Er schickt der Presse und der Polizei Rätsel und Codes, verrät wen er
als nächstes töten möchte und nennt sich Zodiac. Was auch immer
unternommen wird, Zodiac ist nicht zu fassen, da er kein Muster wie
andere Serienkiller hinterlässt. Zeitungscartoonist Graysmith versteift
sich noch in die Suche nach dem Mörder, als der Rest der Welt sich neuen
Kriminalfällen zuwendet...
Das Leben benötigt keinen roten Faden...
Die Suche nach einem Serienmörder, das klingt verdammt nach Thriller. Und auch der Name David Fincher steht ja geradezu üblich für das Genre, so dass in den meisten Medien „Zodiac“ auch als solcher betitelt wird. Das ist jedoch nicht ganz richtig und könnte falsche Erwartungen schüren. Sicherlich sind Thrillermomente vorhanden, aber eigentlich sind diese auf die Laufzeit von etwa 150 Minuten rar verteilt. Das dürfte manch einen dazu veranlassen den Film als missglückt darzustellen, dabei ist er eigentlich ein Kriminaldrama.
Reporter suchen nach Zodiac, die Polizei sucht nach Zodiac, der Zuschauer darf Spuren mitverfolgen, zusehen wie Verdächtige verhört werden und Tatorte untersucht. Ständig scheint das Ergebnis weit weg, Widersprüche tun sich auf, ein Muster will nicht erkennbar sein. So verdächtig wer auch sein mag, immer spricht etwas gegen eine Überführung. Das frustriert die Ermittler, veranlasst sie zu verschiedensten Reaktionen, bis die Öffentlichkeit irgendwann resigniert und das Thema Zodac nach Jahren verblasst ist. Enttäuschte Polizisten, ein heruntergekommener Journalist, ein fanatischer Cartoonist, der seine Ehe auf der jahrelangen Suche nach Zodiac an zweiter Stelle setzt. Das sind dramatische Schicksale, und sie stammen alle aus dem wirklichen Leben, so wie Zodiac selbst.
Der Film erzählt von einer wahren Begebenheit, welche die Öffentlichkeit so stark interessierte, dass bereits 1971 während der aktiven Ermittlungen die erste Verfilmung gedreht wurde. Auch der Kultfilm „Dirty Harry“ lehnte sich an die Ereignisse der Zodiac-Morde an. Das Thema war so in aller Munde, dass es zu Fakes in den Ermittlungen kam: falsche Spuren, falsche Täterbekenntnisse, Nachahmungstäter. Die Suche nach Zodiac war für viele Menschen zu seiner Zeit ein derart einschneidendes Medienerlebnis, dass Jahre später das Buch über die erfolglose Suche zum Bestseller wurde. Und nun ist das Thema noch immer so interessant, dass Finchers Film ein kleiner Erfolg wurde, und das obwohl der Streifen nicht gerade den massenwirksamen Eindruck macht.
Die Spuren verlaufen sich im Sand, ständig gibt es Zeitsprünge, ewig wird man mit Informationen zugeknallt, selten gibt es Morde oder spannende Szenen zu sehen, die Zeitsprünge werden immer größer und am Ende gibt es noch immer keine Auflösung. Wie ginge das auch? So wie im Falle Jack The Rippers hat es nie eine Lösung gegeben. Fincher geht lediglich einer Vermutung nach. Das Ende von „Zodiac“ zu verraten hat in etwa den selben Stellenwert als irgendwem den Schluss von „Romeo und Julia“ auszuplaudern.
Warum ist der Film trotz all dieser massenpublikumsfeindlichen Punkte so beliebt? Ich weiß es nicht, mich hat er jedoch auch anstecken können. Wo der typische Spannungsgehalt eines Thrillers fehlt bzw. zu kurz kommt, da erscheint jene Spannung auf der Bildfläche, die durch die aktiven Ermittlungen entsteht. Ähnlich wie „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“ es schafft durch Forschung Spannung zu erzeugen, oder Hitchcocks Klassiker „Bei Anruf Mord“ durch Verhördialoge, so wird man hier von den Ermittlungen gepackt.
Man formt sich im Kopf seine eigenen Vermutungen zusammen, versucht zu überlegen was Fake ist und was nicht. Man versucht ein Muster zu finden, verdächtigt jeden, was kurzfristig zu einer spannenden Szene in einem Keller führt, die vom Verdachtsmoment her eigentlich unwahrscheinlicher nicht sein könnte. Der Fall Zodiac bleibt ein Rätsel. Welche Beweise sind von Belang, wenn so viel gepfuscht wurde, welche Handschriftenanalyse ist authentisch wenn der Analyst ein Alkoholiker war? Ist Zodiac einer oder mehrere Täter? Ergab sich nie ein Muster wegen Nachahmern? Das sind alles Fragen die „Zodiac“ in ein offenes Ende treiben. Aber es war dennoch ein großes Erlebnis mittendrin eingetaucht zu sein.
Denn das muss man Fincher einfach lassen. Er lässt uns teilhaben. Ähnlich fanatisch wie der Cartoonist gräbt er alles an Fakten und Unfakten aus. Er rollt den Fall noch einmal auf, jedoch nicht um ihn zu lösen, sondern um den Zuschauer die Tragik der Hoffnungslosigkeit hinter den Untersuchungen deutlich zu machen. Fincher ist ein Kriminaldrama geglückt, dass einen den Frust der Ermittler authentisch vermittelt, eben weil wir selbst zu Ermittlern wurden, wenn auch passive vor dem Fernsehapparat. Er lässt uns das Ungewisse spüren und spielt mit uns, so wie es das Leben mit den Ermittlern tat.
Welche Verwirrung war von Zodiac gewollt, welche wurde unbeabsichtigt verursacht? Mal hat Zodiac eine helle, dann wieder eine dunkle Stimme. Das Körperformat änderte sich, die Methode war nie die gleiche, Jahre lang herrschte Ruhe, dann ging es wieder los. Selbst Opferzahlen stimmen nicht mit den Aussagen des Killers überein. Ein Schaumschläger (möglich durch die Mediengeilheit) oder das Prahlen eines falschen Zodiac? Erstaunlich dass es Fincher schaffte ohne wirklichen roten Faden und mit ewigen Zeitsprüngen den Zuschauer so nah im Geschehen drin zu lassen. Am Ende ist „Zodiac“ ein offenes Puzzle, dass man so oft gucken kann wie man will ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
Die Mörderaufdeckung war jedoch nie das Ziel Finchers. Wenn die Figuren ihr jeweiliges tragisches Ende erreichen, dann erreicht Fincher jeweils sein Ziel, auf das er hinauswollte. Lediglich eine Figur darf einen kleinen Erfolg feiern, aber selbst der ist trügerisch. Vielleicht brauchte Fincher von Produzentenseite einen winzigen Happy End-Ersatz. Ich weiß es nicht, aber er stößt nicht sauer auf. Im Gegenteil, es ist ein packender Moment.
Eine alles überschauende Regie, viele gute Schauspieler, ein stimmiger Soundtrack und großartige Fotografien (die auf die typischen Fincher-Spielereien diesmal verzichten) machen „Zodiac – Auf der Spur des Killers“ zu einem großartigen Ergebnis. Diese Elemente machen aus der Geschichte ohne Faden und eigentlichem Spannungspotential und mit ihren vielen Zeitsprüngen einen Hingucker. Und dass das Hingucken auf Dauer nicht langweilig wird, verdanken wir dem starken Drehbuch, welches faktenreich bestückt ist und den Zuschauer nah an die Untersuchungen heranlässt. OFDb
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