14.10.2018

DAS KÖNIGREICH DER KATZEN (2002)

Was Studio Ghibli ganz offen orientiert an dem Buchklassiker "Alice im Wunderland" auf die Beine gestellt hat, wird nicht gerade dem hohen Ruf gerecht, den es sich u.a. mit dem ein Jahr zuvor erschienenen  "Chihiros Reise ins Zauberland" und allerhand früheren Werken wie "Kikis kleiner Lieferservice" erarbeitet hat. Das beginnt bereits bei der weit weniger liebevollen Animation, die zwar ein gewisses Grundniveau einzuhalten weiß, jedoch keineswegs charmant ausgefallen ist. Haru sieht eher wie der Star aus einer Animeserie aus, die Vierbeiner sind viel zu ernst gezeichnet, insgesamt fehlt es meist an einer funktionierenden Dosis Verspieltheit, die im Gegenzug in Zeichnungen wie dem König betreffend auf übertriebene Art nachgeholt werden. Ungewöhnlich schrullige Trickfilmfiguren wie der Assistent des Königs tauchen nur selten auf, oder werden, wie im Falle des gefräßigen Helfers Harus, mit klischeebeladener Extremkomik anderweitig ihrer Sympathie geschädigt.

Inhaltlich funktioniert zunächst trotzdem alles recht gut. Haru wird als typisch unreife, aber liebenswerte Teenagerin eingebracht, die erste Katze wirkt in ihrer Reaktion lustig und mysteriös, ebenso wie das Chaos welches die Glücksphase für das Mädchen auslöst, welche als erster Dank des Katzenkönigs gedacht ist. Hier versucht man sich noch ein wenig ins Katzenwesen hinein zu denken und transferiert deren Irrtümer auf das etwas ruppig aber treffsicher gezeichnete Leben einer an sich unauffälligen Teenagerin. Wenn Haru sich auf den Weg zum geheimnisvollen Katzenbüro macht erlebt "The Cat Returns" (Alternativtitel) gar seine Hochphase, ist es von den Zeichnern doch toll herausgearbeitet, wie verschlungen der von Menschen nie gegangene Katzenweg durch die Winkel der Stadt und ihrer Mauern und Dächer ausgefallen ist, so dass diese Methode der Vierbeinerfortbewegung zu einem fremden Ort führt, an dem ansonsten noch nie ein Mensch gewesen ist. Das weckt Erwartungen, das lässt auf mysteriöse anderweitige interessante Aspekte hoffen, doch die bleibt der Film dem Zuschauer von nun an schuldig, denn nun baut das Werk des hauptsächlich für TV-Serien tätigen Hiroyuki Morita enorm ab.

Das Katzenbüro offenbart uns einen Grafen, dessen Charakter plump ins Geschehen geworfen wird, ohne dass es eine Orientierung für den Zuschauer gibt warum er ist wie er ist und warum er tut was er tut. Das überträgt sich auch auf die entstehende Freundschaft zwischen ihm und Haru, die man bis zum Schluss nicht als Entstehung einer solchen bemerkt und dementsprechend nicht nachvollziehen kann. Eben erwähnter gefräßiger Partner wird mit teils funktionierender, teils zu sehr an Animeserien wie "Pinocchio" erinnernder Hauruckkomik versehen, was "Return of the Cats" (Alternativtitel) zwar immer wieder den an anderer Stelle vernachlässigten nötigen Schwung beschert, letztendlich aber doch nur das maue Niveau liefert, welches auch die restliche Rezeptur dem Werk beschert. Wo aufrecht gehende Katzen noch wirksam surreal erscheinen, da wirken Katzenbüro und das Königreich arg phantasielos präsentiert, zumal die zunächst recht passend orientierte Katzenmentalität bis auf die kulinarischen Andeutungen nicht mehr weiter beachtet wird, und die Vierbeiner auch gegen jedwede andere Spezies hätten ausgetauscht werden können.

