09.08.2024

HEXEN (1922)

Eine alte Bettlerin wird der Hexerei bezichtigt. Ihre Verurteilung ist der Beginn einer Spirale etlicher Beschuldigungen gegenüber allen möglichen Personen selbiges zu sein...

Speichel sind die Tränen der Hexen...

Ich weiß nicht wie sehr das Reflektieren der Thematik um Hexenverbrennungen zur Entstehungszeit von "Häxan" (Originaltitel) in der Allgemeinheit präsent war, aber Benjamin Christensens Werk sieht sich als Aufklärung über Aberglauben, insbesondere den Bereich der Hexenjagd im Mittelalter. Er zeigt in seinem halb dokumentarischen Werk Gründe für Anschuldigungen, Methoden der Folter, Rechtfertigungen, Beweisführungen, Wege der Unterdrückung, das Leben mit der Angst vor Sünde, dem Bösen und der Anschuldigungen. Er zeigt uns mal anhand von alten Zeichnungen (die aufgrund der eingeblendeten Texttafeln meist zu kurz im Bild zu sehen sind), mal in Form von Spielszenen woran geglaubt wurde, wie in welcher Phase der Menschheit das Weltbild aussah, was Hexerei ausmacht, wie sie gelebt wurde und warum. Details der gezeichneten Dokumente von einst werden geradezu klassisch mit einem Zeigestock markiert. Beeindruckend, nicht nur aufgrund vergangener Glaubensansätze, sondern auch  in ihrer Vielfältigkeit der künstlerischen Ausdrucksform sind sowohl sie, als auch die liebevoll und spielfreudig inszenierten Filmszenen, die mit detailfreudigen Kostümen und Einrichtungsgegenständen, sowie manch schwieriger Spezialeffekten überzeugen und zu interessieren wissen, freilich geradezu in jeglichem Klischee badend, wie man sie heute nur noch in Kinderstoffen wiederfinden würden, eben weil es um frühe Phasen entsprechender Aberglaube geht und "Die Hexe" (Alternativtitel) selbst nun auch mittlerweile über 100 Jahre auf dem Buckel hat. 

Aber so augenzwinkernd manches auch scheint und selbst zur Entstehungszeit dieses schwedischen Filmes schon war, man nimmt das Erzählte freilich ernst, lässt es uns doch in ein trauriges und düsteres Kapitel der Menschheit blicken. Und was verspielt, z.B. mit einem klassischen Teufel mit ewig herausgestreckter Zunge (und dem Küssen seines Hinterns zur Ehrerbietung), amüsiert, ist schnell vergessen, wenn uns Werkzeuge und Methoden der Folter gezeigt werden, die in ihrer Gnadenlosigkeit zu den bizarrsten Geständnissen geführt haben, von denen wir nur einige wenige Beispiele zu hören bekommen. Im letzten Drittel trumpft der Streifen mit dem Gegenüberstellungen damals aktueller psychologischer Erkenntnisse, insbesondere zum Phänomen der Hysterie, um diese der Beweisführung in Hexenprozessen gegenüber zu stellen. Etwas arg moralisch und übertrieben verglichen wirkt die Mahnung an die Gesellschaft der Gegenwart, wenn das Wegsperren alter Menschen in Heime verglichen wird mit den häufigsten Opfern der Hexenjagd: ebenfalls den alten Menschen. Eine warme Dusche vom Personal wird per Überblendung auf das Brennen auf dem Scheiterhaufen als etwas Vergleichbares erachtet, hier wird auf zu übertriebene Art versucht uns auf etwas selbstverständlich gewordenes aufmerksam zu machen, um zu zeigen dass Fragwürdigkeiten stets als normal erachtet werden, wenn sie zum jeweiligen Alltag seiner Zeit gehören. Bei diesem Versuch geht der Film ähnlich extremistische Wege, wie Veganer von heute, die Fleisch essen mit Vergewaltigung gleichstellen, sprich, diese Phase des Filmes kann man, trotz berechtigtem Wachrütteln, nicht ernst nehmen. Sie mutet zu bitter moralisch an. Effektiv tauchen zur Untermauerung der Vergleiche Darsteller aus den Mittelalterszenen auch in jenen der Gegenwart wieder auf. Der Rest von "Witchcraft Through the Ages" (Alternativtitel) schaut sich jedoch ansprechend, wenn auch manchmal etwas zerfahren in seiner Episodenhaftigkeit bei einer Lauflänge von über 100 Minuten.  Wiki

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen