19.09.2012

LADY DRACULA (1982)

Die junge, tote Catherine erwacht über eine Chemikalie zu neuem Leben. Ihre ihr ewig verbundene Blutsschwester Helene erkennt die heilende Wirkung fremden Blutes und beschafft ihr zur Genesung weibliche Opfer zum Aussaugen. Catherine versteht langsam was mit ihr geschah und sehnt sich zurück in den Tod...

Ein fester Schwur...
 
Jean Rollin ist einer der bekanntesten und umstrittensten Horror-Regisseure Frankreichs. Seine Werke sind für die einen Schund und für die anderen Kunst. Warum sich die Geister so scheiden wird beim Sichten von “Lady Dracula”, einem seiner berühmteren Werke, schnell klar. Nur selten sichtet man solch billig heruntergekurbelte Filmchen mit einer solch intensiven Wirkung.

Von Kunst würde ich nicht sprechen, zumindest nicht aus handwerklicher Sicht. Der Farbfilter dominiert zu sehr, die Gruft ist zu gut ausgeleuchtet, nie springt einen eine besondere Optik an. Die Darsteller sind sehr mittelmäßig besetzt, und das betrifft leider auch das Titelmädchen. Die Schnitte sind teilweise schlecht gesetzt, ganz besonders dann wenn es blutig zur Sache geht, ein Zustand der in “Lady Dracula” keine Seltenheit ist. Das könnte Gore-Freunde erfreuen, sofern diese Szenen gut inszeniert wären, sind sie in der Regel jedoch nicht. Wirklich zu gefallen weiß in diesem Punkt nur der Finalmoment, der experimentell das Thema Vampirismus mit Kannibalismus kreuzt.

Ohnehin will sich Rollins Kreatur nicht in eine Schublade stopfen lassen. Sie pendelt irgendwo zwischen Vampir und Kannibale, ähnelt in äußerlicher Erscheinung jedoch eher einem Zombie, wenn auch nicht die Art der verfaulenden Sorte angehörend. Catherine sieht aus wie jüngst verstorben und direkt wieder auferstanden. Dass sie bereits mehrere Wochen tot ist, sieht man ihr nicht an. Das ist nur eine der vielen Schlampereien des Filmes, die Totenstarre einmal außer Acht gelassen, die zumindest “The Return Of The Living Dead” als Ausnahmewerk so schön in den Vordergrund stellte, ein Zombiefilm welcher sich teilweise an der Idee von “Lady Dracula” bedient.

Das ließe sich jedoch auch von “Hellraiser” sagen. Helen schleppt Opfer ins Haus, damit die tote Catherine genesen kann. Die Übereinstimmungen sind deutlich. Verwandt ist diese Fast-Prostitution zum Opferfang auch mit dem Hauptelement aus “Baby Blood”, der ebenfalls aus Frankreich stammt. “Lady Dracula” bietet jedoch nie tatsächlich das was der Zuschauer erwartet. Und darin liegt einer seiner Reize. Sei es die lesbisch angehauchte Story mit viel nackter Haut, die einem interessanter Weise jedoch nie Lesben-Erotik bietet, sei es die Einführung des Heldenpärchens, das zur reinen Täuschung eingebracht wurde, oder sei es der emanzipierte Stil der Monster (ich benutze bewusst die Mehrzahl), die sich die Auflösung der Geschichte selbst herbeischaffen und nicht auf Fremdhilfe angewiesen sind.

Der Antrieb allem Geschehens ist ein Schwur, einst eingegangen aus Freundschaft, nun zu etwas pervertiert das den reinen Zwang verkörpert. Die Erinnerung an den Schwur lässt Catherine fast instinktiv zur eigenen Genesung morden. Und genau jener Schwur veranlasst Helene dazu ihrer Freundin zu helfen, eine Freundin mit unausgesprochener lesbischer Bindung, was keinesfalls nur der Provokation wegen für die Geschichte wichtig ist, sondern in einer Zeit, in welcher man gleichgeschlechtlich liebend verurteilt wurde, die psychologische Grundlage dafür ist warum beide Frauen solch fragwürdige Wege beschreiten. Sie mussten zu Catherines Lebzeiten schon Tabus brechen. Nun brechen sie das nächste.

Schon im 30er Jahre “Frankenstein” beschäftigte man sich mit der Frage wer das wahre Monster ist: der Tote oder der Mensch. Und spätestens mit dem Erscheinen von “Die Nacht der lebenden Toten” wurde dieses Thema immer wichtiger für die filmische Horror-Kultur. Selten jedoch durfte man diese Frage derart intensiv und emotional miterleben, wie in diesem Werke Rollins geschehen. Zunächst ist Catherine eine frisch auferstandene, mordende Kreatur, die aus einer Art lethargischen Zustand  handelt. Daraufhin erhält sie Hilfe von der ihr ewig Verbundenen Helene, die der Tatsache nicht ins Auge blicken kann, dass Catherine tot ist, bzw. dies bis vor kurzem war. Sie argumentiert den Zustand ihrer Freundin betreffend mit Ausflüchten, rutscht zunehmend von der Realität ab, während die heilende Blutbehandlung Catherine immer menschlicher werden lässt und zur Realität hin führt.

