18.05.2023

THE TUTOR (2016)

Selbsternannte Anwälte für angeblich hilfsbedürftige Randgruppen, die mit ihrer Halbbildung durch Fehlinterpretationen (im Film nicht nur) sprichwörtlich Geister sehen, gebildete Experten, die sich in ihrem Tunnelblick nicht reinreden lassen, sie treffen in diesem argentinischen Drama um verwahrloste Kinder, die kurz vor der Jugend stehen, aufeinander, eingepackt in eine durch die Abgeschiedenheit des Spielortes surreale Atmosphäre. Die Direktheit des Stoffes, die weder Scheu vor Provokation, Natürlichkeit und unangenehme Themen hat, und deswegen löblicher Weise auch keine Kindernacktheit umgeht, bietet dem mündigen, mitdenkenden Zuschauer ein authentisches, wie bizarr anmutendes Werk. Völlig anders als in "Privatunterricht" angegangen, zeigt man uns wie Beschützende unbewusst zu Misshandelnden werden können. Während im Vergleichsfilm die Liberalen ihr Fett wegbekommen, zeigt uns "La Tutora" (Originaltitel) den Fall einer moralisch geprägten Frau, die ihre Mission darin sieht zwei verwahrlosten Kindern, die zwei Jahre nach dem Tod ihrer Eltern selbstbestimmt und orientierungslos auf dem großen Anwesen zusammen mit der Haushälterin zurückgezogen in der Einöde lebten, den Weg zum Anstand zu zeigen. Wie planlos sie vorgeht mit ständigen Kurswechseln, rein aus der Verzweiflung heraus, ohne dabei über ein Improvisationsvermögen zu verfügen, gelenkt von ihrem Irrglauben sie beherrsche Empathie, während sie eigentlich über den eigenen Tellerrand nicht hinweg gucken kann, zeigt schnell dass ihr guter Wille nicht zu einer Lösung führen kann. 

Da "The Tutor" mitten in der realistischen Welt bezüglich Ursache und Wirkung, Psychologie und feinsinnigen gesellschaftlichen Beobachtungen angesiedelt ist, gibt es freilich kein Richtig oder Falsch. Viele Ansätze der Lehrerin sind verständlich, die Zustände vor Ort sind katastrophal, das Benehmen der Kinder bedenklich, ihre Lebensweise nicht gut für ihre ohnehin schon gestörte Entwicklung. Das Leben der Kinder ist andererseits von einer Natürlichkeit umgeben, welche die Zivilisation verlernt hat zu leben, zu entdecken und zu schätzen. Welten stoßen aufeinander, die voneinander lernen könnten. Und wie das so ist, wenn man jemanden der glaubt Experte zu sein einen Job überlässt, der einen Experten benötigen würde: er macht alles nur noch schlimmer. Zu entdecken gibt es viel in diesem Psycho-Drama, zu verarbeiten auch, so schonungslos wie der Zuschauer mit den Geschehnissen konfrontiert wird. Aber Jugendstoff-Experte Iván Noel reibt uns die Erkenntnisse nicht unter die Nase, die gilt es selbst zu entdecken. Die direktesten Worte findet man am Ende, aber selbst dann stammen sie nur aus dem Blickfeld von wem Ungebildetes, Worte voll Wahrheit und Fehler zugleich, selbst hier muss der Zuschauer selbst heraus picken was es tatsächlich zu erfahren gibt. Dem aufmerksamen Publikum wird am Ende das meiste dieser rätselhaft anmutenden Geschichte klar sein, mit Ausnahme des zukünftigen Schicksals der beiden Kinder, die weiter unter dem fragwürdigen Einfluss ihrer Bezugspersonen leben müssen.  Wiki

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