Klassisch möchte Luca Mama ersetzen und Papa für sich allein haben. Deswegen interessiert sie sich nicht für das Zusammenkommen der zerbrochenen Familie. Sie bekämpft es stattdessen. Aber sie tut dies auf kindliche, altersgerechte Art im Körper und Kopf eines gesunden Durchschnittsmädchens, und dementsprechend natürlich und unaufgeregt fällt auch diese relativ späte Phase des Filmes aus. Das mag manchen Filmfreund ernüchtern, der mehr erwartet hat, aber "Dark Blue Girl" (Alternativtitel) zieht gerade aus dieser Alltagsdramaturgie seine Stärke, zeigt eine Welt in der schöne und bittere Momente Hand in Hand gehen, Liebe und Streit, Egoismus und Mitgefühl, Reflexion und unüberlegtes Handeln. Es wird somit nie theatralisch, nie reißerisch, man bekommt nie eine aufgeregte Erzählung serviert. Man darf sich an den kleinen Wellen der leichten See ergötzen, das Subtile in sich aufnehmen, den Ernst der Situation ebenso wie seine Leichtigkeit wahrnehmen. Und dank eines mündigen Umgangs mit dem Zuschauer und dem Verzicht Schilinskis auf künstlerische oder intellektuelle Schwanzvergleiche geht die Rechnung auf tatsächlich sensibles, schlicht anmutendes Kino mit einer erzählerischen Stärke in dieser Ruhe und Natürlichkeit abzuliefern. Und optisch wird das Ganze in sich ebenso natürlich anfühlende, aber hervorragend abgefilmte Bilder eingefangen, die zusammen mit dem sensiblen Drehbuch und den hervorragenden Mimen, untermalt von einem mental passenden Soundtrack zeigen, zu welchem Kinogefühl Arthouse in der Lage ist, wenn man es ehrlich umsetzt. Dementsprechend verzichtet "Und wenn Du mir das nicht glaubst, lüg' ich Dir nie wieder was vor" (Alternativtitel) auch auf den sonst im nüchternen Autorenfilm Deutschlands häufig für obligatorisch gehaltenen, bitteren Schluss, sondern schließt die Geschichte stattdessen so erwachsen wie sie die komplette Laufzeit über erzählt war. OFDb
Von einem der daheim blieb, um die weiten Welten des Films zu entdecken...
09.03.2022
DIE TOCHTER (2017)
Darum höre nie auf die Cover-Texte! Mir war zwar vor dem Sichten bewusst, dass ich es bei "Die Tochter" mit einem realitätsnahem, deutschen Drama zu tun habe, das sehr sachbezogen und erwachsen daher kommt. Dennoch habe ich etwas völlig anderes erwartet, da der Covertext suggerierte die kleine im Zentrum stehende 7jährige würde zur Meisterin der Manipulation werden, um ihre Eltern zu trennen. Ich rechnete von daher eher mit einem ähnlichen Ergebnis wie bei "Pelikanblut". Nicht dass wie dort urplötzlich die Genres wechseln würden, aber schon dass hinter der sachlich nüchternen Erzählung etwas drastisches stecken würde, das irgendwann hervor bricht. Befeuert wird man in diesem Denken mittlerweile freilich durch die Kinderbesetzung mit Helena Zengel, die 2019 in "Systemsprenger" aufgrund ihrer überragenden Darbietung von sich Reden machte, innerhalb eines Filmes, der keinerlei Schonkurs fuhr. Mascha Schilinski, die auch das Drehbuch zu "Die Tochter" beisteuerte, inszenierte hingegen einen sich ganz natürlich anfühlenden Film. Jegliche Figur reagiert authentisch auf das was jeweils geschieht, immer dort abgeholt wo sie sich charakterlich und von Entwicklung und Wissensstand her befindet. Jede von ihnen ist individuell gezeichnet, frei von Klischees und Stereotypen. Diese Natürlichkeit findet sich in der Annäherung ebenso wieder wie in der Entfremdung, in der elterlichen Konkurrenz ebenso wie im Zusammenhalt und auf die Tochter bezogen in der egoistischen Bockigkeit ebenso, wie in mühsam erlernten empathischen Erkenntnissen.
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sehenswert
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Das klingt tatsächlich nach einem Autorenfilm jeneseits der gängigen europäischen Autorenfilm-Arthouse-Sülze.
AntwortenLöschenDanke für den Tipp, den werde ich mir vormerken...*