Der Clou ist nun, dass Catherine nicht rein körperlich menschlicher wird (wie könnte sie dies auch, sieht sie doch nicht wirklich tot, geschweige denn vermodert aus), sondern ihr menschliches Empfinden zurückkehrt. Der Verstand der Auferstandenen normalisiert sich. Ihr ethisches Denken kehrt zurück, und sie sieht es als Ungerechtigkeit an, dass andere sterben damit sie leben kann. Helene hingegen geht es schon lange nicht mehr um das Wohlergehen von Catherine. Es ist für sie eine Sucht die Tote normalisieren zu wollen, aus rein egoistischen Gründen. Das Flehen und Betteln der von ihr abhängigen Catherine interessiert sie nicht. Wahrscheinlich argumentiert sie innerlich mit dem Gedanken, Catherine wisse in ihrem Zustand nicht was gut für sie sei, dabei liegt die Sachlage ironischer Weise genau umgekehrt.

Leider finden nicht all diese tiefgründigen Elemente subtil zwischen den Zeilen statt. Im späten Mittelteil wird leider vieles von dem ausgesprochen das bereits ungenannt entdeckt werden konnte. Hier macht Rollin es sich zu einfach. Zu seinem Schutz muss man jedoch entgegen halten, dass der zu offen vorgetragene Dialog wiederum wichtig ist, um die fortschreitende, immer tiefer gehende Dramatik der Catherine herausarbeiten zu können. Selten wirkte ein Monster dramatischer, und das will schon verwundern inmitten mauer technischer Umsetzung und verkörpert von einer eher blass wirkenden Schauspielerin. Hier trumpft ganz klar das Drehbuch und die konsequente Vision Rollins.

Was emotional zu fruchten weiß, muss inhaltlich nicht immer Sinn ergeben. Löst man sich einmal von der Wirkung des Filmes, so macht die finale Auflösung in keinster Weise Sinn, so großartig sie auch den Nerv des Zuschauers kitzelt, und so großartig diese Szene auch eingefangen sein mag (hier trumpft endlich auch einmal die Optik). “The Living Dead Girl” (Alternativtitel) ist aber nun einmal ein Film den man mit seinen Sinnen genießen sollte. Dass wir hier letzten Endes Schund serviert bekommen, wird gerade in der Einführung klar, die eine viel zu banale Grundlage bietet, uninspiriert und zu schnell heruntergekurbelt umgesetzt wurde und jede Form möglicher Atmosphäre zu vergeigen weiß. Zu diesem Zeitpunkt würde man nie glauben, dass diesem Szenario ein solch intensiver und interessanter Film folgen würde.

Zwischen den Zeilen gibt es sicherlich auch viele Deutungsmöglichkeiten zu entdecken, gerade wenn es um den Aspekt der Wiederauferstehung, dem Suizid und dem Sehnen nach dem Tod geht. Sei es der religiöse Gedanke, der ebenfalls nach einer angeblichen Auferstehung im egoistischen Fanatismus endete, so wie hier verkörpert über Helene, oder die wesentlich interessantere und keineswegs weniger provozierende Frage nach der Menschlichkeit nach modernem ethischen Denken. Die Sensible, die sich nach dem Tod sehnt, ist menschlicher charakterisiert, als die gefühlskalte Lebenswillige, die ihren eigenen Willen auf ihre Freundin überträgt und den Tod besiegen will.

Welches Leben ist lebenswerter? Jenes das mit anderen mitfühlt, oder jenes das dem natürlichen Überlebenswillen folgt? Natur und menschliches Denken sind hier nicht im Einklang. Und Catherines Worte darüber, dass sie nicht aufgrund von Opfern weiterleben will, rückt zudem die Grundlage von Leben in den Vordergrund. Irgendetwas muss getötet oder zerstört werden damit das Leben weiter gehen kann. Ob Tiere, Pflanzen oder nur die Frucht. Leben geht mit Vernichtung stets Hand in Hand. Und wer zu sensibel ist damit leben zu können, wählt häufig den Freitod.

Wer also aufgrund einer schundigen Umsetzung voreilig auch den Inhalt des Filmes als plump und eindimensional verurteilt, der sollte sich zuerst einmal auf die Geschichte in ihrer Vielschichtigkeit und enormen emotionalen Wirkung einlassen, bevor er die technische Umsetzung mit dem Unterhaltungsergebnis gleichsetzt. Rollin, der in anderen Werken beweisen mag, dass er ein Künstler ist, lässt diesen rein optisch in “Lady Dracula” nicht entdecken. Aber der Kraft seiner Geschichte kann man sich nicht so leicht entziehen.  OFDb

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