdem ich Friedkins berühmten Genre-Beitrag ein zweites Mal sichtete, kann ich meine alte Meinung über diesen unter Horror-Fans kultisch verehrten Film auch kein bisschen verstehen. "The Exorcist" (Originaltitel) bietet genau das, was einen guten Horrorfilm ausmacht, eben weil er u.a. grundsätzlich darauf achtet was überhaupt einen guten Film ausmacht, egal welchen Genres, was wohl auch erklären dürfte, warum sich nicht nur Dauergäste dieses Gebiets für "Der Exorzist" interessieren. 

Man nimmt die Figuren ernst, gewährt ihnen Charakter und eine Entwicklung und den Zuschauer Einblicke in ihr Wesen, ihre Beweggründe und ihre Empfindungen. Man baut das zu Erzählende auf der Dramaturgie auf, und man lässt sich Zeit dass auch die Geschichte sich entwickeln kann. Hierbei achtet man nicht einzig auf Schauwerte und Höhepunkte, sondern blickt besonnen auf das was kommt und war zurück. William Peter Blatty, der Produzent und Autor dieses Filmes, der ebenfalls die Buchvorlage schrieb, ging reflektiert heran, weiß warum Figuren handeln, wie sie es tun und Situationen so verlaufen, wie aufgezeigt und sich gegenseitig beeinflussen, wie hier erzählt. Das Gezeigte macht Sinn, trotz Übernatürlichkeit, trotz dem Eingeständnis das Christentum habe recht, eben weil "Der Exorzist" glaubwürdig erzählt ist, typisch 70er Jahre US-Kino keine strahlenden Helden serviert, sondern gebrochene Menschen, Menschen die mit ihren innereigenen Dämonen kämpfen und die es nun mit wem zu tun bekommen, der tatsächlich einen in sich trägt. 

Inmitten einer stilvollen und würdevollen Umsetzung der handwerklich professionellen Art, wirken die lauten Momente umso intensiver. Was Regan im zarten Alter von 12 Jahren über die Zunge des Teufels vulgäres von sich gibt, schockt selbst 50 Jahre später noch, und dies nicht nur bei einem konservativen Publikum. Die Maske, die berühmte Kotzszene, sämtliche Provokationen sind auf der besonnenen Grundlage treffsicher eingebaut, wissen als das zu wirken, wofür sie gedacht sind, anstatt einzig mindere Bedürfnisse des Zuschauers zu befriedigen. Aus diesem Mix zieht "Der Exorzist" ein Spannungspotential, jenseits von Grusel oder wahrem Nervenkitzel. Das Schicksal des Mädchens ist uns wichtig, der Zustand des Pfarrers, die Wünsche der längst überforderten Mutter. Sie alle konfrontiert mit dem reinen Bösen, wird zu einer packenden Geschichte, die nicht trotz, sondern wegen der gewählten Langsamkeit fesselt, während sie zunächst allerhand Informationen sammelt, bevor sie in die Vorphase des Horrors eintritt, um erst im letzten Drittel einen Knalleffekt an den nächsten zu reihen. 

"Der Exorzist" ist Horror mit Würde, trotz Kotzen, Religionsbeipflichtung und vulgärer Worte. Friedkin unterzieht uns einem Terror-Trip, dem man sich nicht entziehen kann, sofern man Zugang zum typischen 70er Jahre-Stil bekommt, der uns zeigt was mündiges und experimentelles Kino auch in konzipierten Großproduktionen sein kann, wenn man dem Publikum nur genügend Mitdenken, Aufmerksamkeit und Interesse für Unbekanntes zutraut, anstatt es ihm weg zu erziehen, so wie es einem im heutigen US-Mainstream oft scheint.  Wiki

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