Die Idee eines Protagonisten, der immer wieder am selben Tag erwacht, ist nicht neu. „Und täglich grüßt das Murmeltier“ entlieh sich die Idee aus einer Kurzgeschichte, die kurz nach der Komödie mit Murray unter dem gleichnamigen Titel „12:01“ verfilmt wurde. Ein TV-Sender nahm sich dieser Idee für eine Weihnachts-Komödie namens „Und täglich grüßt der Weihnachtsmann“ an, und leicht variiert wanderte auch James Belushi auf ähnlichen Pfaden in „Retroactive“. Somit wird das Thema der Zeitschleife nun zum dritten Mal für das Genre des Science Fictions eingesetzt und diesmal für eines mit Aliens, großen Kriegsschlachten, einem hohen Budget auf Blockbuster-Niveau und somit umgesetzt für das Massenpublikum, in der Hauptrolle besetzt mit Publikumsliebling Tom Cruise.
Wie für eine Großproduktion der 10er Jahre zu erwarten geht die Geschichte nicht ganz so geduldig mit den Wiederholungen des Tages um wie es die Vorgänger taten. Aber was nach der typischen Vorgehensweise aufgrund der Konzentrationsschwäche des Massenpublikums klingt, wird recht fein von Regisseur Doug Liman gelöst, der es schafft Situationen immer wieder griffig einzufangen, ohne dass man sie zum x-ten Mal erleben muss. Teilweise präsentiert der Streifen uns Wiederholungen von Ereignissen, deren erste Male wir nie miterlebt haben, und das ist keinesfalls eine ärgerliche Eigenschaft von „Edge of Tomorrow“, sondern aufgrund der trotzdem vorhandenen Publikumsnähe und weiterhin möglichen Identifikation mit Situationen und Personen ein vorteilhafter Weg Zeit zu sparen, ohne die Geschichte darunter leiden zu lassen.
„Edge of Tomorrow“ ist flott erzählt, so flott sogar dass selbst ein besonders leicht zu langweilendes Publikum nie Langeweile empfinden dürfte. Aber aufgrund der immer neu aufkommenden Ereignisse und damit gewonnenen Erkenntnisse bleibt der Stoff immer interessant, zumal er recht intelligent erzählt ist, ohne auch nur ansatzweise intellektuelle Tiefe zu besitzen. Dafür bleibt die Geschichte zu oberflächlich und dem Zuschauer einige Erklärungen schuldig.
Aber „Edge of Tomorrow“ soll kein tiefgehender Genrevertreter auf den Spuren eines Andrei Tarkovsky sein, er fühlt sich voll und ganz dem Popkornkino verpflichtet, und für eine derartige Produktion ist Limans Zeitschleifen-Action clever genug ausgefallen, insbesondere wenn man bedenkt in welch hohler Blockbusterzeit er entstanden ist, eine Zeit in welcher das Publikum bei einem „Star Wars“ ohne eigener Geschichte nach mehr grölt und selbsternannte Cineasten einen sympathischen, aber keinesfalls überragenden, Kopfausfilm wie „Mad Max 4“ zum besten Film des Jahres küren.
So darf man zu Recht überrascht über das Ergebnis eines Filmes sein, welcher die Idee der Zeitschleife eigentlich dafür nutzt sich an den Sehgewohnheiten des Gamer-Publikums zu orientieren. So wie Major Cage mit jedem weiteren Tod immer neue Erkenntnisse sammelt um jedes mal wieder, auf Computerspielbasis gesehen, das nächste Level zu erreichen, ist die Parallele nicht zu übersehen, erst recht durch die von Liman immer wieder ausgelassenen Zwischensequenzen, um möglichst oft immer wieder nur an jenem Punkt der Wiederholung ansetzen zu müssen, der unbedingt erforderlich ist. Die Kalkulation von „Edge of Tomorrow“ ist also keinesfalls tiefsinnig oder lobenswert zu nennen, und doch beschert uns diese kühle Produzentenberechnung aufgrund glücklicher Umstände einen wundervollen Science Fiction-Beitrag, der sich nicht zu verstecken braucht.
Wie oft der Major den Tag erlebt haben muss um zu all seinen Erkenntnissen zu gelangen, kann man ähnlich wie bei der Bill Murray-Komödie mit der Zeit nicht mehr überblicken. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Vielleicht hätte man somit die obligatorische Phase der Verzweiflung etwas vertiefen können, um tatsächlich nah am Empfinden Cages dran zu sein. Aber „Edge of Tomorrow“ interessiert sich auch diesbezüglich nur so weit für die Gefühle des Protagonisten wie es für die flotte Erzählung unbedingt sein muss. Und Liman scheint der geeignete Mann zu sein solche Kompromisse unter einen Hut zu bringen, so dass das etwas arg verwöhnte Actionpublikum ebenso bedient wird wie der etwas mehr erwartende Cineast.
Ich verstehe zwar nicht warum gerade ein Film mit einer derartig einfallsreichen und voller vielfältiger Möglichkeiten steckenden Geschichte nicht die drei Stunden beschert bekommen hat, die andere Werke wie „Herr der Ringe“ trotz geringerem Erzählwert erhalten haben, aber selbst in der zusammengestrafften Laufzeit von unter zwei Stunden weiß „Edge of Tomorrow“ ohne nennenswerte Störelemente zu funktionieren. Mit einer Stunde mehr Laufzeit hätte er allerdings vielleicht mehr werden können als „nur“ sehr gelungene Actionunterhaltung. „Edge of Tomorrow“ hätte bei fairer Chance jene vermisste Filmgattung im Massenkino der Gegenwart werden können, in welchem Tiefgang, Figurennähe und Intelligenz sich mit Action vereinen lassen. Werke wie „Kick-Ass“ bilden diesbezüglich nach wie vor die Ausnahme.
Aber was soll ich klagen bei solch angenehmen Ergebnis. Nach „Oblivion“ und „Krieg der Welten" hat es Tom Cruise erneut geschafft sich einen guten Science Fiction-Stoff unter den Nagel zu reißen, und innerhalb dieser drei hat „Edge of Tomorrow“ meiner Meinung nach die Nase vorn, wobei ich allerdings betonen möchte, dass ich alle drei Werke mag. Wo ein „Interstellar“ teilweise etwas zu steif und zu gewollt verkopft wirkte, da ist Limans Werk das komplette Gegenteil auf gleichem Niveau. Er opfert die Möglichkeiten einer wahrhaft intelligenten Geschichte auf Kosten astreiner Actionunterhaltung. Gefallen haben mir beide Blockbuster. OFDb
Ein wenig störend ist, dass einerseits davon gesprochen wird, dass "der Tag" rückgesetzt wird, es in Wirklichkeit aber zwei Tage sind. Der Hauptdarsteller spricht selber davon, dass er den Auftrag, sich bei der Hauptdarstellerin zu melden, "morgen" am Strand erhält. Auch das Ende stimmt nicht. Wenn ganz am Schluss doch noch der Tag (der eigentlich zwei Tage ist) zurückgesetzt wird, ist ja auch der Gegner wieder da, da ja alle Ereignisse innerhalb der Zeitspanne zurückgesetzt werden, also auch der Sieg über diesen Gegner.
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