30.09.2024

GOOD BOY (2022)

Die spontane Sigrid lernt per Tinder-Date den attraktiven Christian kennen, lässt sich nach einem überraschend angenehmen Tag auf eine sexuelle Übernachtung bei ihm ein, und wird morgens von dessen Hund Frank geweckt, der sich als Mann im Hundekostüm entpuppt. Zunächst wendet sie sich von diesem ungewöhnlichen Gespann ab. Als sie im Nachhinein jedoch erfährt, dass Christian ein Multimillionär ist, möchte sie sich die Geschichte der beiden anhören und versucht Toleranz für diese alternative Art zu leben aufzubringen. Das funktioniert auch ganz gut. Sie freundet sich mit Frank an, beginnt eine Beziehung mit Christian, und alles ist gut - zumindest bis man gemeinsam in den Urlaub fährt...

Wenn man alles toleriert... 

"Good Boy" bietet einen ungewöhnlichen Aufhänger und weiß diesen authentisch, anstatt reißerisch einzusetzen, einfach weil sich hier alles echt anfühlt. Passend besetzte, professionelle Mimen, die Art des Hundeanzugs, Kamerastil, Regie, Musikuntermalung, hier passt alles zusammen um einen entrückten Film auf Arthouse-Art zu präsentieren, der im norwegischen Original umso mehr wirkt, was die deutsche Veröffentlichung mit dem Beifügen eines deutschen Untertitels (leider längst nicht mehr selbstverständlich) bei Unkenntnis der Sprache ermöglicht. Trotz gemütlicher Erzählweise, die sich ganz auf die Figuren konzentriert, kommt die Geschichte schnell zum Hauptaspekt: der Begegnung Sigrids mit Frank. Diesen Moment kitzelt der Handlungsablauf regelrecht herauf, denn wir lernen erst die Zweisamkeit zwischen Christian und Frank kennen, bevor mit dem Tinder-Date Sigrid in die Handlung bricht. Dieses bedrohliche Knistern in scheinbar heiler Umgebung bleibt nach der naiven, aber glaubwürdigen Annäherung Sigrids mit den ungewöhnlichen Begebenheiten bestehen, schließlich weiß der Zuschauer, dass er gerade einen Horrorfilm guckt, aber nicht auf welche Art sich dieser Bereich als solcher offenbaren wird. 

Dies geschieht bei einem angenehm unter 80 Minuten laufenden Werk etwa nach 45 Minuten weit nach der halben Laufzeit, was man als Freund des anderen Kinos ebenfalls gerne annimmt. Die Vorbereitung einer solchen Situation ist meist ohnehin die beste Phase in diesem Genre, und bei relativ kurzer aber konsequenter Konzentration auf den Horroraspekt bleiben einem zumindest die mittlerweile üblich gewordenen, etlichen aufeinander stapelnden Showdowns erspart. "Me, You & Frank" (Alternativtitel) kann authentisch bleiben, egal wie fies sein Szenario ausfällt und rutscht damit nie ins Phantastische ab. Der Horror löst das Genre des romantischen Filmes ab, der stets im Zentrum stehende Drama-Aspekt bleibt selbst in harten Szenen, die sich nie durch blutige Bilder entfalten, enthalten. "Good Boy" ist jene Art Horror, in welchem man meint den Schmerz des anderen, ob seelisch oder körperlich, mit zu empfinden. Und obwohl er all diese bislang aufgezählten Vorzüge besitzt, gehört er nicht zu den großen Werken seines Genres, wie es im Bereich des künstlerisch wertvollen Horrors mit Niveau kürzlich erst der aus ähnlicher Region stammende "Hatching" war. Das liegt daran, dass Regisseur und Autor Viljar Bøe es in seinem Erstling vernachlässigt mit der Offenbarung des Aggressors der Story weiterhin ungewöhnliche Wege zu gehen. 

Von hier an erleben wir die klassische Struktur einer Geschichte, in welcher sich eine Frau in den Fängen eines Psychopathen aus diesen befreien muss. Da mag es aufgrund des Aufhängers alternative Varianten der Bestrafung geben, und auch die eher unnötig und unglaubwürdig anmutende Schlusspointe profitiert vom andersartigen Aufhänger der Gesamtgeschichte, aber auch sie sind lediglich variierte Momente des Standards inmitten des austauschbaren letzten Drittels an Psychopathen-Horror-Routine. Ich verstehe nicht, warum Bøe diese angenehme Art des alternativen Erzählens nicht weiterhin nutze, anstatt sie lediglich als Sprungbrett ins Gewöhnliche zu verwenden. Warum konnte der Horror nicht im Kopf Sigrids entstehen, lediglich durch Vorurteile gelenkt, während sich das Gespann Christian und Frank als eben doch harmlos entpuppt? Oder noch besser meine zweite Idee, in welcher Frank der Psychopath gewesen wäre, dann hätte man die entscheidende, schockende Wendung, in welcher Frank erstmals aus der Hunderolle heraus bricht, dafür nutzen können, dass er Christian als Psychopath darstellt, damit Sigrid Angst vor ihm bekommt, weil er sein Herrchen für sich alleine haben will. 

Wieso meinen Autoren solcher Werke, es wäre damit getan einem handwerklich hervorragenden Genre-Beitrag einen reizvollen Aufhänger zu bescheren und konsequent weiter zu verfolgen, nur um von der Wende in den Horror dann doch nur alles schon oftmals Erzählte lediglich zu variieren? Schade, "Meg, deg & Frank" (Alternativtitel) hätte solch ein besonderes Stück Kino werden können, und ist auf diese Art doch "nur" das nette Psycho-Drama mit Anspruch für zwischendurch geworden. Allein schon weil er auf Satire-Art augenzwinkernd Kritik an der mittlerweile alles tolerierenden Gesellschaft nimmt, ist es schade, dass er gegen Ende derart abbaut, u.a. weil dieser Aspekt nicht mehr wichtig für die Geschichte ist und sich rein auf die Dekadenz des Entrückten und die Fluchtversuche der beiden Unterdrückten konzentriert.  OFDb

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