Am Ende der überraschend überzeugenden ersten Staffel von „Daredevil“ ist so einiges passiert und erwähnt worden, was mich trotz des überzeugenden Gesamtergebnisses kritisch an Staffel 2 herangehen ließ. Allein dass der Titelheld nun nicht mehr in wirksamen, schlichten Klamotten auf Verbrecherjagd ging, sondern von nun an stattdessen ein lächerlich anmutendes, klassisches Superheldenkostüm trug, war eine ärgerliche, wenn auch nebensächliche, Angelegenheit. Zudem schien der erwachsene, bodenständige Stil Gefahr zu laufen mit einem angekündigten übernatürlichen Handlungsprozess zerstört zu werden. Und als ich dann noch erfuhr, dass der Punisher und Elektra, zwei zusätzliche Marvel-Helden, in bedeutenden Rollen vorbeischauen werden, bangte ich endgültig um den eigenständigen Stil der Serie, die sich so angenehm vom Herumgekasper der Marvel-Kinoproduktionen distanzierte. Würde das Einbringen des Marvel-Multiversums auf Serienbasis, so wie im Vorbild der Kinofilme, auch „Daredevil“ zu einem Massenprodukt degradieren? Drohte der Serie eine stilistische Anpassung an die Kinokollegen?
Ich denke diese Bedenken waren berechtigt, stellten sich aber als halbwegs unnötig heraus. Zwar kann die zweite Staffel nicht ganz an die Klasse der ersten heranreichen, bedenkt man aber einmal welchen Gefahren sie in den falschen Händen ausgesetzt gewesen wäre, kann man mit dem Ergebnis zufrieden sein. Interessanter Weise fanden sich positive wie negative Einflüsse an völlig anderen Stellen als vermutet. Das Kostüm blieb freilich Blödsinn, klar, aber zumindest wurde es relativ selten eingesetzt (in der ersten Hälfte der Serie haben wir es mehr mit Murdock, als mit Daredevil zu tun, in der zweiten Hälfte wechselt dies ins Umgekehrte), und wenn wir den guten Mann darin sehen, taucht er, wie typisch für die Serie im Allgemeinen, in dunklen Szenarien auf, so dass der Anzug nie grell leuchtet. Nichtsdestotrotz überzeugt Murdock im neuen Kostüm nicht mehr so gut wie zuvor, was weniger die Actionmomente betrifft oder sein düsterer Umgang mit den Verbrechern, sondern seine melancholische Stimmung. Der gesenkte Kopf mit traurigem Blick, welcher der Figur Tiefe und Tragik bescheren soll, wirkt in einem Kostüm mit Teufelhörnchen unfreiwillig komisch, selbst dann wenn das Szenario um ihn herum gelungen inszeniert wurde.
Das wirkt nicht nur theatralisch anstatt gefühlsnah, dies ist in Staffel 2 sogar des öfteren der Fakt. Freilich gehört eine gewisse Theatralik zu jeder Superheldenfigur automatisch dazu, besitzen sie doch eine innere Zerissenheit, die stets über das hinaus geht, was man als Zuschauer ernsthaft nachvollziehen kann. Dennoch schafften es die Autoren der ersten Staffel ähnlich wie viele „Batman"-Verfilmungen die aufgebauschten Gefühle inmitten von Melancholie und Düsternis lediglich etwas zu gefühlsschwanger wirken zu lassen - aufgesetzt ja, aber nicht unnötig theatralisch hochgeschaukelt. Das emotionale Wechselspiel zwischen Daredevil und Elektra, welches eher kindisch als erwachsen anmutet, kann mit seinem ständigen Wechsel aus belanglosen Gründen in aufgebauschten Liebes- und Hassgeständnissen auf pubertärer Ebene, keine echte, wirksame Dramatik aufbauen und wirkt nun nur noch als das was es ist: Superheldentragik, halbwegs passend zu konsumieren, aber außerhalb der Jugend nicht mehr ernsthaft mitfühlen lassend.
Gleiches gilt für die ohnehin bereits heuchlerischen Regeln des Daredevil, die in Werken wie „Super“ so hervorragend aufs Korn genommen wurden. Durch die Konfrontation mit dem anders denkenden Punisher werden nicht ernsthaft, wie erhofft, philosophische Dinge darüber was ein Held darf oder nicht angesprochen und Murdock dadurch in ein positives Licht gerückt, sein Glaube Täter brutalst Krankenhaus-reif zu schlagen wäre besser als die Personen zu töten wird gerade durch diese Konfrontation der Lächerlichkeit preisgegeben, und zerstört ein weiteres, bisher mögliches, Mitfühlen mit der Figur. In einem so ernsthaft erwachsenem anvisierten Stoff wie dem hier gebotenem, wäre es freilich wünschenswert gewesen, die Autoren würden mit solchen Dingen offen und ehrlich umgehen, anstatt ihnen zwanghaft Heldenhaftigkeit, Tiefsinn und innere Zerrissenheit anzudichten.
