Der Backwood-Bereich hat im Slasher-Genre viel ungenießbaren Schrott hervorgebracht, so reizvoll wie die Idee für geldgeile Produzenten klingt einfach ein paar nicht sonderlich professionelle Jungdarsteller in die Botanik schicken zu müssen, um sie in einer kostengünstigen Story einem Geisteskranken auszusetzen. Uninspirierte Werke wie „Ausflug in das Grauen“ und „Backwoods“ langweilten mit endlosem Leerlauf in lahm anzusehender Botanik mit einem Bösewicht versehen, der nicht erschrecken will. Zwar ist auch der Aggressor in „Vor Morgengrauen“ nicht gerade die optische zu Fleisch gewordene Bedrohung, so dass man in der etwas mau inszenierten Anfangssequenz bereits darum bangt erneut einen Rohrkrepierer zu sichten, aber mit Einstieg in die Hauptgeschichte um eine handvoll junger Erwachsener wird deutlich, dass Lieberman mehr vorschwebte als der x-te Mitläufer im immergleichen Geschehen. Handlungstechnisch macht „Just Before Dawn“ (Originaltitel) da keinen Unterschied, aber die Naturaufnahmen sprechen bereits für sich und dienen nicht einfach nur der hübschen Kulisse.
Die wahren Qualitäten lässt „Blutige Dämmerung“ (Alternativtitel) sogar erst weit gegen Ende aufblitzen, wenn sich in einem urkonservativem Plot plötzlich erfrischend emanzipatorische Veränderungen zum Grundkonzept solcher Stoffe aufzeigen, die weit über den Aspekt hinausgehen, dass eine Frau ihren Mann stehen muss. Das Verändern der gesellschaftlichen Stellung von Mann und Frau im Angesicht der Bedrohung wird auf beiden Seiten in einer Radikalität eingefangen, die den Zuschauer regelrecht vor den Kopf stößt, das extrem Passive genauso wie das extrem Aggressive - anbei beides keine schönen Charaktermodelle und beide in besagter Extremsituation nicht zwingend notwendig zu leben. Psychologisch clever, wie von manchem Filmfreund angedichtet, wären diese wundervollen Veränderungen aber nur in einem sich real anfühlenden Szenario, und da macht bereits die völlig übertriebene Methode, wie die finale Heldin gegen den Psychopathen siegt, dem Niveau einen Strich durch die Rechnung, dient der gewählte Weg doch einzig dem reißerischen Schauwert, so dass „Vor Morgengrauen“ dann doch nicht ganz so anders ist wie der übliche Backwood-Slasher.
Gegen Ende habe ich ohnehin keinen sinnvollen Erzählfluss mehr erwartet, kristallisierte sich nach einem anfänglich überraschend gutem Hochhalten einer geladenen Atmosphäre inmitten von inhaltlichem Leerlauf doch immer mehr heraus, dass die Psychologie des Filmes zu naiver Natur ist. Nicht nur dass sich die erstaunlich frühe Auflösung des Geheimnisses um den Killer bereits dann unfreiwillig offenbart, wenn mit dem Holzhammer gewollt nebensächlich auf die Zwillingsgeburtenrate des Ortes hingewiesen wird, auch sonst mangelt es dem Film an Raffinesse und Glaubwürdigkeit. Geht man nach der filmeigenen Logik reitet die von George Kennedy gespielte Retterrolle mehrere Tage mit dem Pferd durch die Dunkelheit. Stilistisch wie eingefangen scheint Lieberman damit jedoch lediglich den Ritt durch eine einzige Nacht zu meinen, aus der aufgrund der Zwischenszenen ohne Kennedy jedoch völlig unsinnige zwei werden.
Und mit dem Blick auf solche Hindernisse „Vor Morgengrauen" und seine Innovationen all zu ernst nehmen zu können, reden wir nicht einmal von den wesentlicheren Fehlern, z.B. der Motivation der einzelnen Figuren, die nur selten den Ansatz eines nachvollziehbaren Sinnes erreicht. Stümperhaft lässt ein untalentierter Autor halbgare Charaktere uninspiriert aufeinander stoßen, in einer Art in der zukünftiges Verhalten so zufällig bleibt wie bei Nichtkontakt mit anderen Menschen. Letztendlich ist egal wer hier wem begegnet und was derjenige vor hat. Passiert wäre ohnehin was passiert. Lieblos wie es allgemein geraten ist, zieht das Drehbuch, wenn ihm Ideen und Menschen ausgehen, viel zu spät noch ein paar mies spielende Hinterwäldler aus dem Ärmel, ein weiterer Aspekt der nicht gerade mit psychologischem Feingefühl oder cleverem Geschick den Zuschauer zu überraschen eingefangen wurde. Kurzum: das wesentliche welches aus dem cleveren Schlussgeschehen mehr gemacht hätte (bzw. das gemacht hätte was viele Fans in ihm sehen) als ein entweder zufälliges oder schlichtweg zu grob und unreflektiert gestricktes Stück psychologische Überraschung, ist zur Unterstützung nicht vorhanden. An jeder Ecke des Filmes mangelt es an Glaubwürdigkeit und dem Verständnis gegenseitiger Beeinflussung der Figuren, psychologischer Motivationen und vielem anderen.
Nun gucke ich solch einen Film jedoch nicht der Realitätsnähe wegen. Freilich freue ich mich, wenn es ein Film wie „The Creeper“ schafft auch diesen Aspekt halbwegs zu erfüllen, aber ich bin diesbezüglich kein Idealist, der nichts anderes zulässt. Rein vom Spannungsbogen und der grundlegenden Atmosphäre her, schafft es „Vor Morgengrauen“ eine Zeit lang über den eigentlichen inhaltlichen Leerlauf hinwegzutäuschen. Trotz zu eindimensional geratener Charaktere trumpft Lieberman indem er die Natur für sich sprechen lässt. Auch gestaltet er das Miteinander der jungen Leute halbwegs interessant und schafft es gar die Bedrohung recht gut über allen Nichtigkeiten schweben zu lassen, was einem kleinen Wunder gleicht, so früh wie er den so gar nicht wirksamen Killer zeigt. Diesen blendet er optisch nach der Einstiegssequenz bei zukünftigen Auftritten derart gekonnt aus, dass das Zeigen des Killers zu Beginn zu einem erneuten psychologischen Unsinn des Streifens wird, der beweist, dass Lieberman in Wirklichkeit kaum wusste was für ein Werk er da eigentlich zusammenzimmert.
Mag die wirksame Bedrohung irgendwann auch nicht mehr das wackelige Grundgerüst stützen, zumindest bleibt die Phase zwischen dem Gelingen dieses Punktes und dem Wendepunkt zum ereignisreichen Szenario kurz genug, um nicht zum Langeweiler zu werden. Somit bleibt „Vor Morgengrauen“ zumindest ein dümmlicher Routinestreifen mit kurzfristigen Vorzügen und ist damit besser ausgefallen als manches Konkurrenzprodukt. Beachtet man aber was Lieberman alles vergeigt hat, was nicht schwer zu umschiffen gewesen wäre bei hingebungsvollerem Gesamtüberblick, und bedenkt man einmal was viele Filmfreunde in „Just Before Dawn“ zu sehen scheinen, nur weil er gegen Ende gelungene Innovationen in den Einheitsplot integriert, kann man trotz eigener Handschrift enttäuscht vom Gesamtergebnis sein. Ich persönlich bin dies jedoch hauptsächlich, weil mir der Streifen einfach zu dümmlich ausgefallen ist. Von seinem Kult auf den ich mich in meinem Text so oft beziehe, habe ich erst nach dem Sichten des Streifens in diversen Filmbesprechungen gelesen. OFDb
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