16.11.2013

DER SCHRECKEN DER MEDUSA (1978)

Der größte Kniff von „Der Schrecken der Medusa“ ist seine Erzählweise. Er beginnt nach einer Mordsequenz wie ein kleiner, netter Krimi, der über Rückblicke zunächst Tatverdächtige freilegt. Nur sehr langsam verändert sich dieser Zustand, indem die Rückblicke mit der Zeit die Vermutung festigen, dass der Ermordete, der sich nach nur wenigen Filmminuten als doch noch lebend entpuppt, ein Monstrum gewesen sein könnte. Der ermittelnde Kommissar versucht sich zu bemühen objektiv zu bleiben und erwischt sich immer wieder dabei, wie er mit der Vermutung spekuliert, dass das Opfer übernatürliche Kräfte besitzen könnte. Ab einem gewissen Punkt des Films ist er vollends davon überzeugt, und erst jetzt erfährt auch der Zuschauer, dass dem so ist. Diese Erzählweise gibt viel Freiraum zum mitraten, gibt viel Zunder in Sachen Spannung und hält den Zuschauer damit bei der Stange. Erholen kann dieser sich kaum, selbst das Ende setzt dem ganzen noch die Krone auf und ist wirklich hervorragend gewählt.

Die Rolle der Psychiaterin mag nur so dahin gespielt sein, aber die zwei anderen Hauptrollen spielen wirklich klasse: das Opfer mit seinen eiskalten Medusaaugen (okay, die Leute verwandeln sich nicht zu Stein, aber für einen Augenblick versteinern sie auf psychologischer Ebene) und der Kommissar, der auf recht schrullige Art ermittelt, als Franzose unter den Briten ohnehin nicht wirklich dazugehörend und dann noch diesen phantastischen Fall bearbeitend. Man könnte meinen die Verantwortlichen der „Columbo"-Reihe hatten einen ähnlichen Charakter im Sinn, als sie ihren Columbo schufen und hatten es dann in all den Filmen doch nicht drauf ihm derart Leben einzuhauchen, wie es hier mit der Kommissarenfigur innerhalb nur eines Streifens geschah.

Trotz der reißerischen Szenen zum Finale hin wirken die Spezialeffekte niemals aufgesetzt. Sie werden sehr wohlüberlegt eingesetzt und dienen an den richtigen Stellen positioniert nur dem Spannungsbogen. Neben anständiger, aber nicht unbedingt lobenswerter Musikuntermalung sorgt die Geräuschequelle im Krankenhauszimmer für zusätzlichen Spannungsaufbau. Ein solches Stilmittel kann meiner Meinung nach in Horrorfilmen immer wieder punkten.

Interessant ist an „Die Schrecken der Medusa“ (Alternativtitel) wie er letztendlich davon erzählt, dass aus einem anständig ideologisch denkenden Menschen ein Terrorist werden kann, der sich schließlich in seiner Art nicht mehr von jenen Menschen unterscheidet, die er bekämpfen wollte. "Falling Down", wenn auch aus einem anderen Filmbereich, lässt grüßen. Golds übernatürlicher Thriller nimmt auch nie eine Position ein inwiefern er den anfänglichen linken Gedanken des Opfers zustimmt oder eben nicht. Es soll kein politischer Film sein, und neben der vielen anderen inhaltlichen Ansätze (Leben nach dem Tod, die Schlechtigkeit der Gattung Mensch, die mögliche Existenz von Gott und Teufel) ist auch des Täters politische Grundhaltung zur Gesellschaft eine Einladung zur Diskussion und philosophischem Gesprächsstoff nach dem Film, für Menschen die den Filmeabend gerne damit beenden zu besprechen was sie gerade gesehen haben.

Nun ist „The Medusa Touch“ (Originaltitel) aber nicht in allen Punkten positiv ausgefallen. Da wäre zunächst das Überzeugen des Polizeipräsidenten zu nennen, das ein wenig sauer aufstößt. Im letzten Drittel durfte das Tempo nicht gedrosselt werden, deshalb ist die Rolle des obersten Bullen im Stall viel zu schnell von der Übernatürlichkeit des Falles überzeugt. Da der Streifen ansonsten psychologisch recht clever vorgeht, hielt ich dieses Verhalten zunächst für eine Falle, um die Geschichte in eine andere Richtung zu lenken, frei nach dem Motto: Der Kommissar spinnt, sperrt ihn ein! Aber nein, mit der Zeit muss man feststellen, dass der Vorgesetzte dem Hauptermittelnden ernsthaft glaubt, was an der Glaubwürdigkeit der Figur nagt.

Zweiter, wenn auch etwas schwächerer Kritikpunkt sind die Filmminuten etwa von der 45. bis zur 65. Minute hin. Hier bekam ich langsam das Gefühl, dass etwas mehr passieren müsste. Man denkt sich, wenn der Film nun nicht umschwenkt läuft er nachher noch trotz gutem Storyaufbau ins Leere. Dann schwenkt er endlich um. Es wäre schöner gewesen dies wäre etwas früher passiert, noch bevor man als Zuschauer glaubt der Film trete auf der Stelle.

Im Gegenzug sei allerdings auch einmal lobend erwähnt, dass „Der Schrecken der Medusa“ in Kleinigkeiten gegenüber dem heutigen Amerikakino und dem veramerikanisierten deutschen Kino trumpft. Wohl auch weil der Film europäischer Herkunft ist, bietet er so wundervolle unnötige Alltagsszenen, wie jene in der der Untergebene während der Fallbesprechung für den Kommissar kocht, während dieser ihm Kochanweisungen erteilt. Prinzipiell hätte der Fall im Drehbuch auch einfach so noch einmal besprochen werden können, auf ganz klassische Art. Stattdessen entschieden sich die Verantwortlichen eine schrullige Szene einzubauen. Mehr noch, die Szene wird als nicht alltägliche Möglichkeit des Standards aufgezeigt, zwar abstrus, skurril und unwahrscheinlich, aber in einer individuellen Welt durchaus möglich.

Die kleinsten Situationen im Massenkino von heute sind aalglatt gezeichnet, noch mehr als die typischen Charaktere heutzutage. Das Verhalten der Protagonisten wird immer an der Norm orientiert, damit gebrochen wird nur dann wenn jemand unnormal sein soll oder wenn das Individuelle wichtig für die weitere Handlung sind. Damit werden Geschichten gerne mal vorhersehbar, wohingegen das hier angewendete Erzählmodell die Eigenständigkeit eines Charakters hervorhebt, während es gleichzeitig den Zuschauer über den weiteren Verlauf im Dunkeln tappen lässt.

Von daher sei jedem Fan von Spannungskino „Der Schrecken der Medusa“ ans Herz gelegt. Mit all seinen Jahren auf dem Buckel guckt er sich keineswegs angestaubt, aber trotzdem fremd für Dauergäste im Blockbuster-Bereich. Das liegt aber an den anderen Schwerpunkten in der Erzählung und nicht, wie man vorschnell vermuten könnte, an einem veralteten Stil.  OFDb

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