Das könnte ich alles noch entschuldigen, wenn die Geschichte griffig erzählt wäre. Aber die kommt so hanebüchen daher, dass ihre Orientierungslosigkeit nicht mehr dem anvisierten surrealen Stil zuzuschreiben ist, sondern stattdessen einer Ignoranz zugeordnet werden kann irgendwelchen Geschehnissen einen psychologisch nachvollziehbaren Zusammenhang zu bescheren. Da werden Ereignisse und Informationen aus dem Hut gezaubert, die man einfach zu akzeptieren hat, egal ob sie wenig bis keinen Sinn machen oder keinen Hintergrund besitzen. Letztendlich versucht man mit Extremsituationen irgendwie auf eine Zeichentrickfilm-gerechte Laufzeit zu kommen und prügelt per Keulenschlag das Geschehen irgendwie in die Länge, so ereignisreich wie möglich, aber auch plump und gehaltlos ausgefallen, uncharmant anstatt gewitzt surreal angehend, mau gezeichnet anstatt sich austobend, grobschlächtige Ideen anvisierend anstatt fantasiereich und mysteriös arbeitend. Warum der dicke Kater einst urplötzlich das gefräßige Ungeheuer des Königsreichs war wird in keinster Weise vertieft, wird auch nie länger wichtig als für seine drei benötigten Sekunden Aufmerksamkeit, und so ergeht es etlichen Ideen, aber auch vorbereiteten Wendungen, wie der geheimnisvollen Stimme und der Kindheitserinnerung um ein hungriges Kätzchen, oder dem Willen des Königs Haru möge den Prinzen heiraten, sowie dem aggressiv geführten Kampf per Soldaten im Labyrinth und erst recht dem Ausgang aus dem Katzenreich, egal warum es einer sein soll.

Es fehlt an jeglicher Ecke sowohl am nötigen Feingefühl einen in diese absichtlich unrealistische Welt an die Hand zu nehmen, noch an funktionierenden phantastischen Ideen, geschweige denn an einer Faszination entfachenden Groteske. Erst nach dem Sehen habe ich gelesen, dass "Neko no ongaeshi" (Originaltitel) ein Spin Off des mir bislang unbekannten Animes "Stimme des Herzens" ist, der sieben Jahre vor dem hier besprochenen Werk entstanden ist. Es mag also sein, dass manch fehlende Orientierung durch die Kenntnis dieses Vorläufers behoben wird, aber ich glaube nicht, dass ein Sichten dieses Filmes den Blick auf "Das Königreich der Katzen" derart verstärken kann, dass daraus dann doch ein guter Film wird. Dafür sind wie erwähnt Wendungen und Überraschungen zu unsensibel und zu psychologisch sinnlos angegangen und die Charaktere zu unnahbar ausgefallen. Selbst Harus aus den Ereignissen gewonnene Reife wird in besagtem ruppigen Stil thematisiert, und schaut sich nicht wie eine bewusst erfahrene Erkenntnis, die zu einem veränderten Verhalten führt. Aber die Orientierung an Haru verliert man im Laufe der Geschichte leider ohnehin, wird sie doch mit Ankunft im Königreich dümmer und naiver charakterisiert als zuvor, wohingegen der Baron als Identifikationsersatz nicht funktionieren will, da man die Motivation seines Handels nicht kennt und bis zum Schluss auch nicht kennen lernen wird.

Bei all den Fehlern die gemacht wurden, verwundert es ein wenig, dass sich Moritas einzige Langfilmarbeit durchaus gucken lässt. Zwar war ich weder begeistert, noch fühlte ich mich tatsächlich unterhalten, aber "Das Königreich der Katzen" funktioniert auf seine Lauflänge auf der banalen Ebene einer durchschnittlichen Animeserie. Aber das zeigt auch wie gering der Anspruch im Vergleich zu üblichen Ghibli-Produktionen angesiedelt ist. Ohne Charme und wahres Interesse an den Ereignissen innerhalb besagten Königreiches schafft es der Film immerhin ohne Langeweile zu verursachen sein uninspiriertes holpriges Treiben bis zum Ende zu führen, so dass man trotz aller Enttäuschung nicht motiviert ist frühzeitig auszuschalten. Zwar kam ich mir von der ganzen Chose ein wenig verarscht vor, aber eine gewisse Restfaszination war irgendwie noch vorhanden, wollte ich doch wissen wie alles endet, welche Geheimnisse gelüftet werden und welche nicht, aber auch welche Fehler den bisherigen noch folgen würden. Bei geringen Erwartungen und wenig Anspruch auf einen phantasievollen und nachvollziehbaren Plot kann der Film halbwegs funktionieren.  OFDb

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