Freilich besitzt der nicht leicht zu schauende Film auch andere Stärken. Die Besetzung ist auch für jegliche weitere Rolle hervorragend gesetzt. Auch Randerscheinungen außerhalb des Sozialberuf- und Brennpunkt-Milieus, wie z.B. die Mentalität eines Landwirtes, werden authentisch eingefangen. Fortschritte in der Entwicklung Bennis schreiten minimal voran und können von Rückschritten erschüttert werden. Gerade in der Phase, in welcher man vom Walderlebnis zurückkehrt, beweist das Drama, dass es keine Sozialträumerei betreibt, sowohl im Verhalten des Mädchens, als auch in dem von Micha und den Reaktionen anderer Sozialarbeiter. Das sensible, wie sachliche Drehbuch schafft es unter der Regie seiner Autorin und unter dem Spiel der Akteure dass man als Zuschauer zu Benni eine Beziehung aufbauen kann, dass man Mitgefühl zu ihr entwickelt, sogar lernt sie zu mögen und zu verstehen, während gleichzeitig klar wird, wie sehr dieser Prozess auch seine Grenzen erfährt und man bereits vor dem Bildschirm schnell mit ihrer wechselhaften Art überfordert ist, bis man sich schließlich dazu zwingen muss, sich bewusst zu machen, dass sie für ihr Verhalten nichts kann. Bennis Ausbrüche gehen so weit, dass der Film basierend auf ihrer Unzurechnungsfähigkeit gelegentlich Spannungsmomente aufbaut, die einem den Atem stocken lassen. Wenn das Leben anderer Kinder in Gefahr gerät, weil Benni sich nicht unter Kontrolle hat, dann traut man dem Drehbuch alles zu, eben weil es echt und unverschönt daher kommt und keiner Träumerei nachgeht.
Dementsprechend liefert "Systemsprenger" auch oberflächlich betrachtet keinerlei Lösung für solch extreme Problemkinder wie Benni. Zwar zeigt er auf welche Methoden in die richtige Richtung gehen, und dass derartige Wege durch Finanzierung und entsprechende politische Weichenstellung erst einmal ermöglicht werden müssten, aber selbst dann bleibt die Frage der Erfolgsquote und die Möglichkeit einer Einzelbetreuung, welches ein Kind wie Benni benötigt, offen. "Systemsprenger" zeigt zumindest auf was Benni benötigt und was ihr schadet. Selbst jene Zuschauer, die nur schwer Zugang zu dem Mädchen finden können, wird der Film nicht kalt lassen. Es bricht einem das Herz, wenn die Kleine wieder einmal von ihrer Mutter enttäuscht wird. Die Empathie mit den anderen Figuren ist nicht minder wirksam. Man leidet mit wenn die Sozialarbeiterin derart an ihre Grenzen stößt, dass sie weinen muss, man ängstigt sich gemeinsam mit Micha, wenn sein Kind in Gefahr ist, nachdem man mitempfinden konnte, warum er Prinzipien über Bord wirft, die für seinen Beruf sehr wichtig sind. Man fühlt aber auch die Ehrlichkeit hinter den Gefühlen Bennis, nicht nur wenn sie wieder einmal enttäuscht wird, ob durch Banalitäten oder schwerwiegende Ereignisse, auch wenn sie sich vornimmt sich zu bessern, wenn sie sich schämt weil es anderen ihretwegen schlecht geht, wenn sie ein Sozialverhalten zu kleineren Kindern entwickelt, wenn sie stolz den Gastgeber auf ihrer Geburtstagsparty geben darf und wenn sie sich sehnlichst wünscht sie könne Teil von Michas Familie werden. Denn trotz ihrer hohen Andersartigkeit empfindet sie logischer Weise immer noch wie ein Kind und nimmt die Welt auch aus kindlicher Sicht wahr. Wir beginnen zu begreifen wie es sein muss, wie sie zu sein, und beginnen zu erahnen wie unser Umfeld mit uns umgehen würde, wenn wir so wären wie sie es ist. OFDb
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