20.11.2023

BAXTER (1989)

Unter dem unsinnigen Alternativtitel "Bell mir das Lied vom Tod" bin ich in jüngeren Jahren auf diesen fälschlicher Weise in der Programmzeitschrift als Horrorfilm bezeichneten Film gestoßen, zu einer Zeit in welcher ich bereits alles Erreichbare aus diesem Genre konsumierte und einen anderen Filmgeschmack als heute hatte. Glücklicherweise machte mir diese Fehlinformation schon damals nichts aus, entdeckte ich doch bereits zu dieser Zeit, welch wertvolles Werk "Baxter" tatsächlich ist, eines welches ich seitdem alle paar Jahre immer wieder sichte und welches sich am ehesten noch unter dem Bereich Drama kategorisieren lässt. Es handelt sich um eine düster und bitter dargebotene Gesellschaftssatire, präsentiert über den Mikrokosmos einer Kleinstadt, versehen mit dem Kniff einen Hund als Erzähler zu besitzen. Der wird nicht im verniedlichten Sinne eingebaut, stattdessen versucht man, ebenso wie in der literarischen Vorlage, Baxters Gedanken am natürlichen Empfinden und den Bedürfnissen und Trieben eines Hundes zu orientieren. Wir erleben die Geschehnisse aus unserer Zuschauerperspektive, erfahren oft auch mehr als Baxter selbst, und der kommentiert dies wiederum aus seiner Sichtweise, bleibt dabei aber keineswegs passiv, denn viele seiner Gedanken führen logischer Weise zu Taten. Manche davon empfinden wir als Bedrohung, manche als Befreiung, alles je nach Situation und Lebensumständen. 

Baxter wird zur Identifikationsfigur seiner drei Lebensphasen, die uns episodenartig vorgesetzt werden, obwohl, typisch Kleinstadt, jede freilich miteinander zu tun hat. Personen einer späteren Phase tauchen bereits früher auf, alles hat Einfluss aufeinander, mal direkter, mal indirekter. Eigentlich existiert im Film nur eine einzige sympathische, da nicht sonderlich egoistische, Figur, und das ist die Randfigur eines alten Mannes, der u.a. beklagt, dass heutzutage nur noch jeder an sich selbst denkt. Das gibt den roten Faden, der "Baxter" umgibt, so simpel, wie gut wieder. Der Film zeigt uns eine emotional stumpfe Gesellschaft, beginnend in Episode 1 mit einer stolzen, alten Dame, die sich nach einem Unfall isoliert und wunderlich wird, worunter ganz besonders ihr Hund zu leiden hat, der widernatürlich gehalten wird. Während der Mittelteil, wenn ein junges Paar Baxter "adoptiert", zunächst positiv anmutet (und diese Phase, bzw. der Übergang zur nächsten, meiner Meinung nach etwas zu kurz gehalten wird), zeigt sich hier ein ganz natürlicher Egoismus. Aus Liebe zum Partner wird aufgrund eines Kindes schnell eine Zweckgemeinschaft, in welcher der Mann das Interesse an Intimitäten verliert. Und der vorher ach so herzliche Umgang mit dem Hund, als Teil der Familie, wird über Angst und Mutterinstinkte zu einer kühlen Art, in welcher man das Tier aus den eigenen Reihen verstößt. Im letzten Kapitel, und das ist der psychologische Clou an der kompletten Erzählung, stößt Baxter auf seinen neuen Besitzer, einem jungen Teenager, der ihm sehr ähnlich ist. Der Junge ist das Produkt dieser emotional verkrüppelten Gesellschaft. Was an Baxter natürlich ist, ist an dem Jungen unnatürlich. Dementsprechend düster fällt gerade diese Phase aus, die nur in einem Drama enden kann.

Die Schlusssequenz des Streifens mit den Überlegungen am Fenster, sowie der Monolog der verstorbenen, alten Dame, dem der einst mit ihr befreundete ältere Herr zur Filmmitte auf dem Friedhof lauscht, sind die beiden Momente, die mir in ihrer düsteren Poesie noch heute eine Gänsehaut bescheren und mich emotional am meisten berühren. Aber ohnehin ist "Baxter - Ein Höllenhund" (Alternativtitel) ein Geschenk für Cineasten, einfach ganz großes Kino, so hervorragend wie er in wirklich jeder Rolle besetzt ist (inklusive Teenager und Hundesprecher), so gekonnt wie er die Natur von Mensch und Hund reflektiert, bewusst in Verbindung bringt und allgemein psychologisch gekonnt Ursache und Wirkung aufzuzeigen weiß und uns dies verschmitzt, aber fast nie humoristisch, aus zwei Perspektiven zugleich serviert. Der Autor geht realistisch mit unserer Spezies um, verurteilt oder beschönigt nicht, obwohl die Aussagen, die getroffen werden, sehr deutlich sind, allein weil ohne sie die Geschichte nicht in dieser Konsequenz erzählt werden könnte. Trotz dieser Deutlichkeit bleibt "Baxter - Bell mir das Lied vom Tod" (Alternativtitel) Kino des Entdeckens. Vieles soll man selbst begreifen. Letztendlich lebt der Streifen aber von so vielen Motivationen, die einen begeisternd dran bleiben lassen (der gekonnte Spannungsbogen, der Kniff des Blickwinkels eines Hundes, die unter die Haut gehende Dramaturgie), dass man "Baxter" sicherlich auch dann als positiven Film empfindet, wenn man ihn gar nicht komplett verstanden hat, oder nur instinktiv als gelungen empfindet.  OFDb

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