Eine Kriminalgeschichte in England spielend mit der klassischen „Wer ist der Mörder?“-Frage, das war in den 60er Jahren in Deutschland ein sehr beliebtes Rezept, nicht allein aufgrund der berühmten Edgar Wallace-Reihe, welche die Rialto-Studios in die Kinos brachte, aber auf jeden Fall durch diese stark beeinflusst. Was auf 90 Minuten im Kino wirkt, muss noch nicht auf etwa 210 Minuten im Fernsehen funktionieren. Aber seinerzeit ging die Rechnung auf. Damals als Sechsteiler im Fernsehen ausgestrahlt, kam das von Hans Quest inszenierte Stück derart gut an, dass es Einschaltquoten von bis zu 89 Prozent absahnte, so sehr war das Publikum an der Auflösung des Kriminalfalles interressiert, und so wurde „Das Halstuch“ als sogenannter Straßenfeger legendär.
Ebenso legendär ist die Geschichte darüber, dass Wolfgang Neuss vor Ausstrahlung der letzten Folge den Täter bekannt gab, um mehr Menschen vom Fernseher weg und ins Kino hinein zu locken. Dieser log witziger Weise, nannte per Zufall jedoch den wahren Täter. Die Zuschauer waren seinerzeit erbost und haben Neuss dieses Verhalten nicht verziehen.
Seit der Erstausstrahlung sind 52 Jahre vergangen. Da darf man mit Recht kritisch werden bei dem Gedanken ob ein Kriminalfilm auf diese Lauflänge auch heute noch zu funktionieren weiß. Von meiner Seite aus kann ich jedoch nur sagen, dass ich wunderbar unterhalten wurde. „Das Halstuch“ ist simpel, schlicht und soll lediglich unterhalten. Eine hoch knifflige Geschichte braucht hier also niemand zu erwarten, aber es funktioniert. „Das Halstuch“ weiß mit einfachem Stil zu unterhalten, so sehr, dass man den mittlerweile auf drei Teilen konzipierten Film in einem Rutsch durch schauen kann. Meiner Meinung nach sollte man dies auch tun, ist das Nostalgie-Feeling doch so schön, wenn man gerade mittendrin ist, und sind die kleinen Subplots und die kleineren Rollennamen doch damit einfacher zu merken.
„Das Halstuch“ ist ein sogenanntes Fernsehspiel, das sich von üblichen Serien, zumindest wie wir sie heute kennen, unterscheidet. Das Setting ist auf Theaterniveau und soll auch so sein, Außenaufnahmen gibt es relativ wenige und mit ihr auch Actionszenen im weitesten Sinne. In „Das Halstuch“ wird fast pausenlos geredet, und das ist sein Trumpf. Ähnlich wie Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ entsteht der Spannungsbogen fast allein über die Dialoge, und das ist schon ein kleines Talent für sich.
„Das Halstuch“ nimmt sich nicht so ernst, soll nicht nur leicht unterhalten sondern auch von leichter Hand produziert sein. Da darf auch mal die Kamera versehentlich wo gegen kommen, ohne dass gleich neu gedreht wird, und da darf ein Schauspieler auch mal nicht sofort den Jackenärmel beim Anziehen finden. Das nimmt man alles nicht so streng. All diese kleinen Patzer, die eigentlich keine sind, sondern erst aus der heute so unnötigen Perfektion als solche betrachtet werden, sind Teilverursacher dieses naiven Charmes, den die Produktion einen auch noch beim heutigen Sichten beschert.
Mit an Bord ist Wallace-Veteran Heinz Drache als Ermittler, der ebenso spielt wie in der Kino-Reihe, was sicherlich kein Nachteil ist. Auch Horst Tappert, den man viel zu selten in anderen Rollen als in „Derrick“ sah, ist mit dabei und weiß zu überzeugen. Albert Lieven gefällt in der zweitwichtigsten Rolle als Verleger Clifton Morris. Und auch Dieter Borsche ist mit dabei, wenn auch in einer etwas uninteressanteren Rolle. Margot Trooger und Erica Beer sind als die weiblichen Zugpferde mit an Bord, und Hellmut Lange darf auch eine wichtige Figur spielen.
Die Frage wer der Mörder ist steht tatsächlich im Mittelpunkt. Verdächtig sind nicht viele, aber genug, und einer der üblichen Verdächtigen ist es dann auch, man kann also drauf kommen, aber lediglich durch Raten. Per Kombination kommt man da nicht weit, und so ist es schön, dass die Täteraufdeckung nicht nur in ihrer Auflösung gelungen ist, sondern auch durch den Weg dorthin. Yates hat im Laufe der 3 Folgen einiges an kleinen Fallen aufgebaut und eingestreut, die für die Ermittlungen bedeutender sind als sie zunächst unscheinbar in die Geschichte integriert wirkten. Gut so!
Insgesamt weiß „Das Halstuch“ also auch heute noch zu gefallen, zwar weniger durch seinen Spannungsbogen, als viel mehr durch seinen nostalgischen Charme, der durch die Leichtfüßigkeit der Verwirklichung eines solchen Projektes geprägt ist im Vergleich zur strengen Engstirnigkeit heutiger ständig anvisierter Perfektion, die im Trivialunterhaltungs-Bereich überhaupt nicht nötig wäre. Aber auch auf dieser Basis braucht sich der Film nicht zu verstecken, zumal Figuren und Situationen auch heute noch zu interessieren wissen. Zudem läuft Quests Werk nie Gefahr lächerlich zu wirken, so wie es manchen Kinoproduktionen dieser Zeit erging. Unfreiwillig komisch ist hier nichts wirklich, lediglich befremdlich wirkt manches mit über 50 Jahren Abstand. Allein wie viel hier unverkrampft geraucht wird, eben weil die Gesellschaft in solchen Punkten damals freier war als wir heute, wirkt mittlerweile recht ungewöhnlich. OFDb
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen