14.04.2019

DUELL (1971)

Die zentrale Identifikationsfigur von Steven Spielbergs erstem Erfolg ist ein einfacher Kerl. Deswegen besitzt er den Namen Mann. Er besitzt ihn aber auch ein wenig der Provokation wegen, denn Mann verkörpert nicht das klassische Männerbild, er gehört jener Gattung seines Geschlechts an, wie sie das Ergebnis nach erfolgreicher Emanzipation in den USA war. Mann haut nicht auf den Tisch, lässt nicht das Alphatier heraushängen, ist hilfsbereit, bevorzugt den Kompromiss, lässt sich von seiner Frau und seinem Chef herumschubsen, kurzum steckt in diesem Anzug für die Vertreter des klassischen Männerbildes ein Weichei. Nun stößt dieser Mann, der gerne den Weg des geringsten Widerstandes geht, auf das Raubein Mann, dem Ur-Typen, klassisch symbolisch verkörpert durch den Beruf des Truck-Fahrers. Und der scheint sich durch eine Nichtigkeit herausgefordert zu fühlen, denn er leitet titelgebendes Duell ein, welches der Hauptfigur nur in einem kurzen, schwachen Moment wichtig ist, dem Gegner jedoch um so mehr. Eine Erklärung für das Verhalten des LKW-Fahrers erhalten wir nie, gern ist in Besprechungen auch von eventueller Langeweile die Rede, was sicherlich ebenso mit einfließt. Beachtet man aber die Psychologie der Figuren und Situationen ist das Sichherausgefordertfühlen des klassischen Männerbildes die logische naheliegende Erklärung. Er ist ein Mann, der sich durch eine Nichtigkeit provoziert fühlt und in seinem Testosteronmeer nicht mehr aus seinem Rache- und Wettbewerbsgefühl heraus kommt, wohingegen unser "Held" nicht einmal genau weiß womit er provoziert haben soll und aufgrund seiner anderen Mentalität nicht nachvollziehen kann, wie man sich in solch eine Situation derart penetrant hinein steigern kann.

Genau darin liegt dann auch der Kniff, dass Mann nicht damit rechnet, dass sich die Situation derart gefährlich hoch schaukeln kann, ist es als jemand der Wut eher herunter schluckt doch nicht seine Art sich in derartige Nichtigkeiten hinein zu steigern, zumal er nicht das Gefühl hat sein Mannsein beweisen zu müssen. Derartiges Verhalten und Denken empfindet er als albern. Und doch muss er genau dies lernen, denn er ist in dieser hoch kochenden Situation auf sich alleine gestellt, und er muss sich dem Duell stellen, scheinbar auf Leben und Tod, denn dem Fahrer ist nicht bei zu kommen. Nie hat Mann in diesem herrlich dreckig gecasteten Truck (man muss das Fahrzeug tatsächlich wie einen Darsteller betrachten) das Gesicht seines Feindes sehen können. Und somit ist er nicht einmal in einer ausführlich angegangenen Dinerszene in der Lage sich mit seinem Gegner auszusprechen, sehen wir doch nur die Schuhe des Aggressors, und die tragen in dem Laden, in dem allerhand LKW-Fahrer Kunden sind, so einige harte Kerle. Kurzum muss Mann seinen Mann stehen, (schon vor Beginn der ganzen Situation) unter Druck stehend, den Stressfaktor Hitze zusätzlich im Nacken habend, wissentlich der Kraft und der Größe des Trucks mit seinem PKW unterlegen zu sein, und den Vorteil der Schnelligkeit nicht komplett ausnutzen könnend aufgrund mangelnder Kühlflüssigkeitsmenge.

Der trocken, staubige und langsame Erzählstil ist der Trumpf dieses knisternd und hoch spannend erzählten Minimalismus-Thrillers, den Steven Spielberg gekonnt fürs Fernsehen inszeniert hat. Off-Kommentare durchbrechen die sonstige Stille, nur in wenigen Momenten kommt es zu Dialogen, zu Beginn mehr als im weiteren Verlauf des Streifens. Oft unterbricht nur das Radiogeschwafel die Stille, oder eben das dreckige Monster von Truck, das bereits in seiner herrlich schäbigen Art einzuschüchtern weiß und nicht gerade einen Glanz amerikanischer Straßen darstellt. Aufgrund des Erfolges der TV-Ausstrahlung bekam Spielberg die Chance zusätzliche Szenen zu drehen, um eine Auswertung im Kino zu ermöglichen, was er schließlich auch tat. Psychologisch gesehen will nicht jede neu gedrehte Szene so gekonnt ins Konzept passen, wie die Ursprungsversion. So weiß z.B. die Szene, in welcher der LKW versucht den PKW auf ein befahrenes Zuggleis zu schieben nicht wirklich in jene Phase der Situation hinein zu passen, in welcher sich der Film zu diesem Zeitpunkt gerade befindet. An sich ist die Geschichte ein sich immer weiter hoch schaukelndes Spektakel, in welcher jeder weitere Schritt psychologisch gesehen einen Sinn ergibt. Manches wird geschult durch den Wahn des Truckers auf eine weitere Ebene gehoben, manches durch das (Fehl)Verhalten des PKW-Fahrers. Durch Szenen wie jener beschriebenen erlebt der flüssige, glaubwürdige Verlauf jedoch ein Hin und Her.

Weniger pingelig betrachtet beschert sie dem Streifen aber tatsächlich einen nervenkitzelnden Sehwert mehr, ebenso wie die Schulbusszene. Deswegen braucht man auch nicht wirklich diesbezüglich enttäuscht zu sein. Zu funktionieren weiß hier alles, und der Spannungsbogen ist nach einer kurzen Anlaufzeit fast auf einem ständigen Hoch. Spielberg versteht genau wann er dem Zuschauer eine Atempause gönnt, nur um nach dieser die Spannungsschraube erneut drastischer anzuziehen. Damit wird "Duell" zu einem Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Mit kleinen und großen Erfolgen wie "Jeepers Creepers", "Monster Man" und "Joy Ride" gerne auch mal nachgeahmt und variiert, kam nie einer dieser Nachzügler an das Ergebnis dieses herrlich dreckigen Thrillers heran, und auch Spielberg selbst konnte meiner Meinung nach nur noch mit "Der weiße Hai" an dieses Spannungskino heran reichen. So gut wie hier und dort fielen seine Arbeiten nur noch selten aus, wenn überhaupt. Um gerade den psychologischen Aspekt des still und ungenannt diskutierten Männerbildes beim Sichten mehr in sich aufnehmen zu können, empfiehlt sich anbei das Sichten im Originalton, spricht Hauptdarsteller Dennis Weaver seine Figur doch mit heller Stimme, was den grundlegenden Gedankenansatz zu fördern weiß und ein Hineinfühlen in die Psyche eines sich hilflos, bzw. überfordert fühlenden Mannes zugänglicher macht.  OFDb

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