Um es kurz zu machen: die zweite Staffel Daredevil macht Spaß, trifft in ihrem düsteren Grundton auch meist ins Schwarze, und auch manch tragischer Aspekt weiß noch immer zu funktionieren, aber die Geschichte badet weit mehr im Kindergartenniveau als bislang, ist in seinem tragischen Aspekt also somit leider vom funktionierenden, hohen Ross der Einstiegsstaffel abgestiegen und kann nun nur noch von jenen Leuten konsumiert werden, die darauf verzichten können. So schade ich es finde, dass man nun den zu theatralischen Weg gewählt hat, ich konnte mich trotzdem gut mit der zweiten Staffel arrangieren, war sie doch höchst unterhaltsamer Natur und zumindest in der ersten Hälfte fast auf gleichem Niveau wie die erste Staffel. Das meiste worüber ich klage, nimmt erst in der zweiten Hälfte Überhand, so dass man erneut kritisch auf eine kommende Staffel blicken darf, falls diese auf ihre komplette Laufzeit unter besagten Problemen leidet.
Zumindest aber darf man Entwarnung in den zuvor als kritisch betrachteten Punkten geben. Elektra ist gerade in der ersten Hälfte ihres Mitwirkens unterstützender für die Serie als gedacht, bringt sie, wenn selbst schon nicht wirkend, Daredevil doch immer wieder in schwierige, hoch interessante Situationen. Anfangs funktioniert sogar der Aspekt Murdocks Restgefühle ihr gegenüber, bevor sie ins besagte Kindergartenszenario wechseln. Noch überraschender ist jedoch der Einfluss des Punisher auf die Geschichte, der sich als interessantester Storypart erweist, so dass es schade ist, dass er für die zweite Staffelhälfte nicht mehr ganz so von Bedeutung ist wie für die erste. Zumindest freut es zu hören, dass er beim Publikum in der erfreulich geglückten Besetzung derart gut ankam, dass er mittlerweile seine eigene Serie beschert bekam, die ich mir auch ziemlich zeitnah angucken werde, sobald seine Abenteuer auf DVD erscheinen.
Tritt er in der hier besprochenen Serie in den Hintergrund, rückt jene übernatürlich anmutende Idee in den Mittelpunkt, um deren möglicher schädigender Wirkung auf die Serie ich bangte. Aber ausgerechnet in dieser beweisen sich die Autoren als überraschend erwachsen, lassen am Ende nicht alles ganz so übertrieben Comic-artig aussehen wie gedacht, so dass die zweite Staffel zumindest in den Abenteuern und Aufgaben des Daredevil ihren ernstzunehmenden düsteren und erwachseneren Grundton beibehalten darf, was nach einer zu zerfahrenen und ewig hinhaltenden Geschichte final positiv überraschte. So weit weniger überfrachtet wie vermutet, ja sogar richtig bodenständig zu Ende geführt, wie die Geschichte um eine asiatische Sekte, wird auch die Privatsituation des Helden thematisiert, dessen Probleme mit Freunden und Kollegen (zumindest bislang) nicht mit simpelsten Superheldenmitteln behoben werden können um die Grundsituation auf Anfang zu setzen, um die nächste Geschichte auf gleicher Basis zu starten. Was zwischenmenschlich kaputt geht, geht tatsächlich kaputt, so dass sich Charaktere auch weiterentwickeln dürfen und nicht nur auf der Stelle treten.
Auch wenn die Serie im negativen Sinne nun mehr im Superheldenkosmos angekommen ist, als mir lieb gewesen wäre, so sympathisiere ich doch trotz aller Schwächen noch immer mit dem Ergebnis. Der düstere Grundton, die interessanten Figuren, der ungewöhnliche Held, der gute Soundtrack, die diesmal in dreckigem Gelb gehaltenen Bilder („The Crow 2“ lässt grüßen), der Look und große Teile der Erzählung wussten mich nach wie vor zu überzeugen und zu packen, auch wenn manche inhaltlichen Katastrophen erst in letzter Minute umschifft wurden - was zumindest eine mögliche zweite Sichtung angenehmer werden lässt, als es bei all dem Bangen um das Restniveau bei der Erstsichtung der Fall war. Einzig dass der in Staffel 1 so erstaunlich wirksame Fisk diesmal nicht zu überzeugen wusste, teilweise sogar etwas lächerlich wirkte, ist mir zu sauer aufgestoßen. Mit den restlichen Verschlechterungen kann ich mich jedoch anfreunden. Solange die düstere Inszenierung und die ernsten Töne der Drehbücher erhalten bleiben, kann ich auch mit dem neuen, üblichen Grad Superheldentheatralik leben. Wenn man ehrlich ist verleiht dies der zweiten Staffel „Daredevil“ vielleicht sogar einen ehrlicheren Umgang mit seiner Superheldenfigur. OFDb
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