09.05.2024

EXTREMELY WICKED, SHOCKINGLY EVIL AND VILE (2019)

Der neue Freund der alleinerziehenden Liz, scheint ein echter Glücksfall zu sein. Als er jedoch ins Visier einer landesweiten Suche nach einem Mehrfachmörder gerät und es der Anschuldigungen und Indizien immer mehr gibt, beginnt sie an der Unschuld von ihm zu zweifeln...

15 Jahre Selbstvorwürfe...

Filme über Serienkiller, die wirklich existierten, sind für mich immer so eine Sache für sich, wird man doch meist zum Voyeur von etwas Abscheulichen, während die Produkte, die sich als informativ verkaufen wollen, eher reißerischer Natur sind. Joe Berlinger, der schon mit "Blair Witch 2" einen unerwarteten Kurs bewies, schafft mit "Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile" ein Werk über den seiner Zeit zum Popkultur-Phänomen gewordenen Massenmörder Ted Bundy, das nicht nur reflektiert und frei von reißerischen Elementen erzählt ist, sondern auch mit dem was er will eine Existenzberechtigung besitzt, einen Mehrwert, so dass dessen Sichtung zu etwas Nützlichem wird, anstatt einfach nur zur geistfreien Unterhaltung oder Mutprobe, wie so oft bei Werken zu wahren, äußerst brutalen Taten. Ted Bundy kennt man, selbst wenn man sich mit dem Thema Serienkiller nicht beschäftigt. Ich wusste wenig über ihn, nicht einmal wie extrem abscheulich seine Taten waren, und dass sein Fall seinerzeit medial sogar im Gerichtssaal übertragen wurde, er sich selbst immer wieder vor laufenden Kameras äußerte, und dass junge Frauen den Mann, aufgrund seines Charmes und seiner sexuell aufreizenden Erscheinung, selbst in der Spätphase vor der Verurteilung anhimmelten, für unschuldig hielten und/oder das Spiel mit dem Feuer, dem Verbotenen mochten. Es bildeten sich Gruppen verliebter Mädels vor und im Gerichtssaal, der Narzisst lebte seine Tarnung mit den Kameras über das direkte Umfeld hinaus aus. 

Und genau um diese Maskerade, diese Erscheinung, die Ahnungslose immer wieder um den Finger wickelt, geht es. Der Clou an dem nach einem Richterzitat benannten Drama ist der, dass wir, abgesehen von einer ganz kurzen Sequenz gegen Ende, nie die Taten des berüchtigten Serienkillers sehen, sondern nur sein angeblich braves Ich, welches er seinem privaten Umfeld, sowie den Polizisten, Richtern und medial der ganzen Welt, als unschuldig verkaufte. "Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile" macht, gerade durch den Umstand, hier einem realen Fall beizuwohnen, das zur Praxis, was Werke wie "Summer of 84" nur in der Theorie, in ihrem Schlussfazit äußern können: du kannst das Böse nicht erkennen, es gibt sich nach Außen harmlos. Es kann dein Nachbar sein, dein Lebenspartner, er ist nach Außen nicht die Bestie, wie uns "Der Untergang" selbst am Beispiel Hitlers deutlich machte. Gerade der Narzisst unter den Psychopathen ist hervorragend getarnt, die Unschuld vom Lande, und deshalb gibt es derart viele Fälle, Fälle die nicht immer so mörderisch und extrem ausfallen wie am Beispiel Bundys zu erleben, aber dennoch Opfer hervorbringend, die in Therapie müssen. Der hier besprochene Film ruht sich jedoch nicht nur damit aus uns lediglich der Tarnung Bundys beizuwohnen, mit seinem Stilmittel der flotten Inszenierung, die regelrecht unterhält und kurzfristig auch belustigende Momente beinhaltet, verführt er zudem den Zuschauer. Man kennt den Namen Bundy, weiß er ist ein Killer, aber wer sich nicht gerade sehr gut in der Materie dessen Taten auskennt, könnte in einigen Momenten einen Justizirrtum vermuten, trotz all des Wissens zum Namen Ted Bundy vor dem Film sitzend. Wir können Zweifel bekommen, denn wir erleben weder Taten noch direkte Beweise, stets nur Anschuldigungen und Indizien. Dennoch ist es da, das ungute Gefühl, so wie wir meinen etwas Verdächtiges im Tun und der Art Bundys wahrzunehmen. Wer exakt hinschaut (wenn nicht, dann intuitiv anmutend) kann winzige Augenblicke wahrnehmen, in welchen man einen Blick hinter die Maske werfen darf. Ich selbst habe solche, wenige Momente erst beim zweiten Sichten bemerkt. 

Kurzum ist Berlingers Film ein Film der Warnung, ein Beweis für die perfekte Maskerade, die tückische Täuschung, und durch den Blickwinkel von Liz (nach deren Buchvorlage das Ganze verfilmt wurde) für das erschreckende Erwachen, dem man als Opfer ausgesetzt ist, selbst wenn man glimpflich davon kommt, eben weil das Monster neben einem, nicht wie ein solches aussah. Im Falle von Bundy war es ein verständnisvoller Liebhaber, ein intelligenter Jurastudent und ein Mann mit einem Herzen für Kinder. Dass man über den hier so fantastisch angewandten Filmstil der Verführung nicht nur fragwürdige Personen schmackhaft machen kann, sondern auch ein komplett fragwürdiges System, bewies anbei der völlig unterschätzte "Die Welle" von 2008. Wie nah "Extremely Wicked, Shockingly Evil und Vile" an den Tatsachen dran ist, zeigt ein Blick auf den Abspann, der uns die wirklichen medialen Aufnahmen auszugsweise von einst zeigt. Dennoch gibt es freilich interpretierte Momente, sowie angebliche Fakten, die nur durch Liz bezeugt werden können. Ob ihre Behauptung stimmt, Ted hätte ihr gegenüber, auf einer Glasscheibe geschrieben, Jahre später einen Mord gestanden, darf aber wohl angezweifelt werden, zumindest wenn die Situation wie hier im Film dargeboten stattfand. Sie wirkt, ist ein stark emotionaler Moment in diesem sehr geglückten Film, aber psychologisch will ein derartiges Verhalten nicht ins Muster eines Narzissten passen. Mit dieser wackeligen Szene hätten wir aber auch den einzigen Schwachpunkt des Filmes benannt - vielleicht noch mit Ausnahme der Besetzung des Staatsanwaltes Simpson, in welchem ich aufgrund des Mangels an optischer Entfremdung leider immer wieder nur Sheldon Cooper wahrnahm.  Wiki

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen