10.08.2019

THE GIRL WITH ALL THE GIFTS (2016)

Häufig sind Zombiefilme um Innovationen bemüht, manches Mal geht das gehörig daneben ("War of the Living Dead", "It Stains the Sand Red"), gelegentlich führt es zu einem netten Film unterhalb der anvisierten Möglichkeiten ("The Returned", "The Night Eats the World"), hin und wieder kommt es aber auch zu tatsächlich interessanten Filmen mit tollen Denkansätzen ("Pontypool", "Fido", "Maggie"). "The Girl with All the Gifts", der auf dem Bestseller "Die Berufene" basiert, ist einer dieser Beiträge, die allerhand interessanter Ideen aus ihrem anderen Denkansatz heraus zu ernten wissen und den Zuschauer immer wieder mit auf eine abenteuerliche Reise nehmen, von der er immer wieder ab einem gewissen Zeitpunkt glaubt zu wissen wie es weiter geht. Doch das täuscht, der Film hält allerhand Überraschungen parat, dies stets auf neuen Erkenntnissen fußend, und somit nicht einfach aufgrund wilder Umschweife des verkrampften Wunsches nach Wendungen wegen erzählt. Dementsprechend sollte man vor dem ersten Sichten am besten gar nichts über den Inhalt wissen, dann schaut sich das Ergebnis noch großartiger als ohnehin schon. Und zu einer zweiten Sichtung wird es mit all den Erkenntnissen der ersten höchst wahrscheinlich ebenfalls kommen.

Ich selbst habe "She Who Brings Gifts" (Alternativtitel) innerhalb kurzer Zeit nun schon mehrere Male gesichtet und bin immer wieder aufs Neue begeistert was er so alles zu bieten hat. Das beginnt mit der Idee es bei den Zombies nicht mit Vireninfizierten zu tun zu haben, sondern mit Opfern eines fiesen Pilzes. Diese Idee ruht sich nicht darauf aus einen alternativen Auslöser zu Konkurrenzprodukten zu liefern, man weiß damit allerhand phantastischer und bizarrer Möglichkeiten zu ernten, welche die Geschichte von anderen Vertretern des Zombiefilms tatsächlich abzuheben weiß. Auch die Sonderpositionierung der Zombies der zweiten Generation bieten Potential für wesentlich mehr, als dem plötzlichen Umschwung vom täuschenden Liebchen zur gefährlichen Bestie. Gerade hier bietet "The Girl with All the Gifts" ein unglaubliches Potential an Gesellschaftsanalysen, einschließlich der immerwährenden Frage dieser Stoffe, in wie weit Menschlichkeit möglich, bzw. nötig ist und in wie weit nicht. Innerhalb dieses philosophischen, zugegebener Maßen in diesem Genre nicht neuen, Gedankenansatzes, versteht es das Drehbuch jede einzelne im Zentrum stehende Figur zu begreifen, sprich das Verhalten und Empfinden des Mädchens, der Soldaten und das der Lehrerin sind ebenso rational, wie emotional nachvollziehbar, wie jenes der oft kühl wirkenden und sachlich denkenden Wissenschaftlerin, die von Glenn Close hervorragend verkörpert wird. Je nach Mentalität stößt man bei einer dieser Charaktere auf seine persönlichen Grenzen, das Drehbuch selbst unterscheidet jedoch nicht zwischen Richtig und Falsch, sowie Gut oder Böse und lässt jeden so sein wie er ist und lädt uns dazu ein, sich in den jeweils anderen vorurteilsfrei hineindenken zu können.

Auch visuell ist der Streifen ein Genuss, sei es in der hektischen Situationsaufnahme von Melanie inmitten des gerade untergehenden Militärstützpunktes, das bizarr anmutende, simpel abgefilmte Klassenzimmer voll von Kindern der zweiten Generation, die lahmgelegten Städte, in welchen sich die Natur längst ihren Platz zurück erkämpft hat, oder auch nur die Maske der Zombies, die aufgrund ihrer Pilzerkrankung eher wie die Untoten aus der italienischen 80er Jahre-Zombiewelle aussehen, als wie Vertreter heutiger Tage. An "Terror Z" erinnernd, verweilen sie im Ruhezustand, bis sie auf eines ihrer nächsten Opfer aufmerksam werden, und das sieht schon sehr stark aus. Allerdings sorgt gerade dieser Aspekt für einen von wenigen Ungereimtheiten, funktioniert das Aufwecken der Zombies doch immer gerade so intensiv, wie es das Drehbuch gerade benötigt. Auch Kleinigkeiten, wie für die zweite Generation nie eine Bezeichnung erfunden zu haben, den "Objekten", die stets als es bezeichnet werden, allerdings jeweils einen menschlichen Namen zu bescheren, wollen nicht immer konsequent durchdacht erscheinen. Aber das sind Ausnahmen inmitten eines ansonsten intelligent erzählten Stoffes, der stets mehrere Gedankenansätze und Vertiefungen dieser besitzt, meist zu Ende gedacht ist und uns immer wieder an rational scheinende Begründungen und Denkprozessen teilnehmen lässt.

"The Girl with All the Gifts" schafft auf intelligente Art den Ballance-Akt seine Geschichte sowohl intellektuell als auch emotional zu präsentieren. Letzteres ist wichtig aufgrund der Position Melanies inmitten allem Erlebten und aufgrund bevorstehender Wendungen der Geschichte. Deswegen besteht der Soundtrack auch stets aus einem Mix aus beunruhigend und märchenhaft. "The Girl with All the Gifts" erlaubt es sich das Entdecken der untergegangenen Welt aus der Sicht eines Mädchens zu präsentieren, welches stets nur den Militärkeller kannte. Bilder, die auf uns trostlos und erschreckend wirken, wecken in ihr Freude und Faszination. Auf kindliche Art erforscht sie ehemalige Alltagsgegenstände, nimmt jede neue Information begeistert, wie ein Schwamm aufsaugend, in sich auf, betrachtet mit Begeisterung die Natur, aber auch mit Schrecken die ihr bis dahin nicht bekannten Zombies, selbstverständlich verstehend dass ein Teil ihrer aggressiven Natur auch in ihr steckt. Melanie will nicht sein wie sie, hat aber nicht die Wahl darüber zu entscheiden. Aufgrund dieser Prozesse und manch anderer Beobachtungen wird der Trip dem wir beiwohnen auch für Dr. Caldwell interessant, die stets neue Erkenntnisse über den Pilz und ihrer Opfer entdeckt, dabei aber stets an ihrer Mission fest hält. Richtung Finale kommt es zu einem gut getarnten intellektuellen Duell zwischen ihr und Melanie, dessen Ausgang zu einer sachlich überlegten Schach matt-Situation führt, ein schönes Beispiel dafür, dass der Film in seinen entscheidenden Phasen stets rationalen Rückhalt erhält - anbei auch dann wenn Emotionen die Geschehnisse bestimmen.

Ob auf inhaltlicher oder handwerklicher Ebene, ob auf emotionaler oder rationaler, "The Girl with All the Gifts" ist ein brillant ausgefallener Ausnahmefilm seines Sub-Genres, der stets genug Raum für das Abenteuerliche seiner Geschichte bereit hält, während er gleichzeitig analytischen Tiefgang beweist. Ein Hauch Märchen weht stets mit, ohne dabei die Bedrohlichkeit herunter zu schrauben, zu ignorieren oder zu unterschätzen. Beides läuft parallel nebeneinander her, eingefangen in tolle Bilder, dargestellt von talentierten Mimen, untermalt von einem stimmigen Soundtrack und von einem intelligenten Drehbuch aus einer rätselhaften Sichtweise präsentiert. Damit wird man selbst zum Entdecker der hier dargebotenen Welt, immer zwischen den Stühlen unserer Sichtweise und jener von Melanie sitzend. "The Girl with All the Gifts" ist ein hoch interessant erzählter Geheim-Tipp, welcher sich nicht einzig auf der Zombieidee ausruht, diese aber immer zentrale Basis alles Weiterführenden bleiben lässt. Der Film unter der Regie des häufig für TV-Serien tätigen Colm McCarthy funktioniert auf analytischer Ebene ebenso wie im Unterhaltungsbereich, funktioniert als Horror, Science Fiction, und Drama ebenso wie als modernes Märchen für Erwachsene und lässt einen mit seiner unerwarteten Weiterentwicklung der Geschichte oftmals staunen. Bei all der inhaltlichen Vielfalt, die der Streifen bietet, von der man überrascht sein darf, dass sie bei ruhiger Herangehensweise genügend Platz in einem zeitlich regulär laufenden Spielfilm findet, darf man erfreut feststellen, dass das Ergebnis nie zu gehetzt angegangen wird und mit seinen unterschiedlichen Schwerpunkten stets miteinander kompatibel ist. Es braucht bei der reichhaltigen Geschichte somit nicht wundern, dass man den Film mindestens noch ein zweites Mal sichten muss, um das Gefühl zu haben möglichst alles zu genüge wahrgenommen zu haben.  OFDb

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