19.11.2012

DER KUSS DER TARANTEL (1972)

Als die kleine spinnenvernarrte Susan mitbekommt, wie ihre böse Mutter gemeinsam mit Onkel Walter den Tod ihres lieben Vaters plant, tötet sie ihre unter Spinnenangst leidende Mutter, indem sie ihr eine Tarantel aufs Bett legt. Als Jugendliche liegt Susans Hauptinteresse noch immer bei ihren achtbeinigen Freunden. Als eine Gruppe von Schulkameraden in das Mausoleum des Herrn Papa einsteigen und Susan bedrohen, sinnt diese erneut auf Rache und tötet einige ihrer Feinde mit Hilfe der Arachniden. Eine Schulkameradin ahnt, dass die Außenseiterin etwas mit den rätselhaften Todesfällen zu tun haben muss. Und auch der böse Onkel Walter, Polizist des Ortes, beginnt langsam zu begreifen, was seine Nichte, die er über alles sexuell begehrt, im Schilde führt...

Mausoleum der Taranteln...
 
Anfang der 70er Jahre gedreht, weist „Der Kuss der Tarantel“ bereits das typische Flair seines Jahrzehnts auf, das für den Nicht-Mainstream-Bereich üblich war. Und so guckt sich der unblutige Film ähnlich wie „The Destructor“ und „California Axe Massacre“, alles Filme mit Trash-Charme in trockener Atmosphäre, bierernst umgesetzt und mit schriller, experimenteller Hintergrundmusik untermalt.

Manchem sträuben sich bei Filmen dieser Art die Nackenhaare, dabei können sie durchaus Spaß machen, vorausgesetzt man schraubt seine Erwartungen ein wenig zurück und kann sich auch auf einen vollkommen anderen Stil einlassen, als der, der für die Masse üblich ist und war. Zwar bekommt man selbst dann keinen versteckten Meilenstein des Genres präsentiert, aber zumindest einen interessanten Beitrag.

Zunächst könnte man Parallelen zu dem ein Jahr zuvor entstandenen „Willard“ vermuten, tötete dort doch ein junger Mann seine Feinde mittels seiner Freunde, den Ratten. Doch neben seines satirischen Grundtons trennt den Klassiker noch etwas anderes von „Kiss Of The Tarantula“ (Originaltitel). Susans Taranteln sind schlichtweg Spinnen und nicht intelligent. Sie tun nur, was sie ohnehin tun, während Willards Ratten auf Befehl handelten.

Der noch viel wesentlichere Unterschied, der Chris Mungers Film einen zusätzlichen Reiz beschert, ist der, dass die Opfer nie durch Spinnenbisse sterben. Die Toten in „Der Kuss der Tarantel“ erreichen diesen Zustand durch Angst und Reaktionen, die aus dieser Angst heraus entstehen. Deswegen kann man Susan auch nie etwas nachweisen. Mehr sogar: Susan gerät gar nicht erst in Verdacht.

Während die Polizei noch darüber sinniert, dass eine Panik bei solch plötzlichen Todesfällen verhindert werden muss und schnell die Ursache ergründet werden muss, damit die Bürger nicht an Gespenster glauben, fädelt der Film recht geschickt eine parallele Reaktion ein, in welcher Susans Gegner die Täterin rein willkürlich verdächtigen. Ohne jeglichen Beweis sind sie von der Schuld der Außenseiterin überzeugt. Dabei ist es reiner Zufall, dass ihr Verdacht aus Wut und Vorurteil sogar ins Schwarze trifft.

Die Polizei der Kleinstadt ist niemand geringeres als Susans Ekel-Onkel Walter, der, nachdem auch er Beweise gegen Susan hat, seine Chance wittert nun als Komplize den jungen Körper seiner Nichte zu gewinnen, den er schon so lange begehrt. Nach Horrorgesetz muss ein solcher Charakter besonders stark leiden, und hier bietet „Der Kuss der Tarantel“ nun den Höhepunkt seiner Geschichte und den an Atmosphäre. Wie Onkel Walter stirbt soll nicht verraten werden, interessanter Weise findet er seinen Tod jedoch ohne die Hilfe von Spinnen, da diese ohnehin in den letzten 20 Minuten für die Geschichte nicht mehr relevant sind.
 
Was diese Mordszene so auszeichnet ist die vollkommene Geduld, mit welcher sie inszeniert wurde. Die 70er Jahre waren typisch für ihren ruhigen Erzählstil. Chris Munger zelebriert die Langsamkeit seiner Szenen jedoch häufig geradezu. Das kann manchmal lahm wirken, wie in einer Spinnenszene, die im Autokino spielt, in besagter Situation um Onkel Walters Tod kann man jedoch nicht meckern. Hier darf man im Detail als Beobachter an einem Mord teilnehmen, und statt Langeweile kitzelt die Grausamkeit der Szene ganz andere Nerven des Zuschauers.

Meist ist „Der Kuss der Tarantel“ aus der Sicht Susans erzählt. Und obwohl das Thema Rache im Zentrum steht, was sich allein daran zeigt, dass nach vollzogener Rache der Film ziemlich offen endet, haben wir es hier nicht mit einem reinen Horrorfilm zu tun. Den Bereich des Tier-Horrors streift er ohnehin nur, trotzdem dürfte gerade dieses Publikum Hauptklient dieses Streifens sein. Es zeigen sich aber auch Elemente des Kriminalfilms und des Dramas. Der Thriller ist sogar ein dominanter Teil von Mungers Werk, jenem Mann, der sich nach „Der Kuss der Tarantel“ nur noch an ein Drama namens „Black Starlet“ versuchte, bevor er den Beruf des Regisseurs aufgab.

„Kiss Of The Tarantula“ ist ein Film für ein experimentelles Publikum, für jene, die langsame Filme mögen, die ein wenig skurriler erzählt sind, dabei aber nie den Bereich der Witzigkeit kreuzen. Ein wenig zäh ist das Ergebnis schon geraten, und die Inszenierung mancher Tarantelszene wirkt nicht nur lahm, sondern auch reißerisch und unspannend dazu. Doch eigentlich ist Munger trotz alledem ein recht interessanter Film geglückt, dem lediglich die überzogene deutsche Synchronisation an mancher Stelle ein Beinchen stellt. Gerade zu Anfang nervt die Stimme der bösen Mutter gewaltig und läst sie noch extremer ins Klischee abgleiten, als ihr Charakter ohnehin schon angelegt ist. Das gute an einem Spinnenfilm ist jedoch, dass man ihm erst 5 – 6 Beinchen stellen muss, um ihn komplett zu Fall zu bringen.  OFDb

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