13.11.2014

DIE KLASSE VON '99 - 'SCHULE' WAR GESTERN - LEBEN IST JETZT! (2003)

Drei Jahre nach seinem Erfolg „Schule“ schob Regisseur Marco Petry dieses Drama nach, welches nicht zufällig drei Jahre nach einem Schulabschluss spielt. Eine Verwandtschaft zwischen den beiden Filmen ist trotz unterschiedlichem Genre-Schwerpunktes durchaus gewollt, es bleibt jedoch bei Andeutungen. Ob Schmidt der Dirk aus „Schule“ ist, beide von Axel Stein verkörpert, weiß man nicht. Karbrüggen trägt in seinem Kurzauftritt einen anderen Namen, Daniel Brühl wird in seinem Schnubbie genannt, die wohl deutlichste Andeutung des Streifens auf den Vorgänger. Dass Felix Schnubbie nicht kennt, macht deutlich, dass es hier um eine völlig andere Clique als im Vorgänger geht, und ob „Die Klasse von ‘99“ nun im selben Ort spielen mag oder eine Quasi-Fortsetzung von Petrys großem Erfolg ist, ist nie ganz klar, eigentlich aber auch egal.

Zumindest erklärt dieser Umstand den mehr als nervigen vollständigen Titel „Die Klasse von ‘99 - ‘Schule‘ war gestern - Leben ist jetzt!“ Man wollte mit Petrys Folgefilm also einen Nachschlag vom Erfolgskuchen des Vorgängers abernten, was nicht der erste Fall bescheuertster Namensgebung für einen Film aus gleichem Gier-Grunde ist. Ob da ein „Jack allein im Serienwahn“ an Erfolgen von „Kevin - Allein zu Haus“ und „Allein mit Onkel Buck“ anknüpfen musste, oder ein noch groteskerer „Kevins Cousin allein im Supermarkt“ verzweifelt um Anerkennung bettelte, mit deutschen Titeln wurde schon immer Schindluder getrieben. Und da es schon einen sehr schönen Science Fiction-Trash namens „Die Klasse von 1999“ gibt, nervt mich der schreckliche Titel des hier besprochenen Filmes um so mehr. Leider gibt es als Alternativtitel nur „90/99“, also bleibt „Die Klasse von ‘99“ so oder so ein Streifen unter schlechter Namensgebung.

Immerhin ist besagter Film ein gelungener Streifen schlechter Namensgebung, denn trennt man sich einmal von der Vorstellung hier eine Fortsetzung von „Schule“ vorgesetzt zu bekommen, erlebt man ein sentimentales, unkitschiges Jugend-Drama, mit jungen Menschen, die ihren Platz im Leben suchen, manche wissendlich, manche unwissendlich. Freundschaften halten sich noch aufgrund Jahre-langen Kennens und nicht aufgrund wahrer Werte, so dass sich eine Personenkonstellation mischt, die es eben nur bis etwa zum 30.Lebensjahr gibt.

Nun baut „Die Klasse von ‘99“ aber nicht auf das Erwachen dieser Erkenntnis auf, auch wenn ich eine lange Zeit glaubte dass er dies tun würde. Der Film handelt jedoch nur von wenigen Wochen, und mit diesem Zeitraum wäre er mit dieser Thematik ohnehin etwas Entwicklungs-überstürzt vorgegangen. Nein, Freunde bleiben Freunde, so sehr man sich in drei Jahren auch auseinander gelebt hat, und Widersprüche bleiben Widersprüche, die das Leben nun einmal mit sich bringt. Probleme kann man lösen, man kann auch vor ihnen flüchten. Was von beidem Felix tut bleibt Auslegungssache, denn Petry serviert uns einen recht nüchternen, kommentarlosen Einblick, den wir selbst zu deuten haben.

Streng betrachtet ist das komplette Leben von Felix nicht hervorhebenswert. Petry zeigt uns mit diesem Zusammenschnitt weniger Wochen im Heimatstädtchen ein typisches Schicksal, wenn auch angereichert mit der Idee zur Beihilfe des Drogenschmuggels, was mehr Laufzeit mit sich bringt als mögliche Parallelen zu „Schule“ oder als die Polizeiausbildung Felix‘. Dementsprechend kurz gehalten werden auch die sozialen Interaktionen unter den gleichaltrigen Kadetten. Sie sollen nur Alternativen wiederspiegeln und Felix in seiner Position festigen. Ebenso wie die mahnenden Worte der Mutter. Und Felix muss irgendwann erkennen: die Zeiten der Fremdbestimmung und im speziellen die Aufgabe der Clique zu entsprechen sind vorbei. Er ist nun erwachsen, und nur er kann wählen was er wirklich möchte.

In dieser Konsequenz schließt „Die Klasse von ‘99“ ähnlich wie „Schule“. Beide Hauptfiguren müssen erkennen dass das Leben sich weiterentwickelt, dass nicht alles bleiben kann wie es war, dass dieser Umstand sogar positiv zu betrachten ist und dass deshalb auch Orte gewechselt werden müssen. Man kann nicht ewig im Heimatort verweilen, wenn dieser einen nicht glücklich macht. Kurzum: Hintergründig handelt Petrys Drama und damit Felix Leben von mehr als es zunächst scheint, und wie in jedem guten Genrebeitrag unseres Landes, hat man das meiste davon selbst zu entdecken.

Wer gelangweilt nach dem fehlenden Handlungs-Kick fragt und sich hinterher ärgerlich wundert, dass es zu diesem nie kam, ist nicht reif genug für einen solchen Film. „Die Klasse von ‘99“ serviert seine Handlung und Aussagen nicht auf dem silbernen Tablett, er möchte, dass der Zuschauer diese selbst entdeckt. Und diese Mündigkeit genieße ich, ich beschäftigte mich mit dem Stoff und fühle mich deshalb gut unterhalten, nicht auf einem Niveau richtig großer Werke a la „Requiem“ und „Die Ausbildung“, im Vergleich zu diesen ist Petrys Film tatsächlich noch immer einen klitzekleinen Rest zu mainstreamig, aber gut genug um von einem anspruchsvollen Werk zu sprechen.  OFDb

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen