19.09.2012

DER JUGENDRICHTER (1960)

Jugendrichter Bluhme geht mit jungen Straftätern verständnisvoll um. Statt Härte setzt er auf sozialfördernde Urteilssprüche. Bei der uneinsichtigen Inge Schumann bleibt ihm jedoch nichts anderes übrig als Jugendhaft zu verhängen. Die als Lockvogel einer Erpressung behilfliche junge Dame nimmt nach dem Urteilsspruch reißaus und droht aus dem Fenster in die Tiefe zu springen. Damit sie es nicht tut, gibt Bluhme ihr sein Ehrenwort, dass sie frei kommt. Damit sie trotzdem aus dem kriminiellen Umfeld herauskommt und Bluhme einen Blick auf sie hat, wird die Strafe umgeändert. Inge muss im Gasthaus, in welchem Bluhme wohnt, als Dienstmädchen arbeiten. Sein Vertrauen in die guten Seiten Inges wird auf harte Proben gestellt, denn das Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren...

Richter haben immer Recht...
 
Ein wenig erinnert der Film an den zwei Jahre zuvor erschienenen „Der Pauker“, in welchem Heinz Rühmann als strenger Lehrer den Draht zu seinen rebellischen Schülern findet, um sie auf den rechten Weg zu geleiten. In diesem machte allerdings auch die Erwachsenenrolle eine Wandel durch. „Der Jugendrichter“ ist in diesem Punkt anders, sogar schlichter gestrickt. Richter Bluhme ist der weise Mann, die jugendlichen Rebellen aufmüpfig, und da der Richter immer recht hat, sehen es später selbst die faulsten Äpfel ein.

Jugendkriminalität sah in den 50er und 60erJahren, zumindest wenn man den Medien glauben darf, noch ein klein wenig anders aus. Schüler stachen sich noch nicht gegenseitig nieder, Rebell war man, wenn man mit Lederjacke popelige Motorräder fuhr und mit Diebstählen sein Leben aufregender gestaltete. Scheinbar war die Mentalität angehender Krimineller noch eine Spur sensibler, denn mit welchen Methoden der Richter am Ende selbst die härtesten Brocken überzeugt, würde heute keinen 12jährigen mehr jucken.

Die Jugend ist halt immer ein Spiegelbild der Gesellschaft, auf der anderen Seite ist das Medium Film aber seit je her Zweck für Propaganda gewesen, gestern wie heute, in Amerika wie in Deutschland. Interessant ist zumindest der Ansatz der Erklärung der Kriminellen gegen Ende des Filmes, der erstaunliche Parallelen zum heutigen Denken vieler Leute aufweist, heute oftmals von Nichtkriminellen geäußert. In diesem Punkt geht der Film nicht so blauäugig vor, wie der Rest des Streifens und dies auch in Bezug auf den Richter, der den Straftätern nicht ganz Unrecht gibt. Seinen klagenden, predigenden Worten kann man dennoch nicht widersprechen.

Aber dies geschieht alles erst am Ende, zuvor darf man einen typischen Heinz Rühmann-Film sichten, wenn auch diesmal nicht aus dem Bereich der Komödie. Humor funkelt nur ein klein wenig durch, meist durch das schelmische Verhalten des Richters, der z.B. mit Tricks die Besitzerin der Pension in welcher er wohnt bei Laune hält. Selbst die kriminelle Inge schwätzt er ihr auf, was ihm mehr Probleme bringt als der Frau selbst. Das schaukelt sich für einen kurzen Moment so weit hoch, dass selbst die Karriere Bluhms auf dem Spiel stehen mag. Doch bis dahin hat sich die naive Geschichte schon so weit entwickelt, und Bluhmes weise Taten derart auf Inge abgefärbt, dass der Krisenmoment schnell verflogen ist, und die heile Welt sich weiter drehen kann.

Außer der eben erwähnten Ausnahme gibt es noch einen weiteren Moment, in welchem die Welt in „Der Jugendrichter“ nicht so lieblich und nett wirkt, wie im Rest des Films. Junge Diebe auf Motorrädern werden von Polizisten im VW-Käfer verfolgt. Die Gesetzeshüter schießen auf die Flüchtigen, einer findet im weiteren Verlauf den Tod. Das sind harte Bilder in einem sonst so seichten Film, der sein Thema, das zu mehr gereicht hätte, lediglich dafür verarbeitet 90 Minuten das Gefühl von Sicherheit und Wohlbefinden beim Zuschauer entstehen zu lassen. Die Welt ist gut wie sie ist, schau nicht aus dem Fenster um Dich eines besseren belehren zu lassen.

„Der Jugendrichter“ ist stockbieder, sein heile Welt-Bild manipulativ und seine Aussagen naiv. Dennoch ist der Streifen nicht uncharmant zu nennen. Mag sein dass es an der langen Zeit zwischen meiner Sichtung und dem Entstehungsjahr liegt. Heute wirkt der Film nur noch nostalgisch, sympathisch naiv, da aus einer völlig anderen Zeit stammend. Betroffen ist man von der dort angewandten Propaganda nicht mehr, rückblickend ist man immer schlauer.

Außerdem weiß mich Heinz Rühmann mit seinen sympathischen Darstellungen fast immer zu begeistern. Und der konservative Spießer in mir, der hoffentlich nie vollends ausbricht, träumt heimlich davon, dass die Welt doch so schlicht und einfach wäre, dass alte Tugenden und strenge Moral des Rätsels Lösung wären. Leider weiß der Realist in mir, dass die wahren Straftäter viel mächtiger sind, als es alle Ladendiebe und Internetkriminellen zusammen je sein könnten.  OFDb

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