„Midnight Meat Train“ bohrt sich tief in die Magengegend des Zuschauers, egal wie oft man das Genre Horror schon aufgesucht hat, egal für wie hart und abgestumpft man sich halten sollte. Beim Zuschauen der grauenvollen Bilder, die Regisseur Kitamura uns zumutet, kann einem schon anders werden. Man könnte nun vermuten, da dies all zu oft geschieht, dass einem Film mit solch extremen Brutalitäten wahre Qualitäten fehlen. Aber der nach einer Kurzgeschichte von Kult-Autor Clive Barker erzählte Film ist nicht nur in seiner Gewaltdarstellung extrem, sein Spannungsbogen ist ebenfalls enorm hoch, und das gleicht schon einem kleinen Wunder.
Dies weniger weil beide Komponenten nicht allzu oft gleichermaßen in ein und demselben Werk bedacht werden, sondern weil das Drehbuch so einige extreme Logiklücken aufweist, über die man weniger großzügig hinwegsehen würde, wenn der Film einen nicht derart in seinen Bann ziehen würde. Wenn im letzten Drittel der finale Twist immer offensichtlicher wird und ein am Ende angedeutetes Rätsel (zumindest mit Unkenntnis der Printvorlage) völlig unnötig und etwas lächerlich daher kommt, dann würde dies für viele Werke den Todesstoß bedeuten. Und für manchen Zuschauer, der es bis hier her ausgehalten hat und das Gesehene als nicht so intensiv wahrgenommen hat wie ich, ist es sicherlich auch der Todesstoß. Aber das schöne am Horror-Genre ist, dass es von Werk zu Werk unterschiedlich ist, ob eine Geschichte bodenständig daher kommen muss oder nicht.
Klar, mir wäre auch lieber gewesen die Beweggründe der Protagonisten wären nachvollziehbarer gewesen. Den Vogel schießt hierbei der weibliche Part ab, der in seiner alltäglichen Phase völlig egoistisch charakterisiert ist, so dass einem ein Einmischen in die späteren Geschehnisse nicht sonderlich wundert. Aber wie der Weg ins Verderben eingeleitet wird, ist derart an den Haaren herbei gezogen, dass man sich glücklich schätzen kann, dass „Midnight Meat Train“ nicht zu der Gattung „Dieser Film muss logisch sein“ gehört. Andererseits ist es gerade das fehlende Gespür für die Psychologie der Glaubwürdigkeit von Situationen, die dem Streifen den Weg in die Oberliga versperrt.
Ryuhei Kitamura, der einige Jahre vor der großen zweiten Zombiewelle im Kino mit dem originellen „Versus“ überraschte und den „"Godzilla"-Fans ein großes Geschenk mit „Godzilla: Final Wars“ machte, liefert mit seinem ersten amerikanischen Film, in welchem Ted Raimi einen Gastauftritt absolviert, eine etwas arg bluttriefende Arbeit ab. Dieser extreme Härtegrad wäre nicht wirklich nötig gewesen, und es überrascht, dass es in Deutschland, auch in einer Zeit in welcher sich diesbezüglich die Wogen geglättet haben, „The Midnight Meat Train“ nicht längst beschlagnahmt wurde.
Von einigen zu abartigen Goreszenen aber einmal abgesehen, ist die Optik des Streifens, egal ob in besagten Goreszenen oder außerhalb dieser, hervorragend zu nennen, selbst dann wenn Bilder zu gekünstelt wirken, was z.B. bei den Außenaufnahmen der fahrenden U-Bahn stark auffällt. Da zudem die Darsteller ihre Arbeit gut machen und gerade der Metzger ohne großes Schauspieltalent zu überzeugen weiß, wird aus besagtem Film doch noch eine kleine Empfehlung. Dass die eben angesprochenen psychologisch unlogischen Szenen großzügig zu entschuldigen sind, liegt im übrigen daran, dass diese Momente immer Hand in Hand gehen mit einem enormen Spannungsbogen, der daraus seine Kraft nimmt, dass sich die Figuren in Gefahrensituationen hineinversetzen, die für den Zuschauer trotz der idiotischen Motivation nachvollziehbar sind.
Mag die Gore-Schraube in ihrer Extreme auch in den grotesken Bereich abgleiten, situativ, in den psychologisch gut herausgearbeiteten Thrill-Momenten, ist der Zuschauer mittendrin im Geschehen, und hält zu den Protagonisten, die in ihrer Leichtsinnigkeit - mit den Augen eines Horror-Fans betrachtet - locker den Tod verdient hätten. Somit ist „Midnight Meat Train“ nicht nur ein optisch gut fotografierter Blutfontänen-Rausch, sondern auch ein Werk zum mitfiebern, ein Film in welchem einen die Hauptfiguren nicht scheißegal sind. Und dies in Kombination mit den ultraharten Geschehnissen ist der Auslöser für das intensive Erlebnis mit einem Horrorfilm, der rein von der grundlegenden Geschichte her eigentlich gar nicht so einfallsreich ausgefallen ist. OFDb
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