14.04.2019

KLEINE HAIE (1992)

Laut Sönke Wortmann soll das Umfeld, in welchem "Kleine Haie" spielt, nah an der Realität von Jungschauspielern orientiert sein, sollen doch autobiographische Elemente mit enthalten sein, so dass der nur gelegentlich überzogene Film einen authentischen Einblick in die Welt besagter Leute während der Bewerbungsphase an Schauspielschulen wieder gibt. Diese Momente bringen einen wahrlich zum Staunen. Hier trifft man nicht nur auf interessante Gestalten, auch die Forderungen dessen was man im Vorfeld bereits zu leisten hat, um überhaupt die Chance zu haben unter vielen Bewerbern angenommen zu werden, ist erstaunlich. Durch sie können wir den Druck nachempfinden, dem Johannes als ohnehin schon nervöses Stück Prüfungsängstler ausgesetzt ist, während er vom entspannten Ingo begleitet wird, der diese Erfahrung lediglich als Inspiration für sein Hobby des Schreibens nutzen möchte und somit keine Angst vor dem Scheitern erleiden muss.

Gemeinsam mit dem etwas in den Hintergrund zurückgestellten Ali bilden sie ein Trio unterschiedlichster, aber solidarisch gesonnener Charaktere, die spontan die Tücken des Pleiteseins und der Bewerbungsphase meistern. In der Besetzung dieser drei wichtigsten Figuren beweist der Film bereits seine Brillanz, ebenso wie mit dem empathischen Drehbuch, welches für alles andere erst die Grundlage bietet. Die Geschichte schöpft ihre Tiefe und das Interesse des Stoffes aus dem Ungewöhnlichem im Alltag, sprich Alltägliches und besondere Momente stoßen aufeinander, gelebt in einem aufregendem Lebensabschnitt, in welchem man sich noch in der Selbstfindung befindet und Menschen miteinander aufgrund des Alters, anstatt aufgrund einer gemeinsamen Mentalität kooperieren. Der menschliche Faktor steht in dieser wunderschönen Tragikomödie stets im Zentrum. Man taucht in die Gefühlswelt der Hauptfiguren ebenso ein, wie per Stichprobe auch in jene von Randfiguren. Lediglich die Rolle des Ali bleibt absichtlich schwer greifbar und erhält erst recht spät mehr Gehalt, was man als gelungenen Drehbuch-Kniff bezeichnen kann.

"Kleine Haie" ist weder in seiner Komik, noch in seinen tragischen Momenten dominierend, bietet von beiden Seiten auch immer mal kurze Hochphasen, die aber stets eine gelungene Symbiose mit der entspannten Wohlfühlatmosphäre des Reststeifens eingehen und somit nicht zu Fremdkörpern werden. Ob comicartige Momente oder jugendorientierte Gefühlsprobleme, stets steht das empathische Verstehen im Raum. Oft entlarven Ausnahmemomente den Alltag als weit breitgefächerter als die gewohnte Routine vorzugaukeln versteht, sprich Besonderheiten werden gelebt, weil man sie zulässt, bzw., wie gut über Ali und Johannes thematisiert, wenn man sie bei genügend Selbstbewusstsein zulassen kann. Der einfache Arbeiter-Typ, der verklemmte Künstler und der Selbstbewusste, dem alles automatisch zuzufliegen scheint, entdecken Gemeinsamkeiten und Unterschiede, lösen Probleme und feiern gemeinsam, und dies alles in einem kurz gesteckten Zeitfenster präsentiert, in welchem manch kurze Begegnungen zu entscheidenden für die Zukunft werden können.

Kunstempfinden, wie demonstriert am Lied "Ich weiß nicht zu wem ich gehöre", Comicflair, wie zu Fleisch geworden durch die Figur des Bierchen und verschiedene Schichtenmentalitäten, wie demonstriert durch die Hauptfiguren, finden sich in einem sensibel erzähltem Film zusammen. "Acting it out" (Alternativtitel) mag in jungen Jahren, aufgrund besserer Identifizierung mit den Figuren und ihren Gefühlswelten, einen Hauch besser funktionieren, aber auch für ein erwachsen gewordenes Publikum bietet der Film noch immer ein interessantes und unterhaltsames Soziogramm auf hohem Niveau, ohne verkopft daher zu kommen oder auch nur einen kurzen Anflug von Desinteresse zu vermitteln. "Little Sharks" (Alternativtitel) ist einer dieser Glücksgriffe an denen fast alles stimmt, selbst die nebensächlich beigefügte Love Story, die der Streifen streng gesehen nicht nötig gehabt hätte, dem Gesamtergebnis allerdings emotional zugute kommt, so natürlich wie auch sie integriert wurde.  OFDb

2 Kommentare:

  1. Das ist immer noch einer meiner Lieblingsfilme. Ich hätte ihn mir damals beinahe nicht angesehen, da ich Sönke Wortmanns "Allein unter Frauen" wirklich gräßlich fand, aber der Trailer hat mich zum Glück überzeugt ihm eine Chance zu geben. Die Darsteller verkörpern die Figuren sehr glaubhaft und machen damit auch Klischees nachfühlbar. Musik und Kamera tragen auch noch ihren Teil zum Gelingen des Films bei. Ein echter Wohlfühlfilm.

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    1. Ich verstehe zwar Dein Problem mit "Allein unter Frauen" nicht, freue mich aber dass "Kleine Haie" Dir so zugesagt hat. Das mit den Klischees sehe ich anbei auch so, aber nicht nur wegen der Besetzung, auch das empathische Drehbuch weiß hier positiv ein Mitempfinden zu entfachen.

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